14.07.2017
G20: Niemand hat die Absicht die Dekarbonisierung voranzutreiben
Es sollte jedoch nicht übersehen werden, welchen eigentlichen
Schwerpunkt diese Veranstaltung überhaupt hatte. So ließ das
Bundeskanzleramt als ein Fazit des G20-Gipfels zum Thema Klimapolitik
unter anderem verlautbaren, man sei froh über die Einigkeit unter den
„übrigen“ G20-Mitgliedern, dass das Pariser Abkommen (COP 21)
unumkehrbar sei. Nun gelte es, die Beschlüsse schnellstmöglich
umzusetzen. Gleichzeitig bedauere man jedoch die Ankündigung der USA,
aus dem Abkommen zum Klimaschutz auszutreten. Das ist zwar
beklagenswert, jedoch übersieht man dabei schnell, dass ein Kernpunkt in
den COP 21-Vereinbarung fehlt. Dort, wie auch auf dem G20-Treffen, ist
von einer notwendigen Dekarbonisierung kein einziges Mal die Rede. In
der Abschlusserklärung des G7-Gipfels vom Juni 2015 stand immerhin noch,
dass eine Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses
Jahrhunderts erforderlich sei. Das „Unwort“ Dekarbonisierung - die
Umstellung unserer Volkswirtschaften hin zu einem niedrigeren Umsatz von
Kohlenstoff – ist nicht zufällig wieder aus dem Vokabular der
G20-Regierungen verschwunden. Weshalb man es auf dem Hamburger Gipfel
bewusst vermieden hat, ist eigentlich ganz logisch.
Aber der Reihe nach: Was wurde eigentlich in Sachen Energie und Klima beschlossen?
In
der Abschlusserklärung sind zu dem Thema einige merkwürdige
Formulierungen zu finden: „Eine starke Wirtschaft und ein gesunder
Planet verstärken sich gegenseitig“ oder „Bei der Erleichterung
ausgewogener und wirtschaftlich tragfähiger Langzeitstrategien zur
Umwandlung und Stärkung unserer Volks- und Energiewirtschaften im
Einklang mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung werden die
G20-Mitglieder eng zusammenarbeiten“. Das ist alles sehr schwammig, wenn
nicht gar inhaltsleer. Wenn man zudem noch hineinschreibt, dass die
Vereinigten Staaten von Amerika erklären, „dass sie danach streben
werden, eng mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um ihnen dabei zu
helfen, auf fossile Brennstoffe zuzugreifen und sie sauberer und
effizienter zu nutzen wie auch erneuerbare und andere saubere
Energiequellen einzusetzen“, dann grenzt das an Verdummung.
Was
nutzt ein Bekenntnis zum Übereinkommen von Paris wenn man eine
gemeinsame Erklärung voller Widersprüche veröffentlicht. Wer sich mehr
erhofft hatte, wird spätestens in dem Dokument, mit dem etwas
eigenwilligen Titel „Aktionsplan der G20 von Hamburg zu Klima und
Energie für Wachstum“, von der Realität eingeholt. Reale Politik, die
nur Inszenierung ist und sich zu nichts verpflichtet oder gar
Verantwortung übernehmen will. Am Ende des Kapitels „Ausbau erneuerbarer
Energiequellen und anderer nachhaltiger Energieträger“ steht als
„Maßnahmen der G20: Wir begrüßen die Fortschritte, die durch den unter
chinesischem Vorsitz verabschiedeten Freiwilligen Aktionsplan der G20
für Erneuerbare Energien und das unter türkischem Vorsitz verabschiedete
G20-Instrumentarium freiwilliger Handlungsoptionen für die Nutzung
Erneuerbarer Energien erzielt wurden, und werden beide, einschließlich
der Instrumente der Risikominderung, weiterhin umsetzen, um
Investitionen des Privatsektors zu mobilisieren.“ Danke für das
Gespräch...
