‹ Zurück zur Übersicht
panthermedia | SG-Design

© panthermedia | SG-Design

Wie Europa bis 2050 die Energiewende vollenden kann

Bis 2050 soll Europa klimaneutral werden. Ob eine vollständige Energiewende in der EU tatsächlich umsetzbar ist, haben Forscher jetzt untersucht. Das Ergebnis: 100 Prozent Erneuerbare sind machbar, kostengünstig und kurbeln den Arbeitsmarkt an.

Ende November hatte Miguel Arias Cañete, Klimakommissar der Europäischen Union, die neue EU-Klimastrategie 2050 vorgestellt. Sie soll Wege aufzeigen, wie Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden und gleichzeitig die Themen der Wettbewerbsfähigkeit und gerechten Transformation in Einklang bringen kann. Schlüsselfaktoren seien hierbei die vollständige Dekarbonisierung der Europäischen Energieerzeugung, eine saubere Mobilität sowie maximale Energieeffizienz.

Ist ein kompletter Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2050 wirklich realistisch?

Die Antwort einer neuen wissenschaftlichen Studie lautet: Ja! Eine europäische Energiewende basierend auf 100 Prozent Erneuerbaren Energiequellen ist umsetzbar und wirtschaftlich konkurrenzfähig mit dem heutigen, konventionellen fossil-nuklearen System. Mit einhergehen würde außerdem ein deutlicher Zuwachs der Beschäftigung sowie Vorteile für Gesundheit, Sicherheit und Umwelt.

Durchgeführt wurde die Untersuchung von vierzehn Wissenschaftlern der LUT University sowie Energy Watch Group. Es ist die erste Studie ihrer Art, die eine vollständige europäische Energiewende in den Sektoren Strom, Wärme, Verkehr und Entsalzung bis zum Jahr 2050 simuliert.

Studie ergänzt EU-Klimastrategie 2050

Angesichts des gerade von Cañete vorgestellten Klimaneutralitäts-Plan der EU-Kommission scheint der Zeitpunkt der Veröffentlichung perfekt abgestimmt. Jedoch gingen der fertigen Studie rund viereinhalb Jahre Forschung und Analyse von Daten sowie technischen und finanziellen Modellierungen voraus. Da in der EU-Klimastrategie 2050 konkrete Schritte fehlen, ergänzt die Studie den EU-Plan allerdings optimal.

Um den Energiebedarf sowie die unterschiedlichen Erzeugungsmöglichkeiten für die europäischen Länder prognostizieren zu können, haben die Forscher riesige Datenmengen in ihre Berechnungen einfließen lassen. So spielen nicht nur meteorologische Informationen eine Rolle, sondern auch der stundengenaue Strombedarf oder die Kosten der unterschiedlichen regenerativen Technologien und Speichern.

Eine Massenelektrifizierung ist nötig

Damit die europäische Energiewende vollendet werden kann, sei eine Massenelektrifizierung in allen Energiesektoren nötig. Dadurch steige die gesamte Stromproduktion auf das Vier- bis Fünffache gegenüber den Erzeugungswerten im Jahr 2015. Laut den Berechnungen der Forscher könne der Stromverbrauch dann 2050 mehr als 85 Prozent des Primärenergiebedarfs betragen.

EU-Strommix 2015


© Agora Energiewende – Energy Transition in the Power Sector in Europe: State of Affairs in 2015

Schon im Jahr 2015 haben die Erneuerbaren Energien zusammen den höchsten Anteil an der Stromerzeugung in Europa gehabt. Den größten Beitrag leistete dazu die Wasserkraft mit 10,6 Prozent, dicht gefolgt von der Windenergie mit 9,6 Prozent. Die Solarenergie spielte vor drei Jahren mit einem Anteil von nur 3,2 Prozent eher eine Nebenrolle. Zukünftig muss sich das jedoch ändern, wenn es in Europa mit einer Vollversorgung durch die Erneuerbaren klappen soll.

EU-Strommix 2050

 
© LUT UniversityEnergy Watch Group

So sollen die Photovoltaik-Anlagen laut den Berechnungen der Forscher die größte Rolle am Strommix spielen. Die Solarenergie könnte dann 62 Prozent an der Stromerzeugung ausmachen, die Windenergie 32 Prozent, gefolgt von der Wasserkraft mit vier, der Bioenergie mit zwei sowie der Geothermie mit weniger als ein Prozent. Damit hätten die Wind- und Solarenergie zusammen einen Anteil von 94 Prozent am gesamten Strommix. 85 Prozent der Erzeugungsleistung der Erneuerbaren soll außerdem dezentral produziert werden.

„Der Bericht bestätigt, dass eine Wende hin zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien in allen Sektoren möglich und nicht teurer ist als das heutige Energiesystem”, sagt Hans-Josef Fell, ehemaliger Abgeordneter des Deutschen Bundestages und Präsident der Energy Watch Group. „Es wird gezeigt, dass Europa auf ein emissionsfreies Energiesystem umstellen kann. Deshalb können und sollten die europäischen Politiker viel mehr für den Klimaschutz tun als derzeit anvisiert.“

Durch die Umstellung aller Sektoren auf regenerative Energien könnten die jährlichen Treibhausgasemissionen in Europa von etwa 4.200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2015 bis 2050 auf Null abgesenkt werden. Das zeigen die Berechnungen der Wissenschaftler.

Mehr als drei Millionen Arbeitsplätze

Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Ein zu 100 Prozent erneuerbares Stromsystem könnte in der gesamten EU drei bis dreieinhalb Millionen Menschen beschäftigen. Mehr als 1,5 Millionen neue Arbeitsplätze würden dabei entstehen und die rund 800.000 Jobs im Steinkohlebergbau deutlich überkompensieren.

„Eine Wende hin zu 100 Prozent sauberen, Erneuerbaren Energien ist sehr realistisch“

Damit politische Entscheidungsträger die theoretische Studie auch in die Praxis umsetzen können, sprechen die Wissenschaftler der LUT University sowie von Energy Watch Group auch politische Handlungsempfehlungen aus. Demnach solle die Sektorenkopplung gefördert und private Investitionen gestärkt werden. Außerdem seien rechtliche Privilegien und Steuervergünstigungen für die Erneuerbaren wichtig, während gleichzeitig die Subventionen für fossile Energieträger eingestellt werden müssen.

„Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die aktuellen Ziele des Pariser Klimaabkommens beschleunigt werden können und sollten”, sagte Christian Breyer, Professor für Solarwirtschaft an der finnischen Universität LUT. „Eine Wende hin zu 100 Prozent sauberen, Erneuerbaren Energien ist sehr realistisch – schon jetzt, mit den heute verfügbaren Technologien.“

Depositphotos | majaFOTO | Mit einem Anteil von 32 Prozent könnte auch die Windenergie 2050 eine wichtige Rolle spielen.
Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion “energiezukunft“ (jk) 2018 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | energiezukunft |
Heft 25 / Herbst 2018 | „Baustelle Energiewende – Was jetzt zu tun
ist“ | Jetzt lesen | Download

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren