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Ukraine beschleunigt den Weg zu Erneuerbaren Energien

Und In Belarus suchen NGOs über Erneuerbare Energien auch einen Weg für mehr politische Freiheiten. 

Dass ausgerechnet Ukraine zu den ersten Ländern gehörte, die das Klimaabkommen von Paris ratifizierten – deutlich vor Deutschland und der EU – hat manche erstaunt. Gilt doch das Land als schmutziger Nutzer, fest im Griff der Oligarchen mit ihren Geschäften von Kohle, Erdöl, Erdgas und Atomkraft. Doch das Bestreben zu mehr politischer Unabhängigkeit von Russland ließ schon vor Jahren das Bewusstsein wachsen, dass dies nur mit einer unabhängigen Energieversorgung auf der Basis von Erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz zu erreichen ist.

Inzwischen wurde insbesondere im Erdgassektor die Abhängigkeit von russischen Lieferungen verringert. Durch höhere Gaspreise wurde der Gaskonsum verringert und durch eine neue Pipeline aus der EU konnten die Gaslieferungen aus Russland reduziert werden. Allerdings steigt die ukrainische Energieabhängigkeit von Russland wieder, weil die EU selbst den Fehler macht und wegen der stark zurückgehenden europäischen Gasförderung innerhalb Europas die Gasabhängigkeit von Russland aktuell wieder verstärkt, z.B. mit dem Bau einer zweiten Gaspipeline durch die Ostsee. Dies machte ich diese Woche in meinen   pdf Reden (1.04 MB)  auf der Erneuerbaren Energien Konferenz SEF 2016 in Kiew und im Energieausschuss im ukrainischen Parlament, auf Einladung des Abgeordneten Alex Ryabchyn, deutlich. In einer Präsentation stellte Michael Child von der finnischen Universität Lappeenranta die Möglichkeit einer vollständigen Energieversorgung der Ukraine mit 100 % Erneuerbaren Energien vor. Er stellte heraus, dass dies sogar ökonomisch vorteilhafter sei, als die heutige Energieversorgung.  

Nur ein Ausbau der heimischen Energieversorgung auf Basis der Erneuerbaren Energien mit Hebung der enormen Effizienzpotentiale insbesondere im Gebäudesektor wird Ukraine in eine eigene saubere Energieversorgung auch ohne die luftverschmutzende Kohle und ohne die Atomkraft bringen. Diese Erkenntnis setzt sich mehr und mehr auch im Regierungshandeln durch. So hat die Regierung kürzlich beschlossen, einen 4 GW Solarpark in der Region von Tschernobyl zu bauen, dies ist immerhin viermal so viel wie der aktuelle jährliche PV-Zubau in Deutschland. Mein Vorschlag, dies mit Agro-PV zu verbinden, um eine doppelte Ernte vom Acker – Solarstrom und Ackerfrüchte – zu erhalten, fiel auf positive Resonanz, insbesondere auch bei meinen Gesprächen mit dem Leiter der staatlichen Organisation für Erneuerbare Energien. So unterstützt die ukrainische Regierung in dem großen Agrarland auch die Bioenergien, z.B. Biogas und Biokraftstoffe als Ersatz für Erdgas und Erdöl. Gerade Kraftwärmekopplung mit Bioenergien für die Produktion von Strom und Wärme für die Nah- und Fernwärmesysteme steht im Mittelpunkt der ukrainischen Ziele für mehr Energieunabhängigkeit.

Ganz anders sieht es im benachbarten Belarus aus. Dort setzt die autokratische Regierung des Präsidenten Lukaschenko weiter auf Erdgas, Erdöl und neu auch auf die Atomkraft. Obwohl die Schäden im vom Atomunfall von Tschernobyl hart getroffenen Weißrussland längst nicht behoben sind, baut die Regierung unbeirrt am ersten Atomreaktor und subventioniert mit viel Steuergelder die Erdgaspreise der Bevölkerung. Kein Wunder, dass bei solch immensen staatlichen Subventionen das Bruttoinlandsprodukt im Begriff ist zu sinken. Das Blockieren der wesentlich kostengünstigeren Erneuerbaren Energien scheint nur das antidemokratische Regime zu stützen, aber die Volkswirtschaft von Belarus in den Niedergang zu führen.

Dagegen gibt es erste zaghafte aber durchaus ernsthafte Aktivitäten in der Zivilgesellschaft, sich mit Erneuerbaren Energien aus der Armut und der gesellschaftlichen Ohnmacht zu befreien. Dies ist umso bedeutsamer, weil ja Aktivitäten, die in Belarus gegen die Regierung gerichtet sind, schnell mit Repressionen, bis hin zur Verhaftung verfolgt werden. So hatte nach der Präsidentschaftswahl 2010 Lukaschenko seine zehn Gegenkandidaten kurzerhand für Jahre ins Gefängnis geworfen oder des Landes vertrieben.

In einem Roundtable in Minsk, veranstaltet von der Heinrich-Böll-Stiftung, konnte ich mit einigen Vertretern von Nichtregierungsorganisationen die prinzipiellen Vorteile der Erneuerbaren Energien für die ökonomische und freiheitliche Entwicklung in Belarus diskutieren. Die Projektmanagerin der Energy Watch Group, Komila Nabiyeva, stellte in ihrer Präsentation die weltweite Entwicklung des Divestment, also die Abkehr von Teilen der der Finanzwirtschaft von fossilen Investitionen, heraus. Dies ist auch für Belarus wichtig zu erkennen, da ja sehr viele staatliche Einnahmen auf den Geschäften mit Erdöl und Erdgas beruhen.

In einer Wahlkampagne für Erneuerbare Energien als Armutsbekämpfung, Wachstumsstütze und Jobmaschine will die mit 4,5% Wählerstimmen kürzlich erstarkte Grüne Partei Weißrusslands weitere Wählerstimmen gewinnen und so einen positiven Einfluss auf die ökologische und ökonomische, sowie demokratische Entwicklung des Landes nehmen. Immerhin stehen die Zeichen nicht ganz schlecht, denn auch die Regierung von Belarus will nächste Woche das Klimaabkommen von Paris ratifizieren. Dann wird auch sie verpflichtet sein, eine aktivere Rolle für den Klimaschutz anzugehen. Ein erstes positives Zeichen war die Einweihung eines 18,5 MW Solarparks des Telekommunikationskonzerns Velcom in Bargin, einer von der Radioaktivität aus Tschernobyl belasteten Region, im August 2016.

Quelle

Hans-Josef Fell 2016Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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