Zum Hintergrund: Ein wesentlicher Baustein im
Klimaschutz ist die Dekarbonisierung. Diese würde jedoch bei großen
Konzernen in den G20-Staaten zu massiven finanziellen Einbrüchen führen.
Schließlich produzieren die 20 wirtschaftsstärksten Länder nicht nur
etwa 75% aller Treibhausgase, sondern verdienen auch
überdurchschnittlich mit Öl und Gas. Der Anteil der Einnahmen durch die
fossilen Energierohstoffe ist bisweilen existenziell. In der
Veröffentlichung „Investing in Climate, Investing in Growth“ der OECD
vom Mai dieses Jahres findet man dazu interessante Zahlen. Die Einnahmen
der Regierungen aus dem Geschäft mit Öl und Gas liegen beispielsweise
in Saudi Arabien bei 41%, in Russland 12,5% und in Mexiko bei 4,3%. Der
globale Durschnitt beträgt 2,5%. Noch deutlicher kann man es am Anteil
des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts erkennen. Die drei Staaten kommen
hier auf Werte von mehr als 90% (Saudi Arabien), 35,6 % (Russland) und
20,9% (Mexiko). Kein Wunder dass man vergebens nach dem Wort
Dekarbonisierung in den G20-Dokumenten suchen kann. Um bei den
Begrifflichkeiten zu bleiben: Man setzt vielmehr auf eine Strategie der
„Rekarbonisierung“. Im bereits zitierten Aktionsplan steht deshalb auch:
„Wir erkennen an, dass Erdgas, abhängig von den nationalen
Gegebenheiten, eine wichtige Rolle in der Energiewende, auf dem Weg in
eine emissionsarme Zukunft der Energiewirtschaft spielen kann, auch,
wenn es darum geht, die Einspeisung fluktuierender Erneuerbarer Energien
flexibler gestalten zu können ... Die Volkswirtschaften der G20 werden
bestrebt sein, die Funktionsweise, Transparenz und Wettbewerbsfähigkeit
der Gasmärkte zu stärken, und mit einer strategischen Ausrichtung auf
die Gaslieferkette, einschließlich Flüssigerdgas auf globaler Ebene“.
Das
Interesse, die Einnahmen durch die Förderung, den Verkauf wie auch
durch die Weiterverarbeitung von Öl und Gas nicht schwinden zu lassen,
ist immens. Die Abhängigkeiten sind riesig, oftmals gibt es gar keinen
Unterschied zwischen Staat und Industrie. Wenn die größten nationalen
Unternehmen in staatlicher Hand sind, ist das auch nicht verwunderlich.
Ehrlich gemeinter Klimaschutz gemäß der Devise „keep it in the ground“
(1) könnte für viele der G20-Volkswirtschaften bedeuten, auf einem
unverkäuflichen Reichtum sitzen zu bleiben.
Dass sich ein
CO2-Ausstieg mittel- bis langfristig rechnen würde, spielt bei solchen
Treffen leider keine Rolle. Autokraten, Despoten, oder wie man so
manchen Regierungschef auch titulieren mag, haben an einem solchem Umbau
kein Interesse. Aber man kann auch positives herauslesen. Der Verein
CO2 Abgabe e.V. liest aus dem Aktionsplan des G20-Gipfels heraus, dass
der Weg für eine Einführung nationaler sozialverträglicher Klimaabgaben
nun frei sei. In der entsprechenden Passage heißt es: "Wir erkennen an,
dass innerstaatliche Minderungs- und Anpassungspolitiken, einschließlich
innerstaatlicher wirtschaftspolitischer und marktbasierter Instrumente –
sofern diese sorgfältig ausgestaltet sind und die ökologische
Integrität wahren –, Innovationen begünstigen und Investitionen
mobilisieren können. In Anerkennung unterschiedlicher nationaler
Präferenzen und Gegebenheiten werden wir einen Austausch bewährter
Verfahren und Erfahrungen bei innerstaatlichen Minderungs-und
Anpassungspolitiken, einschließlich innerstaatlicher
wirtschaftspolitischer marktbasierter Instrumente, als auch anderer
Ansätze zur in Wertsetzung von Emissionsminderung zu initiieren“.
