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pixabay.com | jonbonsilver | Dass der Verkehrssektor bis 2050 klimaneutral werden muss, ist bei der Bundesregierung noch nicht angekommen.

© pixabay.com | jonbonsilver | Dass der Verkehrssektor bis 2050 klimaneutral werden muss, ist bei der Bundesregierung noch nicht angekommen.

EU-Umweltminister einigen sich auf CO₂-Grenzwerte

Während die meisten EU-Staaten strengere Vorgaben für den CO2-Ausstoß von Fahrzeugen fordern, sträubt sich Deutschland auf dem Treffen der Umweltminister gegen schärfere Regeln. Nach 13 Stunden Verhandlungen steht der Kompromiss: Die Emissionen von Neuwagen sollen bis 2030 um 35 Prozent sinken.

Kraftprobe beim Treffen der EU-Umweltminister in Luxemburg: Seit dem heutigen Dienstagmorgen berieten die Vertreter der EU-Staaten über die Vorgaben zur Senkung des CO2-Ausstoßes bei neuen Pkw und Lieferwagen bis 2030. Vor den Verhandlungen mit dem Europaparlament mussten sie sich auf eine gemeinsame Position einigen.

Etwa zwei Drittel der 28 Umweltminister setzten sich für Vorgaben ein, die über den Vorschlag der EU-Kommission – 30 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2021 – hinausgehen. Selbst Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien, die wie Deutschland eine starke Autoindustrie haben, wollten einen zügigen Umstieg auf deutlich weniger klimaschädliche Autos. Irland wollte die CO2-Emissionen sogar um 50 Prozent senken.

Rückenwind erhielten die Minister vom EU-Parlament, das für eine Reduktion um 40 Prozent votiert hat. Der in der Sache zuständige Umweltausschuss des Parlaments hatte sogar für 45 Prozent gestimmt. 

Österreichs Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz innehat, schlug nun als Kompromiss 35 Prozent vor. Auf dieser Basis einigten sich die Umweltminister nach 13-stündigen Verhandlungen schließlich am späten Abend auf eine gemeinsame Position. Danach soll der CO2-Ausstoß für Neuwagen um 35 Prozent sinken. „Das waren schwierige Verhandlungen“, sagte EU-Klimakomissar Miguel Arias Cañete nach Abschluss der Gespräche in Luxemburg.

Ein Teil der Mitgliedsstaaten ist mit dem Ergebnis nach wie vor unzufrieden. Aus Sicht von Dänemark, Irland, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden und Slowenien ist der Vorschlag im Laufe der Gespräche zu stark abgeschwächt worden.

Vor allem Deutschland unterstützte den schwachen 30-Prozent-Vorschlag der Kommission – Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sah sich an die mit ihren Berliner Ministerkollegen vereinbarte Position gebunden. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir hier mehr machen“, sagte Schulze noch vor Beginn der Verhandlungen mit Verweis auf den gerade erschienenen Sonderbericht des Weltklimarates. Um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen, drängt der Bericht die Politik zu schnellen und weitreichenden Veränderungen in allen Sektoren – also auch im Verkehr.

Ursprünglich hatte sich Schulze in Berlin für eine CO2-Minderung um 40 bis 50 Prozent eingesetzt. Auf Druck von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) schwenkte die Umweltministerin jedoch im August auf den Kurs der anderen Kabinettsmitglieder ein.

„Deutschland fährt die Autoindustrie an die Wand“

Vor der Ministerratssitzung hatte die Bundesregierung bei den anderen Staaten intensiv für die laschen Vorgaben geworben. „Das Kanzleramt hat viel rumtelefoniert die letzten Tage“, sagte der luxemburgische Umweltstaatssekretär Claude Turmes heute Morgen. Mit seiner Politik fahre Deutschland jedoch die europäische Autoindustrie „industrie- und klimapolitisch an die Wand“. Das müsse verhindert werden, so Turmes. Das ist mit dem nun verabschiedeten Kompromiss zumindest ein bisschen gelungen.

Nach Ansicht von Umweltverbänden sind aber selbst die vergleichsweise anspruchsvollen Vorschläge des Umweltausschusses oder von Schulze noch zu schwach, um mit dem Pariser Klimavertrag vereinbar zu sein. BUND, Nabu und der Verkehrsclub VCD fordern eine Minderung der CO2-Emissionen um 60 bis 70 Prozent bis 2030. Anders werde Europa die zugesagte Dekarbonisierung seines Pkw-Bestandes bis zur Mitte des Jahrhunderts nicht hinbekommen.

Die diskutierten Grenzwerte gelten als Durchschnittswerte für die gesamte Neuwagenflotte eines Herstellers. Mit sehr verbrauchsarmen Fahrzeugen kann ein Autobauer allerdings seine emissionsstarken Pkw ausgleichen, entscheidend ist der Durchschnittswert. Dieser lässt sich durch umstrittene Anrechnungsmöglichkeiten für Elektro- und Hybridfahrzeuge sogar noch weiter drücken.

Die endgültigen CO2-Grenzwerte für Neuwagen für 2030 müssen Mitgliedsstaaten und Parlament nun unter Aufsicht der EU-Kommission im sogenannten Trilog aushandeln, der schon am morgigen Mittwoch beginnen könnte. Am Ende dürfte also ein verpflichtendes Minderungsziel zwischen 35 und 40 Prozent stehen. Ob das ausreicht, um die deutschen Autobauer von ihrem Schneller-größer-stärker-Kurs abzubringen, muss sich dann zeigen.

 

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Sandra Kirchner) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht ohne
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