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Ukraine im Gegensatz zu Deutschland auf dem Weg in die Energieunabhängig von Russland

Unglaublich, aber wahr: Die Ukraine verringerte ihre Abhängigkeit von russischen Energielieferungen u.a. mit einem offensiven Programm für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz.

Dagegen steigerte Deutschland die Energieabhängigkeit von Russland im letzten Jahr im Erdgassektor. Schuld ist die Erdrosselung der Energiewende in Deutschland. Damit verfehlen Deutschland und die EU klar das politische Ziel einer stärkeren Unabhängigkeit von russischen Energielieferungen zu erreichen, was erklärtes Ziel nach der Krimokkupation und dem Aufflammen des Krieges in der Ostukraine für EU und G7 war.

Deutschlands Abhängigkeit von Energieimporten ist mit 70% seit Jahren unverändert hoch. Einen großen Anteil davon importiert Deutschland aus Russland. Dies ist nicht nur für den Klimaschutz ein Problem, sondern auch für die politische Handlungsfähigkeit. Nationen, die von anderen ökonomisch existenziell abhängig sind, so wie Deutschland und die EU von Russland, sind in Konfliktsituationen massiv in der Handlungsfähigkeit eingeschränkt, ja politisch so gut wie ohnmächtig, wie die Konflikte um die Ukraine aufgezeigt haben.

Als Russland die Krim völkerrechtswidrig okkupierte und im Osten der Ukraine der bis heute schwelende Krieg entflammte, gab es große Empörung im Westen. Die G7 Energieminister, insbesondere Minister Gabriel, verkündeten daraufhin, die Energieimporte aus Russland zu verringern.

Doch das glatte Gegenteil ist eingetreten. Beispiel Erdgas: Im Jahre 2016 hat Deutschland mit ca. 50 Milliarden m³ Erdgas die Einfuhren aus Russland gegenüber 2015 um etwa 10 Mrd. m³ erheblich gesteigert. Die angepeilte Diversifizierung ist ausgeblieben. Für alle Insider, die ähnlich wie die Energy Watch Group analysierten, war klar, dass sie auch ausbleiben musste. Alle angepeilten neuen Erdgaslieferanten wie die USA, Iran, Nordafrika haben mit erheblichen Problemen in der Ausweitung ihrer Erdgasförderung zu kämpfen. Zudem bricht die Eigenförderung von Erdgas in den letzten Jahren z.B. in Deutschland, Großbritannien, Niederlanden regelrecht ein, was sich in den kommenden Jahren sogar noch erheblich verschärfen wird. Mit dem Bau der zweiten Erdgaspipeline werden Milliarden investiert, um die deutsche Energieabhängigkeit von Russland sogar noch zu erhöhen.

Dabei ist die einzige Alternative der schnelle und massive Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz im Konsum. Doch genau dies hat die Regierung Merkel/Gabriel in den letzten Jahren faktisch gestoppt. Seit Jahren wächst der Anteil der Erneuerbaren Energien in Deutschland nur sehr langsam und liegt aktuell bei etwa 14%. Einer Steigerung im Stromsektor steht ein erheblicher Rückgang im Verkehrssektor und fast Stagnation im Wärmesektor gegenüber. Doch nun wird auch die letzte noch starke Ausbaudynamik, der Windkraftsektor, mit dem EEG 2017 massiv beschnitten. Die Folge sind höhere CO2-Emissionen, wie bereits 2016 geschehen, und eine weitere Steigerung der Abhängigkeit von russischen Energielieferungen.    

Die Ukraine ist genau auf dem anderen Wege. Seit der Krimokkupation gibt es im Parlament eine starke Gruppe, die sich das Ziel der politischen Unabhängigkeit mit Hilfe von Energieunabhängigkeit gesetzt hat. Inzwischen zeigen die politischen Maßnahmen erhebliche Wirkung. So konnte der Erdgasverbrauch der Ukraine seit 2013 um etwa 30% gesenkt werden. Investitionen in Energieeffizienz wie Gebäudesanierungen oder in Kraftwärmekopplung mit Bioenergien haben erhebliche Wirkung gezeigt. Mit diesen und weiteren Maßnahmen konnte die Ukraine seit 2014 die Erdgaslieferungen aus Russland von 14,5 Mrd. m³ auf 6,1m³ senken.