Aber
an Beschlüsse hält man sich auch nur nach Lust und Laune. Bei ihrem
Gipfeltreffen 2009 verpflichtete man sich „die ineffiziente
Subventionierung fossiler Brennstoffe, die zu verschwenderischem Umgang
verleitet, mittelfristig zu rationalisieren und stufenweise
abzuschaffen“. Aktuell subventionieren die Regierungen der G20-Staaten
die Produktion fossiler Brennstoffe immer noch mit etwa 5 Billionen
US-Dollar pro Jahr (2). Würde man dieses Geld beispielsweise in den
Ausbau Erneuerbarer Energien stecken, könnte man der Erderwärmung
deutlicher entgegen wirken.
Fazit: Wie bereits in dem Artikel
„Divestment: Es könnte ganz schnell gehen “ aus der Ausgabe 5|16 der
SONNENENERGIE beschrieben, sollte man besser nicht erst auf Beschlüsse
und deren Umsetzung hoffen, sondern selbst aktiv werden. Zitat: „Noch
sind die Renditen in umweltschädliche Technologien und auf Verbrennung
von fossiler Energie basierende Produkte einfach zu hoch. Aber es ist
nur eine Frage der Zeit, bis der Kipppunkt erreicht ist und die
Kohlenstoffblase platzt. Deshalb kommen wir nicht umhin den Todesstoß
für die Fossilen zu initiierten. Denn dass es dazu kommen wird ist
unstrittig, angenehm wird es sicherlich nicht. Um es mit Hans Joachim
Schellnhuber zu sagen: „Die Mächte und Kräfte können nur deshalb so
zerstörerisch wirken, weil fast alle Menschen Komplizen der Untat sind.
Gelegentlich aktiv, zumeist passiv. Wenn wir diese Komplizenschaft
aufkündigen würden, fingen Regierungen rasch zu schwanken an und stolze
Konzerne würden demütig“. Divestment ist eine gute Möglichkeit diese
Komplizenschaft aufzukündigen. Allein deshalb gilt es, Institutionen
dazu zu drängen, das Geld, dass diese für uns verwalten, in
klimafreundliche Anlageformen zu transferieren“.
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(1)
Keep it in the Ground: Mindestens 80 Prozent der vorhandenen fossilen
Brennstoffreserven müssen im Boden verbleiben, wenn wir die schlimmsten
Auswirkungen des Klimawandels verhindern wollen.
(2) Die
Subventionierung der Verbraucherpreise für fossile Brennstoffe summierte
sich 2014 nach Schätzungen der Internationalen Energieagentur (IEA) auf
493 Milliarden US-Dollar, wobei diese Zahl nur einen Teil der Länder
berücksichtigt und die globale Gesamtsumme erheblich höher liegen
dürfte. Wenn man – wie der Internationale Währungsfonds (IWF) – externe
Effekte wie die Kosten, die durch die CO₂-Belastung entstehen und
preislich nicht abgebildet werden, einschließlich gesundheitlicher
Schäden (zum Beispiel Atemwegserkrankungen) in die Berechnung der
weltweiten Subventionen für fossile Brennstoffe miteinbezieht, ergibt
sich eine noch höhere Zahl. Nach Schätzungen des IWF wurden fossile
Brennstoffe im Jahr 2015 mit insgesamt 5,3 Billiarden US-Dollar – zum
größten Teil in Form von externen Effekten – subventioniert. Das
entspricht 10 Millionen US-Dollar pro Minute (Quelle:
Heinrich-Böll-Stiftung e.V.).
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