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kopfbahnhof-21.de | Stuttgart 21 umnutzen: Auswege aus der Sackgasse

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Was nun, Stuttgart 21?

Schwaben gelten gemeinhin als sparsam. Aber gilt das immer? Auch bei Stuttgart 21? Ein Kommentar von Franz Alt

01.12.2017  Vor 23 Jahren begann die Planung des Tiefbahnhofs. Damals sollte das Prestigeprojekt einiger Politiker 2.4 Milliarden Euro kosten und 2020 vollendet sein. Inzwischen rechnet die Deutsche Bahn mit 7.6 Milliarden Euro Kosten, der Bundesrechnungshof sogar mit bis zu zehn Milliarden. Also das drei- oder vierfache und mindestens drei Jahre längere Bauzeit.

Für die Stuttgarter heißt das: Drei Jahre länger Lärm, Dreck und Wohnungsnot. Was nun, Stuttgart 21? fragt die Süddeutsche Zeitung.

Wer soll das bezahlen? Ist ein Weiterbau noch sinnvoll oder soll umgeschwenkt werden auf das kostengünstigere und leistungsfähigere Modell der Gegner von Stuttgart 21, welche die bisherigen Bauarbeiten in ihr Modell integrieren wollen?

Die Bahn könnte das fehlende Geld viel erfolgversprechender anderswo einsetzen, um die dramatischen Verspätungen zu reduzieren, die ja meist mit „technischen Störungen“ begründet werden. Nie war die Bahn so unpünktlich wie 2017.

Es ist absehbar, dass Stuttgart 21 ein Riesen-Verlustgeschäft wird. Die unsäglichen Verspätungen bei der Bahn sind 2017 auf Rekord-Niveau angelangt. Überall fehlt es an Geld, um die verlotterte Infrastruktur auszubauen, um endlich auch pünktlicher werden zu können.  

Aber sowohl die Schwaben-Regierung wie die schwäbische Metropole Stuttgart wie auch der Verbund Region Stuttgart weigern sich nach dem altbewährten Motto: „Mir gäbet nix zusätzlich“, sich an den Mehrkosten zu beteiligen. Das Land bleibt bei seiner Zusage von 930 Millionen Euro für den gesamten Spaß von Stuttgart 21. Und auch Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagt für seine Stadt: „Es bleibt bei den zugesagten 300 Millionen Euro.“

Wer im Stuttgarter Hauptbahnhof umsteigt, muss also noch mindestens bis 2024 über die Baugrube hinweg auf provisorischen Rampen zum alten Bahnhofsgebäude  laufen. Vielleicht dauert es nochmal länger. 2027 soll in Stuttgart eine Internationale Bauausstellung stattfinden. Spötter vermuten schon, es könnte eher eine lokale Baustellenbesichtigung werden.

Um das alles zu rechtfertigen, berufen sich die Befürworter von Stuttgart 21 immer wieder auf die Volksabstimmung, die ein klares Votum für den Bau des Tiefbahnhofs gebracht habe.

„Mehrheit ist Mehrheit“ sagt auch der grüne Ministerpräsident und einstige Gegner von Stuttgart 21, Winfried Kretschmann. Dabei wird freilich verschwiegen, dass die Abstimmung auf völlig falschen Zahlen beruhte.

„Mehrheit ist Mehrheit“ ist richtig, aber zählt in der Demokratie nicht auch die Wahrheit? Und diese Wahrheit wurde bei der Volksabstimmung durch geschönte Zahlen mit Füßen getreten. Wenn die Wahrheit ständig zurechtgebogen wird wie auch jetzt wieder, dann wächst natürlich die Politikverdrossenheit.

Im Januar 2018 wollen sich die Aufsichtsräte der Bahn mit den neuen Zahlen beschäftigen und daraus Konsequenzen ziehen. Fest steht schon jetzt: Ob Stuttgart 21 weitergebaut wird oder ob der Alternativplan der Gegner umgesetzt wird, der Bundespolitik, dem Land, der Stadt und vor allem den Bahnkunden wird mit dem Weiterbau des alten Konzepts ein Bärendienst erwiesen. Zahlen müssen am Schluss eh die Steuerzahler.

Der Tiefbahnhof ist ökonomisch und wahrscheinlich auch ökologisch (Grundwasserschutz und Brandschutz) sowie aus Sicherheitsgründen eine einzige Katastrophe. Noch ist ein vernünftiger Umstieg möglich. Dafür gibt es jetzt wohl die allerletzte Chance.

Das Umstiegs-Konzept der Gegner ist kostengünstiger und integriert zum Teil die bisherigen Bauarbeiten. So soll die riesige Grube ein Omnibusbahnhof werden.

Am 15. Januar 2018 wollen die Stuttgart 21-Gegner zum 400. Mal gegen den Tunnel-Wahnsinn demonstrieren. Sie haben sich in Jahrzenten viel Fachwissen angeeignet, indem sie Montag für Montag an einer Alternative gearbeitet und dafür demokratisch geworben haben. Sie haben über Jahrzehnte einen langen Atem bewiesen.

Dieser Bürger-Sachverstand sollten sich jetzt Bahn und Politik zu eigenmachen. Es wäre auch ein Akt der Achtsamkeit gegenüber mündigen Bürgern und ihrer bewundernswerten Ausdauer für eine wirklich demokratische Lösung. Dafür ist es jetzt höchste Eisenbahn.

 

  • Eine konträre Meinung zu Stuttgart 21 vertritt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer 
    02.12.2017 Palmer: Ausstieg nicht mehr möglich | Stuttgart (red) – Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne; dpa-Foto) hält einen Ausstieg aus dem Bahnprojekt Stuttgart 21 nicht mehr für machbar. „Wir hätten eine Operation am offenen Herzen und das größte Bergbaumuseum der Welt mitten in Stuttgart“, sagt er im BT-Gespräch. mehr
Quelle

Franz Alt 2017

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