Die Ukraine hat, anders als Deutschland, eine wirkungsvolle gesetzliche Grundlage mit Einspeisevergütungen für Erneuerbare Energien, womit Investitionen von privaten Haushalten, Landwirten, Kommunen und Unternehmen immer mehr angereizt werden. So waren Ende 2014 erst 100 KW aber Ende 2016 sogar schon 10 MW Solaranlagen auf privaten Ukrainischen Dächern zu finden. In der radioaktiv verseuchten Region Tschernobyl hat die Regierung gerade 4 GW Solaranlagen ausgeschrieben, immerhin das etwa Vierfache der gesamten in Deutschland jährlich neu installierten PV Leistung.

Wer politische Unabhängigkeit für souveräne Entscheidungen haben will, darf keine existenzielle Abhängigkeit in ökonomischen Beziehungen haben. Doch Deutschland ist existenziell abhängig von russischen Energielieferungen bei Erdöl, Erdgas, Uran und sogar bei der Steinkohle. Diese Abhängigkeit macht Deutschland und die EU zum Spielball russischer Machtinteressen. Die Empörung über mögliche russische Einflussnahme auf die Bundestagswahl mit organisierten Fake News läuft mangels ernsthafter Machtoptionen des Westens infolge von fundamentaler Energieabhängigkeit völlig ins Leere. Es braucht endlich den massiv beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien, wie ihn große Teile der Bevölkerung wollen, aber die Regierung Merkel/Gabriel verhindert. Wer da glaubt, dass angesichts von angeblich billigem russischen Erdgas, Erdöl, Uran und Kohle die Energiewende zu teuer sei, wird sich noch die Augen reiben, u.a. über die Folgekosten der Machtlosigkeit gegenüber einer selbstverschuldeten Energieabhängigkeit.

Nicht die Aufrechterhaltung der klimazerstörenden Energielieferungen aus Russland und anderen Lieferländern fossil/atomarer Energien wird den Frieden stabilisieren, sondern das Angebot einer Modernisierungspartnerschaft an Russland, die auch Russland aus dem ökonomischen Zwang der klimaschädlichen Energieexporte befreit – genau dazu hat Deutschland viel Know How und Technik anzubieten, für Russland und die Ukraine.

Auf die oben beschriebenen Zusammenhänge und Entwicklungen habe ich in meinem Redebeitrag auf der Großen EU-Ukraine Konferenz in Rzeszow, Polen hingewiesen, die vorletzte Woche zu Ende ging. Über 1.000 Teilnehmer diskutierten dort die Zukunft der Beziehungen der Ukraine mit der EU. 

Auch auf der E-World in Essen habe ich heute in meinem (Redebeitrag (1.82 MB))   auf diese Zusammenhänge hingewiesen und eine Ablösung der Nutzung des Erdgases durch Erneuerbare Energien und grünes Gas wie Biogas und Power to Gas gefordert. Untermauert wird diese Forderung durch wissenschaftliche Untersuchungen aus den USA. Danach ist wegen des immer höheren Frackinggasanteils der Methanausstoß bei Erdgasförderung und –transport immer weiter gestiegen.  

Die Forschergruppe Howarth stellte dabei fest, dass Energie aus Erdgas sogar klimaschädlicher als aus Erdöl und Kohle ist. Quelle: Howarth, R. W., A bridge to nowhere: methane emissions and the greenhouse gas footprint of natural gas, Cornell University, 2014

Es wird Zeit, dass die Mär vom klimafreundlichen Erdgas endlich als das entlarvt wird was es ist: ein Werbe Fake der Erdgaswirtschaft.

  • Klimaretter.info: Selbst verschuldete Energieabhängigkeit  | Deutschland hat den Ausbau der Erneuerbaren gebremst. Als Folge legen die Erdgasimporte zu. Allen Ankündigungen zum Trotz steigt die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Das ist kurzsichtig und politisch riskant. Die Ukraine macht vor, wie es anders geht.
Quelle

Hans-Josef Fell 2017 | Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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