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pixabay.com | Mysticsartdesign | Bei der Entscheidung über die Jamaika-Koalition geht es nicht nur um die deutsche Politik, sondern in gewisser Weise auch um das Schicksal der internationalen Klimapolitik.

© pixabay.com | Mysticsartdesign | Bei der Entscheidung über die Jamaika-Koalition geht es nicht nur um die deutsche Politik, sondern in gewisser Weise auch um das Schicksal der internationalen Klimapolitik.

Klimaschutz entscheidet über Koalition

Ob eine Jamaika-Koalition eine Chance bekommt, hängt vor allem von der künftigen Klimaschutz-Politik ab. Dabei geht es nicht nur um die Politik in Deutschland. Führt eine grüne Regierungsbeteiligung zum Einstieg in den Kohleausstieg oder zum Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, hat das weltweite Wirkung. Ein Standpunkt von Hermann Ott

Aus Sicht der Klimapolitik ist das Ergebnis der Bundestagswahl zwiespältig. Mit der „Alternative für Deutschland“ ist zum ersten Mal eine Partei im Parlament, die ausdrücklich die menschliche Verursachung des Klimawandels leugnet und Energiewende-Gesetze wie das EEG oder die Energieeinsparverordnung abschaffen will.

Das ist ein schwerer Einschnitt: Der Einzug der AfD wird nicht nur völkische und rassistische Töne in den Bundestag bringen, sondern auch offen „klimaskeptische“ Ansichten. Politik, Medien und Öffentlichkeit werden in den nächsten Jahren – ähnlich wie in den USA – mit schrillen Meinungen konfrontiert werden und damit umgehen müssen.

Dennoch kann der Wahlausgang eine positive Wirkung für den Klimaschutz entfalten, falls es eine Regierungsbeteiligung der Grünen geben sollte. Die letzten zwölf Jahre mit zwei großen Koalitionen und einer schwarz-gelben Koalition, alle unter Angela Merkel, waren nach Ansicht der meisten Beobachter zumindest verlorene Jahre für die Klimapolitik. Das EEG ist durchlöchert, geschwächt und missbraucht worden. Die schmutzigsten Kohlekraftwerke sind nicht abgeschaltet, sondern subventioniert worden. Die Emissionen im Verkehrsbereich gehen nicht zurück, von denen in der Landwirtschaft gar nicht zu reden.

Eine Regierungsbeteiligung der Grünen könnte, nein, würde diesen Prozess aufhalten und dem Klimaschutz wieder Fahrt verleihen. Denn vor allem an den Maßnahmen zum Klimaschutz – und, etwas geringer, auch sozialer Gerechtigkeit – würde sich entscheiden, ob eine Jamaika-Koalition überhaupt eine Chance hätte.

Denn ob ein solch extrem umstrittener Koalitionsvertrag von der grünen Basis gebilligt werden würde, hängt maßgeblich davon ab, ob es „klare Vorfahrt“ für den Klimaschutz gibt, wie es der Kovorsitzende Cem Özdemir ausgedrückt hat. Eine Jamaika-Koalition muss also dazu führen, dass die Einhaltung der deutschen Selbstverpflichtung von 40 Prozent Treibhausgas-Minderung bis 2020 wahrscheinlicher wird und das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erfüllt werden kann, also eine Reduktion der deutschen Emissionen auf null bis 2050.

Eine Koalition von drei – oder mit der CSU vier – so ungleichen Partnerinnen ist inhaltlich (und menschlich) extrem schwierig, das versteht sich von selbst. Aus Sicht der Klimapolitik ist jedoch eine ernsthafte Prüfung geboten – und das Eingehen auf eine Jamaika-Koalition zwingend, wenn die Ergebnisse der Verhandlungen stimmen.

Denn es geht nicht nur um die deutsche Politik. Es geht darum, dass Deutschland in der ganzen Welt als Prüfstein für die Dekarbonisierung einer Industriegesellschaft gesehen wird. Führt eine grüne Regierungsbeteiligung also zum Einstieg in den Kohleausstieg beziehungsweise dem Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor – dann hat dies auch weltweit Wirkung, wie schon das EEG. Das ist der historische Auftrag der Grünen – es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen.

  • Hermann Ott erforscht die Erfolgsbedingungen für Klimapolitik und Nachhaltigkeit am Wuppertal-Institut, lehrt als Honorarprofessor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings. Von 2009 bis 2013 saß er für die Grünen im Bundestag und war deren klimapolitischer Sprecher. Er äußert hier seine persönliche Meinung. 
klimaretter.info | Hermann Ott erforscht die Erfolgsbedingungen für Klimapolitik und Nachhaltigkeit am Wuppertal-Institut, lehrt als Honorarprofessor an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde und ist Mitglied im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings. Von 2009 bis 2013 saß er für die Grünen im Bundestag und war deren klimapolitischer Sprecher. Er äußert hier seine persönliche Meinung.
Quelle

Der Standpunkt wurde von der Redaktion „KLIMARETTER.INFO“ (Hermann Ott) 2017 verfasst – das Nachrichten- und Debattenmagazin zu Klima und Energiewende – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von „Klimaretter.info“ (post@klimaretter.info) weiterverbreitet werden!  

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