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© Fotolia.com | Tom-Bayer | 2021 stiegen die Emissionen der deutschen Energieanlagen erstmals seit 2013 wieder an.

Fast 60 Prozent des industriellen Stromverbrauchs sind begünstigt

Das baden-württembergische Umweltministerium veröffentlicht Daten zur Entwicklung der Stromkostenentlastung der Industrie (Besondere Ausgleichsregelung).

Das baden-württembergische Umweltministerium hat untersuchen lassen, welche Auswirkungen die so genannte Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) auf die Strompreise im Produzierenden Gewerbe und daraus abgleitet auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen hat. Die vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, FÖS, vorgelegte Studie belegt, dass die Kosten für die 16 energieintensivsten Branchen bezogen auf die Bruttowertschöpfung tendenziell nur wenig über dem europäischen Durchschnitt und teilweise sogar darunter liegen.

Das FÖS beleuchtet in seiner Studie auch den Zusammenhang der EEG-Umlagenhöhe mit der Besonderen Ausgleichsregelung. Die BesAR befreie die Unternehmen um rund 4,8 Milliarden Euro (640 Millionen Euro im Jahr 2007). Um diese Summe, umgerechnet 1,34 Cent/kWh (22 Prozent) sei die EEG-Umlage durch die Privilegierung für alle anderen Stromverbraucher höher. Das, so Franz Untersteller, sei natürlich nur eine theoretische Betrachtung.

Umweltminister Franz Untersteller: „Die Privilegierung des Stromverbrauchs in Unternehmen ist ein mitverantwortlicher Faktor für die Höhe der EEG-Umlage und muss deshalb genau beobachtet werden.“

Eine Privilegierung der energieintensiven Industrie sei nach wie vor erforderlich, aber sie müsse auf die Branchen und Unternehmen begrenzt sein, die wirklich im internationalen Wettbewerb stehen. „Wenn die EEG-Umlage steigt, wie morgen wohl bekannt gegeben wird, dann müssen wir uns Umlage-Privilegien natürlich wieder ansehen. Es darf nicht sein, dass private Haushalte die Kosten für industriepolitisch nicht zu rechtfertigende Mitnahmeeffekte tragen müssen.“

Zugleich dürften allerdings Effizienzanstrengungen der Unternehmen nicht dazu führen, gerechtfertigte Privilegien zu verlieren, was aufgrund der Systematik der Besonderen Ausgleichsregelung immer wieder geschehe und in manchen Fällen standort- oder gar existenzgefährdend wirken könne. Er habe sich bei verschiedenen Unternehmensbesuchen selbst von dieser Problematik überzeugen können, sagte Untersteller: „Da werden Unternehmen für ihre Effizienzbemühungen und ihren deshalb sinkenden Energiebedarf regelrecht bestraft. Energieeffizienz muss sich aber selbstverständlich immer lohnen. Ich fordere die Bundesregierung jetzt zum wiederholten Mal auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Besondere Ausgleichsregelung in diesem Punkt verbessert wird.“

Fast 60 Prozent des industriellen Stromverbrauchs sind begünstigt

Das FÖS hat die Entwicklung der Besonderen Ausgleichsregelung seit 2003 untersucht. Seitdem hat sich die Anzahl der privilegierten Unternehmen von 59 (2003) auf 2180 (2015) erhöht. Die durch die BesAR begünstigte oder sogar von der Umlage befreite Strommenge wuchs von rund 63 TWh (2005) auf voraussichtlich etwa 107 TWh (2015) an. Fast die Hälfte des industriellen Stromverbrauchs von 231 TWh (48 Prozent, 2010 waren es 37 Prozent) ist somit über die Besondere Ausgleichsregelung privilegiert. Den von Unternehmen selbst erzeugten und ebenfalls begünstigten Strom einbezogen, sind sogar 56 Prozent des industriellen Stromverbrauchs ganz oder teilweise befreit.

In Baden-Württemberg sind im Jahr 2015 282 Unternehmen mindestens teilweise von der EEG-Umlage befreit, ihr Stromverbrauch zusammen liegt bei etwa 6,9 TWh. Damit hat Baden-Württemberg einen vergleichsweise geringen Anteil (rund 6 Prozent) am gesamten Umfang. Auffallend ist, dass die begünstigten Unternehmen hier im Durchschnitt kleiner und weniger stromintensiv (24-74 GWh/a) sind als im Bundesdurchschnitt (49-146 GWh/a). Am häufigsten kommen deutschlandweit in diesem Jahr Unternehmen der Ernährungsbranche (463) in den Genuss von Befreiungen. Die höchste privilegierte Strommenge (27,6 TWh) ist der Chemischen Industrie zuzurechnen.

Im europäischen Vergleich der Energiekosten im Produzierenden Gewerbe stellt das FÖS fest, dass es sehr starke branchenspezifische Unterschiede gibt. Die höchsten Energiekosten in Bezug auf die Bruttowertschöpfung im EU-Vergleich haben Unternehmen, die sich mit der Herstellung von Industriegasen beschäftigen, auch die Zementproduktion und die Papierherstellung weisen einen vergleichsweise hohen Energiekostenanteil auf. Aufgrund einer relativ hohen Befreiung liegen zum Beispiel die Energiekosten von Betrieben der Zellstoffherstellung, von Flachglas und von Ölen und Fetten unter den durchschnittlichen Kosten in Europa. Auch die Energiekosten für die Erzeugung und Bearbeitung von Aluminium sind in Deutschland niedriger als im EU-Durchschnitt. „Zusammengenommen liegt Deutschland demnach selbst mit seinen 16 energieintensivsten Branchen im europäischen Mittelfeld“, schließen die Wissenschaftler des FÖS ihre Studie.

Ergänzende Informationen:

Die Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) für Unternehmen des Produzierenden Gewerbes wurde im Jahr 2003 eingeführt und seitdem zusammen mit dem EEG mehrfach reformiert. Sie privilegiert bestimmte Unternehmen bei der Zahlung der EEG-Umlage, was großen Einfluss auf die reale Höhe der Industriestrompreise hat. Als Begründung für die Einführung der BesAR wurde von der Bundesregierung die Vermeidung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen der stromintensiven Unternehmen im Produzierenden Gewerbe angeführt. Als konkrete Kriterien zur Auswahl dieser „wettbewerbsgefährdeten“ Unternehmen werden der Mindeststromverbrauch und die Stromkostenintensität zugrunde gelegt.

Studie der FÖS: Besondere Ausgleichsregelung und Industriestrompreise [09/15; 2 MB]

Quelle

Ministerium für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft Baden-Württemberg 2015

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