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Drei Wünsche auf einmal: Sicherheit, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit

Im Wahlkampf ist es eine beliebte Floskel: Autofahren, Wohnen, Energie …, alles muss bezahlbar bleiben. Dem kann man schlecht widersprechen. Nur was an Lösungen angeboten wird, ist überwiegend die Ankündigung einer Umverteilung oder ein kurzfristiger Ansatz. Ein Kommentar von Matthias Hüttmann

Das allein an der Politik festzumachen, ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Schließlich sträuben wir uns selbst, mit der Hoffnung, nichts von seinen Privilegien und vom eigenen Status abgeben zu müssen, gegen jegliche Veränderung. Das ist zwar grundsätzlich nachvollziehbar, aber es gilt durchaus zu klären, was wir ganz persönlich, inhaltlich wie auch zeitlich, unter „bezahlbar bleiben“ verstehen. Das ist von großer Bedeutung und hat auch eigentlich gar nichts mit Wahlkampf zu tun! Denn wenn wir nicht aus unserer Denke heraus kommen, wird letztendlich alles unbezahlbar, da helfen auch keine Schwerter mehr, um irgendwelche Knoten zu durchschlagen. Betrachten wir die Bezahlbarkeit unserer Lebensweise nur im hier und heute und schauen nicht nach vorne ist das Gejammer wieder groß.

Letztendlich steckt hinter dem Begriff des Bezahlbaren die Angst vor dem Ungewissen und jede Menge Verdrängungsmechanismus. Es sollte alles stabil bleiben, auch wenn eigentlich alles in Bewegung ist. Die Energiewende möge vorankommen, aber an den gewohnten Lebensgewohnheiten darf sich nichts ändern. Das ginge am einfachsten wenn wir alles 1:1 umstellen. Ab morgen fährt man mit dem Elektroauto, heizt mit sauberen Brennstoffen und kann zweimal im Jahr in den emissionsarmen Urlaubsflieger steigen. Wenn dann die Rente kommt, darf man seinen Lebensabend im verdienten Wohlstand genießen. Die notwendigen Transformationen können gerne die anderen machen. Und wenn das nicht umsetzbar ist, dann ist eben die Politik Schuld, weil sie versäumt hat die richtigen Weichen zu stellen.

Anhand dem „Weißbuch flüssige Energieträger“ des Instituts für Wärme und Oeltechnik e.V. (IWO), kann man die Problematik gut durchexerzieren. Das Credo der „Roadmap flüssige Energieträger“: Alle drei angeblichen „Energiewendeprinzipien“ werden erfüllt: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Umweltfreundlichkeit. Das passt zu einer kürzlich veröffentlichten Studie der BWA Akademie, die auf einer Umfrage unter 100 Personalexperten aus der Energiebranche basiert. Sie kommt zu einem ähnlichen Wunsch-Ergebnis: Versorgungssicherheit, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit sind die wichtigsten Themen für die Energieversorger in Deutschland. In der IWO-Veröffentlichung heißt es folglich auch: „Die 20 Mio. mit Heizöl heizenden Menschen in Deutschland können aktiv zum Klimaschutz beitragen. Für sie braucht es einen bezahlbaren Einstieg in die Energiewende.“ Das macht neugierig. Ist die Dekarbonisierung am Ende gar nicht so entscheidend für das Global Cooling Szenario und geht alles viel preiswerter als sonst kolportiert?

Die Modernisierungsdelle
Schon vor Beginn der institutionellen Energiewende (die begann 2011 als sich Politik und fossile Energiewirtschaft den Begriff zu Eigen machten) wurde beklagt, dass die bundesdeutschen Heizkessel überaltert sind. In dem IWO-Booklet steht deshalb auch: „Ölheizungen sind hierzulande ein wichtiger Pfeiler der Wärmeversorgung. Viele Geräte sind aber nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Technik. Hier können daher zu vergleichsweise günstigen Kosten schnelle und nachhaltige Effizienzgewinne erzielt werden“. Auch wenn man konstatiert, dass „verstärkte Modernisierungen mit Brennwerttechnik nur ein erster Schritt seien“, ist man überzeugt, dass “flüssige Energieträger aufgrund ihrer spezifischen Vorteile auch im Jahr 2050 noch immer benötigt werden“. Das beruhigt schon mal die Nerven. Und wenn man dann lesen darf, dass in Zukunft durch Hybridheizungen und neue Brennstoffe die Emissionen reduziert werden, ist einem nicht mehr Bange.

Der Clou: In eine „Hybridheizung“ lässt sich künftig – das ist das Zauberwort schlechthin – erneuerbar erzeugter Strom zur Sektorkopplung von Strom und Wärme einbinden. Denn schließlich sei „ein gut speicherbarer Energieträger wie Heizöl ein idealer Partner für Strom aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen, der nur in schwankendem Maße zur Verfügung steht“. Und viel ändern muss man nicht, denn „die Weiterentwicklung flüssiger Energieträger erlaubt es, die bereits bestehende Infrastruktur weiterhin zu nutzen und die Treibhausgasemissionen dennoch immer weiter zu reduzieren“. Alles also ganz einfach, man braucht lediglich ein wenig Geduld. Die Ingenieure arbeiten offensichtlich emsig daran, neue Technologien in alte Schläuche zu füllen.

