‹ Zurück zur Übersicht
Depositphotos | frantab

© Depositphotos | frantab

Die Amerikanische Atom-Regulator-Kommission lässt Studie über Krebsforschung fallen

Studie sollte herausfinden, ob die Anzahl von Krebserkrankungen in der Nähe von Atomreaktoren häufiger ist als anderswo.

Die US-Amerikanische Atom-Regulator-Kommission (NRC) hat eine Studie abrupt beendet, die sie bei der Nationalen Akademie der Wissenschaften (NAS) in Auftrag gegeben hatte. Die entsprechende Studie sollte herausfinden, ob die Anzahl von Krebserkrankungen in der Nähe von Atomreaktoren häufiger ist als anderswo. Daraus ergäbe sich dann, ob in Betrieb befindliche Reaktoren gesundheitsgefährdend seien. 

Wir alle kennen natürlich die Antwort. Europäische Studien belegen, dass Krebserkrankungen speziell bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerken leben, definitiv häufiger auftreten. Dies vor allem, wenn neue Atombrennstäbe eingeführt werden – was alle 12-18 Monate geschieht, abhängig vom jeweiligen Zyklus des Reaktors. Nachdem der Deckel des Behälters abgenommen wird (um ins Innere zu gelangen), werden die Brennstäbe entnommen; dadurch werden extrem hohe Mengen an Radioaktivität freigesetzt, die auch in die Umwelt gelangen. Die Behälter der Reaktoren sehen robuster aus, als sie sind. Eine große Anzahl von Öffnungen – dort, wo Rohre und elektrische Kabel durch die Wand geleitet werden – bewirken, dass radioaktive Stoffe leichter ihren Weg nach außen finden als durch dicke Wände. Und natürlich sind diese Stoffe giftig, sogar tödlich, wie europäische Studien belegen. 

Die Reaktion auf die aktuelle Studie fiel, auch unter „Clean-Energy“-Gruppen, ganz unterschiedlich aus. Die NGO ‚Beyond Nuclear‘ war entrüstet. Das Projekt ‚Radioaktivität und Öffentliche Gesundheit‘ meinte hingegen, es sei gut, dass man die Studie fallengelassen habe, denn sie zeige nichts weiter auf, als eben alle Studien des NRC. 

Und tatsächlich ist es auch so. Nachdem die NAS ihre Forschungen beendet hatte, berief sich die NRC auf eine Studie aus dem Jahr 1990, die genau das ergab – nämlich nichts. Zum Beispiel wertete man nur Todesfälle bei Krebserkrankungen aus, nicht auch die Erkrankungen als solche. Dadurch wurden die realen Gesundheitsrisiken heruntergespielt. Außerdem wertete diese Studie Daten im gesamten Land aus, anstatt sich auf Gegenden zu konzentrieren, die den Reaktoren am nächsten lagen und von entsprechenden Windströmungen betroffen waren. 

Auch wurden nur dort Krebsfälle gezählt, wo sie behandelt wurden, und nicht dort, wo sie aufgetreten waren. Ich behaupte, dass all dies absichtlich so arrangiert wurde, um die Tatsachen mit viel Statistik und beschönigten ‚Fakten‘ zu vernebeln. Die Frage bleibt: wäre die neue Studie besser geworden? Die Einmischung der NAS führt nämlich zu einiger Skepsis. Zwar hat die NAS-BEIR-VII Studie (was Forscher schon lange vermuten) bestätigt, dass es kein ‚sicheres‘ Maß an Radioaktivität gibt. Aber die Atomindustrie hat sich mit ihren eigenen, ausgesuchten Gremien gewappnet, um ihre Atompolitik zu entschuldigen. Und es gab Hinweise – trotz vieler Bemühungen seitens der Gruppe ‚Beyond Nuclear‘ und auch anderer Gruppen, Richtlinien festzulegen, so wie bei europäischen Studien – dass es hier nur um Schaumschlägerei und darum ging, eben nichts zu finden. 

Sollte dennoch etwas gefunden werden, meinen wir, würde die NRC es
a.) entweder leugnen oder
b.) vor der Fertigstellung die Studie abbrechen.
Allen Ernstes: würde man eine Studie veröffentlichen, die die gesundheitsschädigenden Wirkungen von Atomkraft aufzeigt?

Der Fall b.) ist eingetreten. Grund genug zur Annahme, dass selbst die vorläufigen Resultate der Studie so erschreckend waren, dass die NRC sie gleich zu Beginn beendete. Dieser Verdacht verstärkt sich noch durch das Scheinargument des NRC, die Kosten für die Studie seien zu hoch und ihre Erstellung würde zu lange dauern. 

Zu teuer? Es hätte nur 8 Millionen US Dollar für die Phase 2 der Studie gekostet, um eine genaue Untersuchung der Gegenden rund um sieben Atomkraftwerken vorzunehmen. Die Untersuchung in Phase 3 (etwa 50 AKW’s) hätte ungefähr 60 Millionen gekostet und 8-10 Jahre gedauert. Das sind 6 Millionen Dollar pro Jahr für eine Agentur mit einem Budget von etwa einer Milliarde. 

Zu teuer? Diese Ausrede ist einfach lächerlich. Und dass es zu lange gedauert hätte? Nun ja, 8-10 Jahre bis zur Fertigstellung ist eine lange Zeit. Andererseits ist es 25 Jahre her seit der letzten, durchaus fehlerhaften Studie. Und so scheinen ein paar Jahre wenig auszumachen, vor allem, weil diese Studie mit mehr Geld pro Jahr wesentlich schneller hätte beendet werden können. Sogar 12 Millionen Dollar pro Jahr scheinen nicht zu weit hergeholt für das Budget des NRC. Außerdem wären in Phase 2 (7 AKW’S) die Untersuchungen im Prinzip von selbst vorgenommen worden. Und dies, um vor allem die fundamentale Frage zu klären: töten nukleare Einrichtungen, für deren Regulierung die NRC pro Jahr eine Milliarde Dollar ausgibt, Amerikaner? 

Obwohl wir die Antwort bereits wissen, betonen wir sie noch einmal: Ja, diese Einrichtungen töten Amerikaner. Europäische Studien, die ordentlich geführt wurden, beweisen es. Das Problem und der wahre Grund dafür, dass die NRC diese Studie verschwinden ließ, liegen darin, dass die meisten Amerikaner – und auch ihre gewählten Vertreter – nicht wissen, dass diese Frage bereits positiv beantwortet wurde. Europäische Krebsstudien bekommen nicht viel Aufmerksamkeit in den US-Medien. Aber eine amerikanische Studie, die von der Regierung bezahlt und von der Nationalen Akademie der Wissenschaften durchgeführt wurde? Eine solche Studie würde für Schlagzeilen sorgen. Mit diesen Nachrichten könnte die NRC nicht gut umgehen. Darum hat sie sich für die Interessen ihres eigentlichen Klienten – der Atomindustrie – entschieden und nicht für die Interessen der Öffentlichkeit, der sie eigentlich dienen sollte. Darum stellte die NRC sicher, dass die Studie nichts herausfand. Sie nahm damit auch in Kauf, jetzt für schlechte Nachrichten zu sorgen (indem es die Studie vorzeitig beendete) als später, wenn die Öffentlichkeit erführe, dass ihr eigenes und das Leben ihrer Kinder in der Nähe von Atomkraftwerken bedroht sei. Ein durch solche Nachrichten ausgelöster Aufschrei wäre wohl für die NRC schnell das Ende. 

Abschließend muss folgendes gesagt werden: keine Studie wäre besser als eine solche gewesen, denn mit ihrer Schönrederei wäre sie schlimmer als der Status Quo. Die Gefahr besteht, dass ein Rückschlag für die NRC zwar dazu führen würde, erneute Untersuchungen vorzunehmen, aber unter eigenen Rahmenbedingungen. Wieder wäre Schönrednerei die Folge. 

Seien wir also gewarnt: Agenturen wie die NRC haben gute Gründe, die Wahrheit zu verschleiern. 

Mehr dazu:

pixabay.com | geralt
Quelle

Autor: Michael Mariotte – Präsident des Nuclear Information+Resource Service (NIRS) |
Original im Nuclear Monitor Nr. 811 vom 23.9.2015
| Übersetzt und bearbeitet: Ina Conneally, Bernhard Riepl, www.sonneundfreiheit.eu | oekonews.at | holler 2015

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren