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TTIP: Ein Geheimdienst-Abkommen?

Solange Verbraucher- Natur- und Umweltschutz so missachtet werden wie im derzeitigen Entwurf, darf diese Vereinbarung nicht in Kraft treten. Freihandel ist gut und hilfreich, aber nicht um jeden Preis.

In Berlin gibt es einen 35-Quadratmeter großen Raum, in dem sich Bundestagsabgeordnete über das TTIP-Abkommen informieren können.  Zwei Abgeordnete dürfen an einem Tag diesen Raum betreten und sich über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der USA und der EU über acht Flachbildschirme und acht Aktenordner informieren. Wer hier lesen und recherchieren darf, muss vorher per Unterschrift zur Kenntnis nehmen, dass er oder sie im Zweifelsfall wegen Geheimnisverrat strafrechtlich belangt werden kann. Einen ähnlichen „Lese-Raum unter Gefängnisbedingungen“ (so der Europaabgeordnete Sven Giegold von den Grünen) gibt es in Brüssel.

TTIP aber betrifft 800 Millionen Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks. Viele von ihnen fragen sich seit etwa zwei Jahren, warum vor allem die USA so ein Geheimnis um dieses Abkommen macht. Was haben die Amis zu verbergen? Und warum reden Politiker der Großen Koalition in Berlin bei diesem Thema so oft um den heißen Brei? Politiker misstrauen ihren Bürgern und die Folge ist: Bürger misstrauen ihren Politikern.

Geheimniskrämerei schürt Misstrauen. Solange der Inhalt dieses Abkommens wie ein Staatsgeheimnis behandelt wird, sind wir Bürger auf Vermutungen, Spekulationen, Befürchtungen oder gar Verschwörungstheorien angewiesen. Doch seit Greenpeace Niederlande die TTIP-Dokumente veröffentlicht hat, wissen wir mehr und sind nicht länger auf Vermutungen oder auf die Beruhigungsworte der Regierenden angewiesen. Wir müssen jetzt nicht mehr blind glauben.

Wir wissen nun, dass alle Befürchtungen berechtigt waren. Die Risiken im Umwelt- und Verbraucherschutz in diesem Abkommen sind bestätigt:

  • Das in Europa geltende Vorsorgeprinzip, das nur Produkte erlaubt, deren Unbedenklichkeit für Mensch und Natur nachgewiesen ist, wollen die USA durch das bei ihnen vorherrschende Risikoprinzip ersetzen.
  • Das bedeutet, dass der Gentechnik auch in Europa Tür und Tor geöffnet würde.
  •  Was bisher aus diesen Geheimverhandlungen an die Öffentlichkeit drang, klang wie ein Albtraum. Jetzt wissen wir, dass daraus bald Realität werden könnte.
  •  TTIP rüttelt an den Fundamenten des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes. Was großenteils die Zivilgesellschaft erkämpft hat, ist durch TTIP bedroht. Das ist das Gegenteil von demokratischer Mitsprache.

Deshalb darf dieses rückwärtsgewandte Abkommen so niemals in Kraft treten.

Fortschrittliche EU-Umweltgesetze zu Lebensmittelsicherheit oder Chemikalien sollen geschwächt oder abgeschafft werden. Industrievertreter und nicht die Zivilgesellschaft sollen die entscheidende Mitsprache bekommen.

Befürworter des Abkommens haben bisher die Skeptiker und Gegner gerne „Verschwörungstheoretiker“ genannt. Nun aber zeigt sich ganz deutlich, dass die Einwände berechtigt waren. Gegen „Verschwörungstheorien“ helfen nur Aufklärung und Offenheit.

Bei TTIP geht es nicht nur um Wirtschaft, Wachstum und Freihandel, sondern zugleich um die demokratische Kultur und um den Rechtsstaat auf beiden Seiten des Atlantiks. Es geht um das größte Freihandelsabkommen der Geschichte. Gerade deshalb ist bei diesem Projekt jede Geheimniskrämerei falsch und verdächtig.

Wenn nicht einmal Spitzenpolitiker sich frei und ungehindert und ohne Strafandrohung informieren können, dann muss die Gesellschaft umso wachsamer sein.

Der derzeitige Stand der Verhandlungen erlaubt nur einen Schluss: Solange Verbraucher- Natur- und Umweltschutz so missachtet werden wie im derzeitigen Entwurf, darf diese Vereinbarung nicht in Kraft treten. Freihandel ist gut und hilfreich, aber nicht um jeden Preis.

Die nach der Veröffentlichung bekanntgegebenen Umfrage-Ergebnisse zu TTIP sind kein Zufall, sondern ein Auftrag an die Politik: über 70% der Bundesbürger lehnen TTIP in der jetzigen Form ab. Und das ist gut so. Lieber kein Abkommen als dieses.

Quelle

FRANZ ALT 2016

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