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Kommt jetzt wirklich das Ende vom Plastikmüll?

Es braucht ein Ende der Nutzung fossiler Rohstoffe in der Kunststoffherstellung. Groß gefeiert unter Umweltschützern wird die Einigung der Europäischen Union zum Verbot von vielen Einwegplastikartikeln.

Ohne Zweifel ist es sehr gut, dass endlich unnötige Plastikartikel wie Einweggeschirr, Strohhalme, Wattestäbchen u.v.a.m. verboten werden.

Und dennoch: Der Beschluss wird die Plastikvermüllung der Meere und der Umwelt mit Makroplastik allerhöchstens etwas verringern, aber das Problem nicht lösen. Auch die Mikroplastikverseuchung unserer Umwelt und Lebensmittel wird mit diesem Beschluss nicht gelöst.

Der EU-Beschluss ist klare Konsequenz einer unzulänglichen Denkweise und Strategie von weiten Kreisen von Umweltschützern. Es geht meist nur darum etwas weniger Schmutz zu machen, aber nicht darum, gar keinen Schmutz mehr zu machen. Eine ökologische saubere und vollständige Kreislaufwirtschaft wird mit diesem Beschluss nicht befördert.

Der europäische Beschluss wird leider dazu führen, dass es in vielen nicht erfassten Kunststoffproduktgruppen keine Veränderung geben wird. Zudem werden einige betroffene Einwegprodukte durch andere ebenfalls problematische Alternativen, wie beispielsweise Aluminiumprodukte, ersetzt werden. Die großen Mengen von nicht verbotenen Kunststoffprodukten werden aber weiter aus Erdöl, Erdgas und Kohle hergestellt, landen zum Teil immer noch im Meer oder bestenfalls in der Müllverbrennung, wo dann der fossile Kohlenstoff als CO2 weiter die Atmosphäre aufheizt.

Die Hauptstrategie einer Bekämpfung des weltweiten Plastikmüllproblems müsste stattdessen sein, nur noch Kunststoffe in allen Produktgruppen zuzulassen, die keine Probleme mehr bereiten.

Kern einer solchen Strategie wäre, spätestens ab 2030 die Erzeugung und Nutzung von Kunststoffen auf der Rohstoffbasis von Erdöl, Erdgas und Kohle zu beenden. Weltweit fließen etwa 10 % der fossilen Rohstoffe in die Kunststoffchemie und leisten deshalb einen erheblichen Beitrag zum Aufheizen der Atmosphäre. Alternativen zu den fossilen Rohstoffen gibt es längst auch für Kunststoffprodukte. Sie nutzen die vielfältigen Rohstoffe der Natur: Pflanzenöl, Stärke, Milchsäure, Biokohle, Faserstoffe, Holz und vieles mehr bietet die Natur aus nachwachsenden Rohstoffen. Natürlich muss der Anbau in Biolandwirtschaft stattfinden und sollte vor allem die Wiederbegrünung degradierter Flächen nutzen, womit es dann keine Nahrungsmittelkonkurrenz gibt. Mit der hydrothermalen Umwandlung von organischen Abfällen z.B. mit Klärschlamm in Biokohle als organischer Grundstoff für die Chemie gäbe es sogar eine Entlastung der Abfallprobleme. Richtig chemisch verarbeitet, können sie nach der Nutzungsdauer selbst verrotten, werden zu Humus und bringen so den vormals pflanzlichen Kohlenstoff zurück in den Naturkreislauf. Damit lassen sich bei entsprechendem Bioanbau der Pflanzen großvolumige Kohlenstoffsenken organisieren.

Eine Vielzahl von Biokunststoffprodukten, insbesondere im Verpackungsbereich, aber auch darüber hinaus, sind in den letzten Jahrzehnten von der Forschung entwickelt worden.

Die große Fülle dieser hervorragenden Forschungsergebnisse kann man bei der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe nachfragen. Dort gibt es auch ein umfassendes Projekt für nachhaltige Beschaffung aus Pflanzen.

Oder eine Ausstellung darüber wie das oft von Plastik überschwemmte Büro vom Computergehäuse bis hin zu Schreibstiften aus nachwachsenden Rohstoffen ausgestattet werden kann.

Bei European Bioplastics findet man eine Fülle von Bioprodukten, z.B. im Verpackungsbereich.

Leider finden die wenigsten dieser hervorragenden Forschungsergebnisse den Weg in den großen von der Erdöl- und Erdgasindustrie besetzten Kunststoffmarkt. Dafür bräuchte es endlich eine umfassende politische Strategie, die genau mit der europäischen Einigung zur Bekämpfung von Plastikmüll nicht geschafft wurde.

An Ideen und guten Vorschlägen mangelt es also nicht, sondern am politischen Willen endlich eine große Markteinführungsstrategie für Biokunststoffe als Ersatz für fossile Kunststoffe auf den Weg zu bringen.

Dabei gab es schon erste Anfänge dazu. 2003 hatte ich mich im Bundestag erfolgreich dafür eingesetzt, dass kompostierbare Biokunststoffverpackungen von den Gebühren des Verpackungssammelsystems DSD befreit wurden. Dies hatte einen schnellen Aufschwung für Biokunststoffe zur Folge. Unter Kanzlerin Merkel wurde diese DSD-Gebührenbefreiung wenige Jahre später wieder abgeschafft und die aufkeimende Markteinführung wieder gedrosselt.

Die ökologische Bewegung hatte schon lange die weltweite Plastikverseuchung im Blick und suchte nach Lösungen. Mit dem (leider verlorenen) Volksbegehren „Besseres Müllkonzept“ in Bayern Anfang der 1990er Jahre gab es einen großen Aufschwung zur Bekämpfung der Mülllawinen. Meine Anträge im Stadtrat Hammelburg und Kreisrat Bad Kissingen, wie von vielen anderen Ökologen in anderen Städten auch, führten zum Verbot von Einweggeschirr auf Festen. Von öffentlicher Hand wurden Spülmaschinen eingeführt, die Festbetreiber bis heute noch vielfach nutzen, um Plastikmüll einzudämmen.

Doch die Plastikvermüllung der Meere konnte seitdem nicht eingedämmt werden. Zu groß ist die Marktmacht und der politische Lobbyeinfluss der Erdöl- und Erdgasindustrie im Chemiesektor. Genau dieser Einfluss war es wohl auch, der wirklich ernsthafte Beschlüsse zur Umstellung auf Biokunststoffe in der EU und weltweit bis heute verhindert, so auch jetzt mit dem unzulänglichen EU-Beschluss zur Eindämmung der Plastikverseuchung der Umwelt.

Nun kommt es auf uns alle an. Vermeiden Sie wo es nur geht die Nutzung von fossilen Kunststoffen, sei es indem Sie Plastik an sich meiden und in allen anderen Fällen auf Biokunststoffe zurückgreifen.  So unterstützen Sie die vielen innovativen Unternehmen und Start-ups, die es in diesem Bereich gibt. Sie alle brauchen uns Kunden, damit wir ihre Produkte kaufen und so können wir gemeinsam auch die fossile Chemie durch eine wirkliche Kreislaufwirtschaft auch im Kunststoffsektor ablösen.

Quelle

Hans-Josef Fell 2018 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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