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Paris-Abkommen, Menschenrechte und Klimaklagen

Ein neues Rechtsgutachten des Juristen, Philosophen und Soziologen Prof. Dr. Felix Ekardt für den Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. weist nach, dass aus dem Pariser Klima-Abkommen (PA) vom Dezember 2015 und aus den Menschenrechten deutlich weitergehende Klimaschutzverpflichtungen folgen, als sie in der Politik bislang debattiert werden.

Das Paris-Abkommen erfährt öffentlich neben Lob viel Kritik. Dabei wird, so das Gutachten, seine äußerst ambitionierte Zielstellung übersehen, die die globale Erwärmung verbindlich auf deutlich unter 2 Grad und besser noch 1,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau begrenzt. Das Rechtsgutachten (das demnächst auch in einer englischen Version vorliegen wird) leuchtet aus, wie weit dies reicht und welche Konsequenzen sich daraus für die bisherige Klimapolitik ergeben, mit folgenden Ergebnissen:

  • Das Gutachten zeigt in der Schnittmenge des Paris-Abkommens (sowie naturwissenschaftlicher Prognosefragen) mit dem rechtlichen Vorsorgeprinzip und den Menschenrechtsgarantien auf, dass ein Voranschreiten zu globalen Nullemissionen innerhalb kürzerer Zeit als meist angenommen rechtsverbindlich vorgeschrieben ist.
  • Ferner wird deutlich, dass die Politik sogar auf eine Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze ausgerichtet werden muss, sich also nicht mit deutlich unter 2 Grad (und erst recht nicht mit 2 Grad) gegenüber vorindustriellen Niveau zufrieden geben darf.
  • Daneben erweist sich, dass rechtlich gesehen bei Existenzfragen wie dem Klimawandel nur eine Politik, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Temperaturgrenze im soeben beschriebenen Sinne einhält, zulässig ist. Dabei spielt auch eine Rolle, dass in einigen Hinsichten bisherige Klimaprognosen oder -projektionen eher zu optimistisch zu sein drohen (schon bisherige Klimaprognosen, wie sie in der vorliegenden Studie zusammenfassend betrachtet werden, legen dabei für die Zielmarge deutlich unter 2 Grad und besser noch 1,5 Grad globale Nullemissionen in ein bis zwei Jahrzehnten nahe).
  • All dies stellt auch die EU und Deutschland, die sich selbst weithin (trotz des unverändert großen ökologischen Fußabdrucks pro Kopf) als Klimavorreiter wahrnehmen, vor große Herausforderungen. Nach dem Gesagten müssen Deutschland und die EU im Rahmen der regelmäßigen Anpassung der eigenen Reduktionszusagen gemäß dem Paris-Abkommen ihre Verpflichtungen rasch und drastisch nachschärfen. Insoweit geht es nicht um bloß Wünschenswertes, sondern darum, dass sonst die rechtliche Verpflichtung auf die Zielmarge des Paris-Abkommens weit verfehlt und ergo eklatant verletzt wird.
  • Der politische Klimadiskurs muss sich von einigen vermeintlichen Gewissheiten verabschieden. So gibt es kein „2-Grad-Ziel“ mehr, sondern etwas substanziell Strengeres. Ferner sind die für den Klimadiskurs auf nationaler Ebene meist leitenden Ziele der jeweiligen Regierung weit entfernt von Art. 2 Abs. 1 PA. Selbst wenn sie erreicht würden – was aktuell z.B. in Deutschland nicht der Fall ist –, wäre daher nicht viel gewonnen. Der gesamte Diskurs, wie er etwa in Deutschland aktuell um die Regierungsbildung geführt wird (auch von vielen Verbänden), geht daher von unzutreffenden Annahmen aus.
  • Art. 2 Abs. 1 PA ist rechtsverbindlich, aber nicht direkt einklagbar. Die Menschenrechte (mit im Wesentlichen gleichem Aussagegehalt in puncto Klimaschutz) sind es jedoch, unter Einschluss des menschenrechtlich herleitbaren Vorsorgeprinzips. Zudem erleichtert Art. 2 Abs. 1 PA eine Interpretation des jeweiligen nationalen Verfassungs-, Verwaltungs- und Zivilrechts in Richtung strenger Klimaschutzverpflichtungen. Dies kann es erleichtern, vorhandene Klimaschutzziele tatsächlich einzufordern, klimaschädliche Maßnahmen anzufechten und große Energiekonzerne zumindest anteilig für Klimawandelfolgen haftbar zu machen.

Quelle: http://www.sfv.de/pdf/ParisSFV7.pdf

 

Zur ethischen Begründung des Klimaschutzes

Die naturwissenschaftliche und politische Klimadebatte setzt meist ohne nähere Begründung voraus, dass Klimaschutz erstrebenswert ist. Das ist insofern bemerkenswert, als wir mit dem Klimaschutz oft Menschen künftiger Generationen oder Menschen in großer räumlicher Entfernung schützen. Beide sind jedoch traditionell kein Thema in der Ethik. Dürfen wir also sagen: Nach uns die Sintflut – und was zum Beispiel durch die Emissionen der Industrieländer an Klimaschäden auf der Südhalbkugel angerichtet wird, darf uns egal sein? Rechtlich betrachtet verpflichten uns etwa das Pariser Klima-Abkommen und die juristischen Menschenrechte zum Klimaschutz. Aber lässt sich das zugleich auch ethisch fundieren? Daran versucht sich ein neues Buch des Erlanger Philosophen Christoph Herrler.

Statt die Notwendigkeit von Klimaschutz schlicht festzusetzen, widmet sich das Buch zunächst umfassend der Begründung von Klimapolitik mit ethischen Argumenten. Nach einigen Vorüberlegungen werden aus der gängigen liberal-demokratischen Begründungspraxis Kriterien einer überzeugenden Rechtfertigung gewonnen. Anhand dieser wird exemplarisch die utilitaristische Herangehensweise Bernward Gesangs mit dem diskursethisch fundierten Menschenrechtsansatz Felix Ekardts verglichen und sich schließlich für eine Lesart des Klimaschutzes als Menschenrechtsschutz ausgesprochen. Die zweite Hälfte des Buches behandelt dann ausführlich Abwägungen klimaethisch relevanter Prinzipien und Aspekte, beispielsweise das Verursacherprinzip, das Vorsorgeprinzip und das Leistungsfähigkeitsprinzip. Neben den dabei zentralen Bereichen der intergenerationellen und der globalen Gerechtigkeit werden auch Fragen der Tier- und Naturethik beleuchtet.

Nomos Verlag
Quelle

Prof. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A.   | Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik (Research Unit Sustainability and Climate Policy) | www.sustainability-justice-climate.euwww.researchgate.net/profile/Felix_Ekardt

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