‹ Zurück zur Übersicht
pvaustria.at | Dr. Hans Kronberger

© pvaustria.at | Dr. Hans Kronberger

Feuer am Dach der Energiewirtschaft

Nach fast einhelliger Meinung der Kommentatoren sind zwei Nachrichten der letzten Tage jeweils nur mit einem Bombeneinschlag vergleichbar. Kommentar von Hans Kronberger

Johannes Teyssen, Chef des größten deutschen Stromversorgers E.ON, platzierte die erste Bombe. E.ON trennt sich von seiner Stromproduktion aus Atom, Kohle und Gas. Man will in Zukunft nur noch für den Stromhandel, das Endkundengeschäft und saubere Stromproduktion aus erneuerbarer Energie in Form von Sonne und Wind zuständig sein. Der atomar-fossile Pfui-Teil wird in eine gesonderte Firma ausgegliedert.

Nur Stunden später ließe es der russische Präsident Vladimir Putin krachen und erklärte, dass die Southstream, jene Pipeline, die Zentral- und Osteuropa unter Umgehung der Ukraine mit Gas versorgen soll, nicht gebaut werde. Die erste Nachricht betrifft wahrscheinlich die epochalste Entscheidung, die je in der Geschichte der europäischen Stromwirtschaft gefällt wurde. Die zweite ist zwar etwas weniger epochal, da erst kurz zuvor das europäische Pipelineprojekt Nabucco gescheitert war, beide Ereignisse zusammen signalisieren aber den totalen Um- oder Zusammenbruch des atomar-fossilen Energiesystems.

Gleichgültig, ob E.ON sich nur einen gigantischen Buckel von Altlasten wegoperieren lässt, oder sich vor den Kosten der AKW-Entsorgung drücken will, das Modell der traditionellen Stromproduktion ist Geschichte. Egal, ob Putin sich für die Sanktionen rächen möchte, oder zur Erkenntnis gekommen ist, dass ein Ausbau des Gasversorgungsnetzes für Europa nicht rentabel sei, die alte Harmonie zwischen Energielieferanten und Kunden funktioniert zumindest in Europa nicht mehr. Beide nutzen die Abhängigkeit des jeweils anderen als politisches Druckmittel: Der Kunde EU stellt Bedingungen, wie die Trennung von Produzenten und Netzbetreibern, die Lieferanten können oder wollen damit nicht leben.

Das weltweite fossil-atomare Energiesystem mit seinem dramatisch verschärften Kampf um die Restressourcen ist zwar noch nicht am Ende, aber irreparabel havariert. Die Zerfallssymptome sind unübersehbar. Die Entscheidung von E.ON beweist, dass die E-Wirtschaft nicht in der Lage ist, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen (E.ON ist mit 31 Milliarden verschuldet), und dass ihr dies klar ist. Die einzig logische Folge wäre, das gesamte Energiesystem radikal auf regenerierbare Primärenergie umzustellen und zwar so rasch wie möglich.

In Ansätzen wird das insbesondere von der Wirtschaft inklusive Endkunden sehr wohl erkannt, der Politik fehlt es aber an der nötigen Durchschlagskraft. Die tut so, als wäre sie nur unbeteiligte Dritte. Dabei hätte sie die Verantwortung, die für die Umstellung notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.

Die Energiewirtschaft braucht visionäre neue Strukturen und die Erkenntnis, dass der elektrische Strom kein Problem, sondern dessen Lösung ist. Strom kann auf unendliche, für jedermann frei verfügbare Ressourcen (Wasser, Wind, Sonne und Biomasse) zurückgreifen, kann sauber umgewandelt und weit über den derzeitigen Anwendungsbereich hinaus eingesetzt werden. Eine neu strukturierte und am Überleben orientierte E-Wirtschaft darf nicht einfach alte Geschäftsfelder aufgeben, sondern muss sich neue Geschäftsfelder erkämpfen. Diese sind (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) in der Mobilität und der Wärmebereitstellung zu suchen.

Quelle

Kommentar von Hans Kronberger | Uranus-Verlag – Ute Stockhammer 2014

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren