‹ Zurück zur Übersicht
Fotolia.com | vector-master

© Fotolia.com | vector-master

Ohne die Grünen gäbe es das EEG nicht

Am 1. April 2000 trat das EEG in Kraft. Es hat dazu beigetragen, dass die erneuerbaren Energien in Deutschland mittlerweile 27,6 Prozent Anteil an der Stromerzeugung haben.

Dennoch ist das EEG – gerade seit der letzten Novelle vom August 2014 – nicht mehr mit dem ursprünglichen Gesetz vergleichbar. Um weiterhin einen kraftvollen Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen, brauchen wir die Netzanschlussgarantie, eine technologiespezifische feste Einspeisevergütung und den Einspeisevorrang, sagt Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im pv magazine-Interview.

pv magazine: Am 1. April gilt das EEG in Deutschland seit 15 Jahren. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Julia Verlinden: Das EEG ist heute das erfolgreichste Einführungsinstrument für erneuerbare Energien weltweit. Es wurde weltweit über 100-mal kopiert. Die Ökostrom-Erzeugung hat sich in Deutschland zwischen 2000 und 2014 mehr als verzehnfacht, von etwa 14 Milliarden Kilowattstunden auf über 150 Milliarden. Der Ökostrom-Anteil wuchs so von 6,2 Prozent auf heute 27,6 Prozent an. Gleichzeitig sind die Anlagenpreise rapide gesunken. Photovoltaik-Strom startete im Jahr 2000 mit einer Vergütung von 99 Pfennigen pro Kilowattstunde. Kleinanlagen erhielten 2004 mit 57,4 Cent pro Kilowattstunde sogar kurzfristig noch mehr. Heute sind es 12,5 Cent pro Kilowattstunde für Dachanlagen. Damit ist die PV-Vergütung innerhalb von 10 Jahren um 80 Prozent gesunken! Solarstrom gehört – ebenso wie Strom aus onshore-Windanlagen – heute zu den preiswertesten Stromerzeugungsarten.

Welche Auswirkungen hatte das EEG auf den Strommarkt?
Das EEG hat wesentlich dazu beigetragen, den Strommarkt zu revolutionieren. Vor 15 Jahren wurden noch über 80 Prozent der Stromerzeugung von vier Konzernen kontrolliert. Heute gibt es in Deutschland Millionen von Stromerzeugerinnen und Stromerzeuger – darunter allein etwa 1,3 Millionen Solaranlagen. Die Hälfte der installierten Ökostromleistung ist in Bürger-Hand. Dennoch haben wir erst einen Teil der Wegstrecke zurückgelegt. Die Energiewende ist erst dann erfolgreich, wenn es gelingt, möglichst schnell auf eine vollständige Versorgung aus Erneuerbaren Energien umzusteigen – und zwar auch im Wärme- und Mobilitätssektor. Dies wird uns umso schneller gelingen, wenn wir ebenfalls eine kraftvolle Energieeffizienzpolitik betreiben. 

Wie bewerten Sie die nun laufenden Pilotausschreibungen für Photovoltaik-Anlagen?
Mit den Ausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen hat die Bundesregierung ein Bürokratie-Monster geschaffen. Wir gehen davon aus, dass sich sehr wenige Bürgerenergieakteure an den Ausschreibungen beteiligen werden. Unsere Kritik am Vorgehen der Bundesregierung hat sich durch die erlassene Verordnung bestätigt: Anders als von der Bundesregierung behauptet, wird dieses Pilotprojekt keinerlei Erkenntnisse für das geplante Ausschreibungsverfahren für die anderen Erneuerbaren bringen. Insgesamt ist Schwarz-Rot mit dem Ausschreibungsmodell für Erneuerbare auf dem Holzweg und muss den Kurs beim Ökostromausbau korrigieren.

Die Erfahrungen mit den Pilotausschreibungen sollen Grundlage für eine weitgehende Umstellung der Förderung von Erneuerbaren auf Ausschreibungen sein. Welche Auswirkungen für den weiteren Ausbau in Deutschland erwarten Sie, wenn es spätestens 2017 so kommt?
Bisherige Erfahrungen im internationalen Raum zeigen, dass Ausschreibungen eine Reihe von Nachteilen und Risiken mit sich bringen: Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird teurer, die Akteursvielfalt geringer und die anvisierten Ausbauziele werden nicht erreicht. So droht nun auch in Deutschland, dass die Bürgerenergie – bisher der Treiber der Energiewende – vom weiteren Ausbau der Erneuerbaren ausgeschlossen wird, die Ausbauziele insgesamt nicht erreicht werden und die Kosten gegenüber der festen Einspeisevergütung steigen. Wir schauen gespannt auf die ersten Ausschreibungsergebnisse bei der Photovoltaik, ob sich unsere Befürchtungen bestätigen. Wir sind allerdings auch sicher, dass wir durch das Ausschreibungsverfahren für PV-Freiflächen keine Rückschlüsse auf das Ausschreibungsdesign für andere Erneuerbare-Energien-Technologien ziehen können.

Wollen die Grünen eine Umstellung auf Ausschreibungen verhindern oder begrenzen?
Wir sind gegen Ausschreibungen für erneuerbare Energien, da sie den Ökostromausbau tendenziell teurer machen und Bürgerenergieakteure benachteiligen. Wir werden uns weiterhin gegen eine vollständige Umstellung der Erneuerbaren-Förderung auf Ausschreibungen aussprechen. Vor dem Hintergrund der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien der Europäischen Kommission bleibt es unklar, ob Ausschreibungen in ihrer Gesamtheit vermieden werden können. Allerdings werden wir darum kämpfen, die Ausnahmeregelungen der Umwelt- und Energiebeihilfeleitlinien voll auszuschöpfen.

Was glauben Sie, wie hoch ist der Anteil der Grünen daran, dass das EEG vor 15 Jahren eingeführt wurde und auch heute noch existiert, wenn auch in veränderter Form?
Das EEG ist als Parlamentsgesetz entstanden unter maßgeblicher Beteiligung der Grünen. Ohne die Grünen gäbe es das EEG und insbesondere die kostendeckende Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen nicht. Auch in den letzten Jahren haben wir immer für den Fortbestand des EEG mit den drei wichtigsten Säulen gekämpft: kostendeckende, technologiespezifische Einspeisevergütung, Netzanschlussgarantie und Einspeisevorrang.

Man kann sagen, dass das EEG in seiner Ursprungsform die Einführung von Erneuerbaren maßgeblich vorangetrieben hat. Hat das EEG damit seine Aufgabe nicht erfüllt und sollte man nicht auf anderen Wegen nun den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland forcieren?
Das EEG funktioniert gut wie es ist – oder besser: wie es bis zur letzten Novelle war. Um weiterhin einen kraftvollen Ausbau der erneuerbaren Energien zu erreichen, brauchen wir die Netzanschlussgarantie, eine technologiespezifische feste Einspeisevergütung und den Einspeisevorrang. Ob zu einem späteren Zeitpunkt mit einem größeren Anteil erneuerbaren Energien im Strommix die Rahmenbedingungen umgestellt werden sollten, kann zu gegebener Zeit diskutiert werden.

Der Photovoltaik-Zubau in Deutschland ist in den vergangenen Jahren massiv rückläufig und lag 2014 und wird auch 2015 unter dem Zielkorridor der Bundesregierung. Wie könnte man diesem Trend entgegensteuern?

Eine Anpassung des Ausbaukorridors auf fünf Gigawatt jährlich und die Streichung des 52-Gigawatt-Deckels würde einen Großteil der Probleme für die Photovoltaik lösen. Um 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen, so wie wir es wollen, brauchen wir definitiv mehr als 52 Gigawatt installierter PV-Leistung – und zudem brauchen wir dies schneller. Aber selbst um einen Erneuerbaren-Anteil von 80 Prozent zu erreichen, wie es die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept als Ziel benennt, ist ein stärkerer Photovoltaik-Ausbau notwendig. Der atmende Deckel würde bei einer Anhebung des Ausbaukorridors im Übrigen automatisch dafür sorgen, dass die Vergütung für Photovoltaik jeweils angepasst würde.

Julia Verlinden - Abgeordnete im Bundestag und die energiepolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.pv magazine Deutschland Heft 01 / 2015
Quelle

pv-magazine | Das Interview führte Sandra Enkhardt 2015

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren