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Regierung gibt Autoindustrie den Vorrang

Der Dieselskandal hat den intensiven Kontakt zwischen Bundesregierung und der Automobilbranche wenig verändert.

Zwischen September 2015 und Mai 2017 traf sich die Regierung fast doppelt so häufig mit Autolobbyisten wie mit Interessensvertretern von Verkehrsclubs, Gewerkschaften, Umwelt- oder Gesundheitsorganisationen. Das geht aus einer Auswertung der Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor, die die  Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol vorgenommen hat.

Im genannten Zeitraum gab es 325 Treffen zwischen Bundesregierung und Autobmobilindustrie. Gewerkschaften und Betriebsräte durften noch 90 Mal mit der Regierung sprechen. Verkehrsclubs, Verbraucher- und Umweltverbände kommen zusammen auf 79 Treffen. Direkte Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) waren in den anderhalb Jahren den Autobauern und ihrem Verband VDA vorbehalten.

„Es ist natürlich völlig korrekt und auch angebracht, dass sich die Bundesregierung und insbesondere das Verkehrsministerium mit der Autoindustrie trifft – gerade auch wenn es um die Aufarbeitung des Abgasskandals geht“, sagte Christina Deckwirth von Lobbycontrol. Doch auch der Gesundheitsschutz der Bevölkerung sowie die Belange der Beschäftigten und der Autofahrer dürften nicht unter den Tisch fallen. 

Die Opposition im Bundestag kritsiert fehlende Sanktionen für die Automobilbranche. „Dass es auch zwei Jahre nach dem Bekanntwerden der Abgas-Manipulationen bei Volkswagen noch immer keine ernstzunehmenden Konsequenzen aus dem Abgas-Skandal gibt, zeigt, wie effizient und nachhaltig die Automobilkonzerne die Regierungspolitik beeinflussen“, sagte der Linken-Abgeordnete Herbert Behrens. Der Lobbyismus höhle die Demokratie aus.

Im September 2015 hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA bekannt gemacht, dass Dieselfahrzeuge von VW die geltenden Abgasnormen auf dem Prüfstand, aber nicht im Realbetrieb erfüllten. Der VW-Konzern gab in der Folge zu, eine illegale Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung seiner Diesel-Fahrzeuge einzusetzen, nachdem die US-Behörden drohten, keine weiteren Fahrzeuge von VW in den USA mehr zuzulassen. Auch bei Diesel-Fahrzeugen anderer Hersteller fanden sich seitdem Manipulationen an der Software.

Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages versuchte ab Juli 2016 ein Jahr lang herauszuarbeiten, welche Kenntnisse die Bundesregierung von den Manipulationen hatte. Rund 60 Zeugen – darunter Ex-VW-Chef Martin Winterkorn und Kanzlerin Merkel – hatte das Gremium vernommen. Der Abschlussbericht kam zu dem Schluss, dass der Bundesregierung und den Behörden kein Vorwurf zu machen sei. Ein Ergebnis, dass die Opposition und Umweltverbände erzürnte. „Die Autolobby ist in den Ministerien angekommen“, sagte der Ausschussvorsitzende Behrens im Juli dieses Jahres, als der Untersuchungsbericht veröffentlicht wurde.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „KLIMARETTER.INFO“ (kir) 2017 verfasst – das Nachrichten- und Debattenmagazin zu Klima und Energiewende – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung von „Klimaretter.info“ (post@klimaretter.info) weiterverbreitet werden!     

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