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Wahnsinn hat Methode

Die Kernfusionsanlage Iter – für das Projekt gilt schon seit 50 Jahren ein Running Gag

Derzeit entsteht in Südfrankreich die Kernfusionsanlage Iter, unter Beteiligung aller führenden Wirtschaftsnationen, so der USA, von China, Indien und auch der EU und der Schweiz. Der Rat der Trägerstaaten hat jetzt das Datum für erste konkrete Ergebnisse um fünf Jahre auf 2025 verschoben und weitere rund fünf Milliarden € für die Realisierung beschlossen.

Für das Projekt gilt schon seit 50 Jahren ein Running Gag: Die Kernfusion wird für den Menschen alle Energieprobleme lösen – in den kommenden 50 Jahren. Das  Vorhaben, das Geschehen auf der Sonne quasi nachzubauen und eine unbegrenzte Energiequelle zu schaffen, steht in Tat und Wahrheit aber unter einem ähnlich schlechten Stern wie die sonstige Atomforschung: Sie ist ein Fass ohne Boden und vertröstet stets erneut auf den Sankt Nimmerleinstag, wenn es um konkrete und brauchbare Ergebnisse geht. Kommt jetzt noch der Brexit hinzu, der die internationale Atomzusammenarbeit ganz allgemein erschwert.

ITER (Apronym: englisch für International Thermonuclear Experimental Reactor, lateinisch für Weg) ist ein seit 2007 im Bau befindlicher Kernfusionsreaktor. Und die jüngste Meldung zu diesem Iter ging im Trubel des Brexit sowie der Fussball-EM unter – sie wurde aber wohlweislich vielerorts aber auch gleich unterdrückt. Nur der Neuen Zürcher Zeitung sind die Details zum Beschluss zu verdanken – während es bei der Nachricht des hiesigen Atomlobbymediums, der Website nuklearforum.ch, bei verschleiernden Informationen blieb, so hiess es wörtlich: «Am 18. Iter-Ratstreffen in St. Paul-lez-Durance am 15. und 16. Juni 2016 genehmigten Vertreter der sieben Iter-Mitglieder China, Europäische Union, Indien, Japan, Korea, Russland und Vereinigte Staaten einen revidierten Kosten- und Zeitplan.

Demnach wird der Iter im Dezember 2025 – fünf Jahre später als ursprünglich vorgesehen – den Betrieb aufnehmen. Die Erzeugung des ersten Plasmas sei jedoch nur der Anfang, so der Iter-Rat. Er forderte die Iter-Organisation auf, die Federführung zur Verlängerung des aktualisierten Kosten- und Zeitplans bis zum Deuterium-Tritium-Betrieb zu übernehmen. Der Vorschlag solle «ausreichend detailliert» sein, damit der Rat an seiner nächsten Tagung im November die überarbeiteten Projektausgangsbedingungen verabschieden könne.»

Von den Kostenfolgen ist beim Nuklearforum hingegen keine Rede. Doch im Klartext bedeutet der Beschluss der Mitglieder des internationalen Iter-Projekts, dass das Projekt nicht nur erneut eine massive Verzögerung erfährt (um rund fünf Jahre), sondern dass es sich weiter massiv verteuert (zusätzlich zu den bereits beschlossenen 14 deren weitere fünf Milliarden Euro).

Davon wird auch die Schweiz betroffen sein, die sich an Iter beteiligt. Gemäss dem Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation hat sie sich bislang mit 183 Millionen Franken an Iter beteiligt – berücksichtigt man die nunmehr um rund einen Drittel erhöhten Aufwendungen, wird für die Schweiz eine weitere Kostenspritze von rund 60 Millionen fällig. Das ist immerhin fast soviel, wie im Rahmen der Kostendeckenden Einspeisevergütung KEV hierzulande jährlich für Solarprojekte aufgewendet werden.

Aus den USA und aus Deutschland kamen in den vergangenen beiden Jahren jeweils Berichte von großen Fortschritten in anderen Projekten der Fusionsforschung – doch wohl aus Gründen der Geheimhaltung sind die Angaben derart vage, dass sie kaum überprüfbar sind. War der Watts Bar-2 reactor nach Inbetriebnahme am 3. Juni – und einer Bauzeit von 43 Jahren – gerade mal zwei Tage am Netz und schaltete sich dann von selbst ab, Grund vorderhand unbekannt.

Und dann noch dies: Einen guten Aspekt kann man dem in dieser Woche überraschend beschlossenen Brexit vielleicht abgewinnen – er macht die Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Grossbritannien in der Atomtechnologie auf jeden Fall nicht einfacher. Womit das Gross-AKW-Projekt Hinkley Point, das auf wesentliche Unterstützung  französischer Technologie und Finnanzkraft zählt, unwahrscheinlicher denn je.

Quelle

Solarmedia | Guntram Rehsche 2016

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