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Weiterhin mobil mit Diesel und Braunkohle

Die ambitionierten Ziele der Bundesregierung in Sachen E-Mobilität, die schon deshalb nicht funktionieren, da man weder die Rahmenbedingungen schafft, als auch den Platzhaltern der fossilen Mobilität Narren- bzw. Straffreiheit gewährt, sind umso absurder, je deutlicher die Politik unter allen Umständen an der Braunkohleverstromung fest hält. 

Im August letzten Jahres haben wir an dieser Stelle schon einmal darüber geschrieben, wie sich die Politik mit ihrem „Wording“ beim sogenannten Dieselskandal aktiv an dem Betrug der Automobilindustrie beteiligt. Nun sollen Wortschöpfungen wie „sauberer Diesel“ und „Umtauschprämien“ wieder mal dazu dienen, uns glauben zu machen, dass die Politik alles im Griff hat und die Prämisse „Augen zu und durch“ noch immer als Leitlinie unserer Lebensweise funktioniert, wir also guten Gewissens so weitermachen können. 

Dieser Betrug hat zwei Komponenten: den aktiven Schwindel und den passiven Selbstbetrug. So werden einerseits dreckige Technologien, die das Klima und somit alle Spezies und Ressourcen wie auch Biosphären negativ tangieren, verharmlost und als notwendig tituliert. Von Seiten der Industrie setzt man dabei auf die Prämisse Stillstand ist Rückschritt und pflanzt Slogans wie „Vorsprung durch Technik“ oder „Technik begeistert“ in unser Hirn. Diese Synonyme stehen für eine Welt, in der Technik als Idealbild aufgebaut wurde und in der ein Naturbezug nur stört.

Erst kürzlich konnte man aus Bayern hören: „Zukunft heißt Technologie: Wir investieren in Digitalisierung, Robotik, künstliche Intelligenz, Hyperloop und Raumfahrt und entwickeln sogar Quantencomputer“. Der Trick dabei: Anstatt etwas grundsätzlich zu ändern oder Veränderungen anzustoßen, wird der Status Quo als Fortschritt verherrlicht.

Das Ziel: Dem Betrogenen bzw. dem Verursacher wird eingeredet, dass es kein Problem gibt, welches nicht technisch gelöst werden könnte. Es wird zwar eingeräumt, dass Fehler gemacht wurden, diese aber nicht systemisch sind und nur Details betreffen. Die Lösung aller Probleme, auch wenn das nicht ausgesprochen wird, ist schlichtweg der Konsum. Moderne Produkte sind stets nahe der Perfektion. Ein anderes Vorgehen und ein Hinterfragen wäre reine Fiktion. 

Zurück zur fossilen Mobilität: Hier geht es darum, so lange wie nur möglich an alten Modellen, die allesamt auf dem Umsatz von fossilen Rohstoffen basieren, festzuhalten. Durch jahrzehntelange Kungelei mit Politik und letztendlich auch der Gesellschaft, sind Abhängigkeiten entstanden, die schwer zu durchbrechen sind. Um das denkbar Ungünstigste, das Fahrverbot für gesundheitsschädliche Emittenten zu verhindern, ist jeder Trick recht. Dabei droht hier kein Zusammenbruch unserer Volkswirtschaft, vielmehr aber ein großes, unkontrolliertes Unglück mit Verwerfungen von globalen Ausmaßen, wenn man die Richtungsänderung nicht hinbekommt.

