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Tausende Atommüllfässer in Zwischenlagern sind beschädigt

Verrostete und beschädigte Atommüllfässer, aus denen der Inhalt teilweise ausgelaufen ist.

Umfangreiche Bergungskonzepte und unklare Entsorgungslösung. Im schleswig-holsteinischen AKW Brunsbüttel schien sich der Höhepunkt des Entsorgungsdesasters anzubahnen. Doch eine Recherche des NDR ergab: An anderen Orten ist der Zustand der Atommüllfässer nicht besser – sondern hat eher System. 

Zur Zeit habe das Bundesumweltministerium (BMUB) aber noch nicht mal alle Daten beisammen. In Brunsbüttel etwa laufen die Untersuchungen von Lagerkammern noch. Man könne “noch nicht sagen, wann wir alle Daten zusammen haben”, so Jochen Flasbarth, verantwortlicher Staatssekretär im BMUB. Eines ist aber schon klar: Besonders problematisch ist die Situation im größten oberirdischen Zwischenlager in Karlsruhe. Hier fanden Prüfer bei Kontrollen mehr als 1.700 beschädigte Behälter mit radioaktivem Müll. 

Ein Auszug aus den Recherchergebnissen des NDR:

  • Forschungszentrum Karlsruhe: Bis 2014 wurden 1.692 Fässer und 121 Container mit Korrosionserscheinungen entdeckt. Insgesamt lagern dort 57.982 Kubikmeter Atommüll.
  • AKW Brokdorf: Mehrere Fässer mit Atommüll wiesen im Jahr 2001 Korrosionsschäden auf.
  • AKW Brunsbüttel: 38 Atommüllfässer weisen starke Auffälligkeiten auf (Wanddurchdringende Korrosion, Austritt von Fassinhalt, Deckel lose). Insgesamt hat Betreiber Vattenfall bislang von 631 Fässern 136 gefunden, die betroffen sind. Die Untersuchungen laufen aber noch bis Jahresende.
  • Geesthacht – Landessammelstelle Schleswig-Holstein: 16 Fässer sind wegen Unregelmäßigkeiten aufgefallen, davon hatte ein Teil Korrosionsschäden.
  • Leese (Niedersachsen): 2013 wird ein durchgerostetes Fass mit Atommüll entdeckt. Weitere Fässer weisen Korrosionsspuren auf.
  • Neckarwestheim: 2012 wird ein Fass mit einer Wölbung der Außenbeschichtung entdeckt.
  • Obrigheim: Drei Fässer mit Rosstellen werden 2013 entdeckt.
  • Ellweiler Landessammelstelle Rheinland-Pfalz: 4 korrodierte Endlagerfässer wurden 2009 entdeckt.
  • Hanau & AKW Biblis: An beiden Standorten wiesen in der Vergangenheit mehrere Lagerbehälter mit Atommüll Korrosionsschäden auf.
  • Landessammelstelle Berlin: Es wurden vereinzelt Fässer oder undichte Behälter entdeckt.
  • Endlager Morsleben: 1996 wurden Korrosionsschäden an einem 200-Liter-Fass mit Radiumabfällen festgestellt.

Doch dass diese offiziell dokumentierten Schäden nur “die Spitze des Eisbergs” seien, meinen sogar Experten: Michael Sailer, Atomexperte des Öko-Instituts, erwartet etwa, “dass man bei genauerer Inspektion in verschiedenen Lagern weitere Korrosionen findet.” Im März meinte er, dieser Missstand könne in jedem Zwischenlager eintreten, sei “bloß nicht überall so offensichtlich wie in Brunsbüttel”. 

Darüber hinaus wird sich das Problem in Zukunft verschärfen: Die Einlagerung radioaktiver Abfälle wurde in der Vergangenheit oft falsch oder nur unzureichend dokumentiert. Die genaue Art und Zusammensetzung des strahlenden Mülls ist vielerorts unklar. Und wo Fässer dicht an dicht gestapelt sind, ist die Kontrolle sehr schwierig. 

Die Betreiber versuchen das eigene Versagen zu zerreden: In Karlsruhe spricht die zuständige Firma WAK GmbH etwa davon, dass es sich bei den beschädigten Fässern um “weniger als zehn Prozent” des Inventars handelt. Gesellschafterin der WAK GmbH ist die bundeseigene Energiewerke Nord GmbH (EWN). Brunsbüttel-Betreiber Vattenfall verglich das Problem, die kaputten Fässer aus den unterirdischen Kavernen zu bergen, mit einem Getränkekasten “wo man die Flaschen am Deckel nicht mehr anheben kann”. 

Und die Begründung der Betreiber für diese desaströsen Zustände ist perfide: Man hatte damals eine zügige Inbetriebnahme des Endlagers Schacht Konrad und damit die Lagerzeiträume in den eigenen Hallen deutlich kürzer erwartet. Mit dem Einlagerungsbeginn in Konrad wird heute offiziell nicht vor 2022 gerechnet. 

Jetzt seien “Konsequenzen aus den unhaltbaren Zuständen in Sachen Atommüll” nötig, fordert Jochen Stay, Sprecher von .ausgestrahlt. Wenn selbst schwach radioaktive Abfälle nicht einmal über wenige Jahrzehnte sicher gelagert werden könnten, dann sei es an der Zeit, die weitere Produktion von Atommüll zu beenden. Das gelte sowohl für die neun noch laufenden Atomkraftwerke, die Brennelementefabrik in Lingen, wie auch für die gigantische Mengen Müll produzierende Urananreicherungsanlage in Gronau.

  • “Totalversagen”: 136 stark beschädigte Atommüllfässer im AKW Brunsbüttel8. November 2014 — Die Zahl der stark beschädigten Atommüll-Fässer im stillgelegten Atomkraftwerk Brunsbüttel steigt weiter. Nach Angaben des Betreibers Vattenfall wurde zuletzt ein Lagerraum unter dem AKW kontrolliert, in dem sich 74 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Abfall befinden. Davon seien 32 “stark beschädigt”. Zuletzt meldete Vattenfall im Oktober, dass mindestens jedes dritte Fass in den Lagerkavernen kaputt ist. Atomkraftgegner sehen ein Totalversagen bei Betreiber, Atomaufsicht und dem Entsorgungskonzept.
  • Endlagersuche: Schacht Konrad ab 2022 – Zeitplan für hochaktiven Müll unklar17. September 2014 – Es gibt weiter Streit um den Zeitplan der Endlagerung von Atommüll in Deutschland. Bundesumweltministerin Hendricks rechnet nach zahlreichen Verzögerungen mit einer Inbetriebnahme von Schacht Konrad in acht Jahren. Um den Zeitplan für die Suche nach einem Endlager für hochaktiven Müll gibt es Streit. Atomkraftgegner fordern ein völlig neues Entsorgungskonzept.
  • AKW-Rückbau & Entsorgung: Mehrheit hat kein Vertrauen in die Atomkonzerne5. August 2014 – Das Vertrauen in die Kompetenzen der Atomkonzerne sinkt: Mehr als die Hälfte der in einer Forsa-Umfrage Befragten sprechen sich für eine Stiftung aus, mit deren Hilfe die Gelder der Atomkonzerne für den AKW-Rückbau und die Entsorgung des Atommülls gesichert werden sollen. Atomkraftgegner fordern ebenfalls, die Rücklagen unter staatliche Kontrolle zu bringen, denn bei einem Konkurs von Vattenfall, Eon, RWE oder EnBW wäre das Geld weg.

Quellen (Auszug): panorama/ndr.de, ausgestrahlt.de; 18.11.2014

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