Was passiert „künftig“?
Mit dem Begriff „künftig“ wird viel versprochen, was weder absehbar noch überhaupt zu realisieren ist. Ehrlicher wäre es, wenn man „vielleicht“ oder „möglicherweise“ schriebe. Schöne Formulierungen sind auch „der Brennstoff selbst wird stetig weiterentwickelt und zunehmend treibhausgasreduzierter“. Also kann alles so bleiben wie es ist. Hinterlegt wird das Ganze mit technologischen Begriffen von Hoffnungsträgern wie Power-to-Heat/PtH, Power-to-Liquid/PtL, Waste-to-Liquid/WtL oder Biomass-to-Liquid/BtL. Es ist also etwas im Kommen, dieser Eindruck wird gepuscht. Ohne diese Scheinargumente gleich als Fake zu verteufeln, sollten sie Anlass für eine Warnung sein, dass es mehr als fragwürdig ist, wenn sich Hauseigentümer heute ein überwiegend fossil befeuertes Heizungssystem anschaffen.

Denn es gibt neben der Entwicklung von flüssigen Energieträgern mittels Pyrolyse bereits bestehende emissionsarme Heizungssysteme. Große solarthermische Anlagen gehen den umgekehrten Weg. Bei ihnen wird nicht 20 bis 30% eingespart, vielmehr werden Sie mit einer maximalen Zuheizung von 20 bis 30% durch andere Energieträger betrieben. Diese müssen zudem ebenso wenig aus fossiler Basis stammen. Das fatale: Jede getunte Ölheizung mit einem um 30% geringeren Energiebedarf verbraucht 20 bis 30 Jahre lang  immer noch die restlichen 70 Prozent Heizöl und trägt somit massiv zur Klimaerwärmung bei. Lassen Sie sich deshalb nicht für Dumm verkaufen, es gibt schon lange große Solarthermie-Heizungen, weshalb dann eine fossile Brückentechnologie? Das IWO schreibt „ heute wird schon jedes dritte neue Öl-Brennwertgerät mit Solarthermie kombiniert – ein Spitzenwert unter den Heiztechnologien. Deutschlandweit werden fast eine Million Ölheizungen gemeinsam mit einer Solarthermieanlage betrieben. Diese Kombination von speicherbarem Heizöl und regenerativer Sonnenenergie ist zukunftsweisend.“ Das wollen wir nicht hoffen, denn diese Zukunft können wir uns nicht mehr leisten! „Ölheizungen mit Solarthermieanlagen“ das ist Schnee von gestern, als Übergangstechnologien könnten höchstens „Solarthermieanlagen mit Zusatzheizung“ gelten. Auch Floskeln wie „Öl-Brennwertheizungen haben langfristig eine klimaneutrale Perspektive“ sind ebenso wenig hilfreich. Denn sie sind falsch.

All-electric und Arbeitsplätze
Möglicherweise ist es schlichtweg die Angst vor einer künftig vollständig strombasierten Energieversorgung. Die Angst ist zwar berechtigt, aber noch lange kein Grund, die eigene Öl-Branche grün einzufärben. Fossile Technologien werden verschwinden, daran führt kein Weg vorbei. Höchstens der Weg in die Klimakatastrophe.

Es geht aber ganz sicher um die eigenen Gewinnabsichten, das machen folgende Zahlen deutlich: Der Absatz von Heizöl fiel seit 1996 von 38,4 auf 15,8 Mio. t im Jahr 2016, obwohl die Anzahl der Ölheizungen von etwa sechs auf aktuell 5,6 Mio. Anlagen fast konstant blieb. Auch wenn das als Erfolg, „hier zeigen sich die Einsparungen, die durch effizientere Gerätetechnik, bessere Gebäudedämmung und Aufklärungskampagnen bereits von Hausbesitzern umgesetzt wurden“ verkauft wurde, scheint es für die deutsche Mineralölwirtschaft dringend geboten, einen Weg zu finden, das alte Zeug so lange wie nur möglich zu verkaufen. Bei allem darf man auch nicht vergessen, dass im gleichen Zeitraum der Verkauf von Dieselkraftstoff massiv angestiegen ist.

Das Arbeitsplatzargument ist da zwar auch schnell bei der Hand, jedoch sollte man bei solchen Vergleichen immer auch die Relationen im Blick haben. In dem Bericht werden 2.000 Arbeitsplätze genannt, die durch Heizöl gesichert werden sollen. Um das ein wenig zu relativieren ein paar andere Zahlen, die zu denken geben sollten. Die Höhe der in den Erneuerbare Energien in Deutschland Beschäftigten lag laut einer Untersuchung des BMWi (Makroökonomische Wirkungen und Verteilungsfragen der Energiewende) 2013 bei offiziell 371.400. Im Jahr drauf waren es nur noch 355.400 Beschäftigte, Tendenz nicht steigend! Die Beschäftigtenzahl der deutschen Automobilindustrie im Jahr 2016 beträgt rund 808.000. Zum Vergleich: Im Bereich Forst und Holz waren in Deutschland im Jahr 2013 rund 1,1 Millionen Menschen beschäftig.

Fazit: Um tatsächlich einen Dreiklang aus Sicherheit, Erschwinglichkeit und Nachhaltigkeit zu erreichen, darf keines der Ziele bevorzugt werden. Wird insbesondere die Bezahlbarkeit in den Vordergrund gerückt, fallen ökologische Aspekte hinten runter. Der größte Fehler jedoch liegt daran, sich überwiegend mit der Gegenwart zu beschäftigen und diese so fortschreiben zu wollen wie sie ist. Blenden wir die Zukunft jedoch zu sehr aus, wird uns das sicherlich nicht gelingen.  

dgs.de | SONNENENERGIE 03/2017
Quelle

Matthias Hüttmann | SONNENENERGIE 2017 | Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. 2016

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