Dieselgate: Was wurde beschlossen?
Die Bundesregierung hat ein sogenanntes Maßnahmenpaket für ältere Dieselfahrzeuge verkündet. Drei Jahre nach Bekanntwerden des Betrugs der Autoindustrie beim Diesel, einigt sich die Große Koalition in Berlin auf etwas, bei dem noch völlig offen ist, ob der Angeklagte, hier die Autoindustrie, auch mitzieht. So hat zwar Volkswagen zugesagt, bei Hardware-Nachrüstungen mitzumachen, BMW und Opel aber lehnen eine Beteiligung an Nachrüstungen ab. Daimler spricht lediglich von Überlegungen. Und welche Austauschprämien es gibt, liegt wohl im Ermessen der Autohersteller. Über die Details müsse noch geredet werden, fabuliert der Bundesverkehrsminister. Ebenfalls nicht geklärt: Gibt es Nachrüstungen auch für alle anderen Dieselbesitzer, etwa die Pendler, die mit ihrem Diesel in die Städte fahren, für deren Bewohner es eine Prämie geben soll, sollten Sie ein mit Dieselfahrzeug besitzen. Es ist die Rede von Sondergenehmigungen für Pendler in den besonders belasteten Städten. Sicher ist schon mal was es nicht geben wird, nämlich flächendeckende Hardware-Nachrüstungen. Das bedeutet letztendlich, dass man nicht die Betrogenen entschädigen möchte, sondern es nur um einen Weg geht, Fahrverbote zu vermeiden. Andere Städte, in denen es dank ebenso steigenden Verkehrsaufkommens gleichfalls zu gesundheitsgefährlichen Konzentrationen von Stickoxiden in der Luft kommt und in denen die Besitzer von Dieselfahrzeugen von besagter Schlüsselindustrie ebenso betrogen wurden, sind erst mal kein Thema. Dabei schädigt NO2 auch dort die Atmungsorgane und führt zu frühzeitigen Todesfällen. Mal ganz davon abgesehen, dass auch Ökosysteme betroffen sind. Es geht also nicht um die Gesundheit oder um Entschädigungen von geprellten Bürgern, es geht darum, überholte Geschäftsmodelle am Leben zu halten, Einschränkungen für Dieselfahrer zu vermeiden, und wie es so schön heißt: Vertrauen in den Diesel zurückgewinnen.

Um noch auf den anderen Teil der Überschrift zu kommen
Die ambitionierten Ziele der Bundesregierung in Sachen E-Mobilität, die schon deshalb nicht funktionieren, da man weder die Rahmenbedingungen schafft, als auch den Platzhaltern der fossilen Mobilität Narren- bzw. Straffreiheit gewährt, sind umso absurder, je deutlicher die Politik unter allen Umständen an der Braunkohleverstromung fest hält. Eine Elektromobilität auf Kosten von Wäldern ist unsäglich wie unverantwortlich. Das ist eine Politik, die sich vor allem um jene „besorgten“ Bürger kümmert, die sich gegen jede Art von Migration und letztlich jede gesellschaftliche Veränderung aussprechen und die Bürger ignoriert, stigmatisiert und kriminalisiert, welche sich um die Welt sorgen, in der sie leben.

Würde man sich wirklich um die Zukunft sorgen, würde man ganz andere Maßnahmen ergreifen. Man könnte etwas für die Infrastruktur und die Preispolitik beim ÖPNV tun, man könnte Städte vom Verkehr entlasten, den Radverkehr und Fußgänger angemessen fördern, den Schwerlastverkehr aus Wohngebieten verbannen, Maßnahmen zu Lärmreduktion und Renaturierung ergreifen und vieles mehr. Oder anders ausgedrückt: Die Stadt ihren Bewohnern wieder zurückgeben und sie wenigstens ein wenig von der Versklavung durch den Verkehr befreien. Andere Länder sind da schon wesentlich vorsorgender und haben das Ende des fossilen Verbrenners längst beschlossen. Norwegen bis 2025, Dänemark bis 2030, Belgien bis 2030, Deutschland verliert den Anschluss und setzt dabei die Gesundheit der eigenen Bevölkerung und den Erhalt der Lebensgrundlagen leichtfertig aufs Spiel. 

Drei Exkurse

Der saubere Diesel: Egal ob Euro 5 oder Euro 6, die Problematik bleibt die gleiche. Reale Messungen zeichnen ein giftiges Bild. Es ist schlichtweg gelogen, zu behaupten, dass die Kombination von Ultra-Low-Schwefel-Dieselkraftstoffen, fortschrittlichen Motoren und effektiver Emissionskontrolle zu nahezu null Emissionen führen. Denn wer Diesel verbrennt, erzeugt immer Emissionen. Diesel wird durch Technologie nicht sauber, sondern lediglich sauberer. Auch seine Verbrennung ist vom Grundsatz her immer hochgradig klimaschädlich. Schließlich gibt es auch hier nach wie vor den CO2-Ausstoß. Man ist meilenweit von einem emissionsfreien Fahrzeug entfernt. Sogenannte moderne Dieselfahrzeuge belasten, so eine Studie des Forschungsinstituts International Council on Clean Transportation (ICCT), die Welt stärker als bislang angenommen. Fossile Verbrenner stoßen im Schnitt 560 Milligramm Stickoxide pro Kilometer, statt der erlaubten 80 Milligramm aus. Mal abgesehen von Emissionen und Schadstoffen wie Platinaerosole, Schwefeltrioxid, Schwefelwasserstoff, Blausäure und jeder Menge Feinstaub. Im Übrigen hat sich die Bundesregierung einen neuen Grenzwert ausgedacht, der gegen EU-Recht verstößt. Danach dürfen Diesel 270 Milligramm Stickoxid pro gefahrenem Kilometer ausstoßen. Das ist anderthalb mal so viel, wie ein Euro-5-Diesel eigentlich ausstoßen dürfte, wenn er die alte, längst nicht mehr geltende EU-Norm einhalten würde.

Umtauschprämie: Wenn sie im Klamottenladen etwas kaufen, was nicht passt, können sie es in der Regel umtauschen. Sie erhalten zum Beispiel ein anderes Kleidungsstück, dazu müssen sie kein Geld drauf legen, die zunächst erworbene Hose wird auch nicht entsorgt, sondern verbleibt im Laden. Durch Internetshopping hat sich die Umtauschmentalität stark ausgebreitet, so dass man gerne mal bewusst zu viele Produkte kauft, – bisweilen auch benutzt – diese aber dann einfach kostenlos und ohne Reue wieder zurückschickt. Dass vieles davon nicht mehr in den Warenkreislauf kommt, sondern in „Amazonien“ vernichtet wird, interessiert da weniger. Umtauschen ist praktisch. Wenn nun im Zusammenhang mit den mutwillig manipulierten Autos von einer Umtauschprämie gesprochen wird, ist das schlichtweg eine Manipulation von Seiten der Politik bzw. den Konzernen. Denn es werden keine Autos umgetauscht, vielmehr muss vom betrogenen Kunden ein neues Auto erworben werden. Dafür gibt es dann eine Prämie, die aber nicht weniger als ein Kaufanreiz bzw. ein Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie ist. Diese Prämie gibt es allerdings nur in Städten, in denen das schlimmste droht: Fahrverbot! Für alle anderen Geprellten gilt das nicht. Als Konsequenz dürften jede Menge neue Fahrzeuge produziert werden. Das führt zu einem enormen Rohstoffverbrauch, welcher unabhängig davon ist, ob das alte Fahrzeug verschrottet oder irgendwo anders auf der Erde weiter herumfährt. 

Ressourcen: Die Herstellung eines Autos verbraucht erhebliche Mengen an Rohstoffen, Wasser und Energie. Allein der gemittelte Energiebedarf für die Produktion eines PKW von 30.000 kWh entspricht in etwa dem Strombedarf eines Durchschnittshaushalts für 10 Jahre. Je nach dem wo man nachliest, sind die Zahlen etwas anders. Beispiel Wasserverbrauch: Greenpeace rechnet mit 20.000 l für einen Mittelklassewagen, der Spiegel kommt auf 226.000 l, die Wasserwirtschaft hält gar 380.000 l für notwendig. Denn alle Verbrauchsgegenstände laden sich durch ihre Produktion bildlich gesprochen einen Rucksack auf. Zur Verdeutlichung dient oft die energetische Amortisationszeit. Noch nicht so häufig wird der CO2-Rucksack bilanziert. Das gilt natürlich auch für Elektroautos: Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren spielt bei ihnen die benötigte Energiemenge zur Herstellung der Batterien eine größere Rolle. So kann man laut Heidelberger IFEU-Institut für eine kWh Batteriekapazität etwa 125 kg CO2-Emissionen ansetzen. Voreilig funktionstüchtige Produkte auszusortieren ist deshalb bei Fahrzeugen, wie bei anderen Gebrauchsgegenständen, nicht immer sinnvoll. 

Quelle

Der Bericht wurde von
der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Mattias Hüttmann)
2018
 verfasst –
der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von Matthias
Hüttmann
 weiterverbreitet
werden! | SONNENENERGIE
03/2018
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