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Die totale Globalisierung – ohne Demokratie?

Demokratie endet an den Grenzen des Nationalstaates – noch. Es gibt gute Gründe, das zu ändern. An Argumenten fehlt es nicht. Von Christian Müller

Ein neues Buch schliesst eine grosse Informationslücke: Die Geschichte der vielen Ideen und Vorschläge für die Verwirklichung einer transnationalen, einer weltweiten Demokratie – seit der Antike, vor allem aber seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Und eine Darstellung, wie eine globale Demokratie, in Schritten selbstverständlich, tatsächlich realisiert werden könnte – und sollte.

Nur: Warum soll man ein solches Buch lesen? Wer denkt denn schon über so ein Thema nach? Für uns alle ist die Demokratie «natürlich» an den Staat, an den sogenannten Nationalstaat, gebunden. Über den Staat hinaus geht das doch gar nicht! Unnötig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen! Denken wir – und liegen völlig falsch!

Die Globalisierung ist total – mit einer Ausnahme

Immer mehr Lebensbereiche werden von der Globalisierung erfasst oder sind schon total globalisiert: die Kommunikation, der Transport, der Handel, der Güterverkehr, der Kapitalverkehr, der Rohstoffhandel, die Satelliten-Navigation für Luftfahrt, Land und Wasser (GPS), und und und. Nur eines ist nicht globalisiert: die Demokratie! Sie scheint, sozusagen «gottgegeben», an den Nationalstaat gebunden zu sein. Bei heute fast 200 Nationalstaaten …

Ist diese Beschränkung der Demokratie auf den Nationalstaat aber wirklich ein Axiom, eine unabänderliche «Wahrheit»? Nein, überhaupt nicht. Seit zweitausend Jahren haben immer wieder kluge Männer und Frauen darüber nachgedacht, wie unsere Welt organisiert sein sollte, damit eine möglichst friedliche und gerechte Welt zustande käme. Zum Beispiel auch in der Französischen Revolution war das ein Thema. Und spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg und der konkreten Gefahr eines Nuklearkrieges, dessen vernichtende Strahlung vor keiner Staatsgrenze halt machen würde, ist es sogar ein grosses, ein äusserst wichtiges Thema: Wie organisieren wir unsere Welt, um sie ebenso steuerbar und vor allem sicher zu machen, wie wir unsere Staaten steuerbar und sicher gemacht haben?

Um weitere Weltkriege zu verhindern…

Die weltweite Katastrophe des Zweiten Weltkrieges mit über 60 Millionen Toten machte eines klar: Das darf nie wieder geschehen! Schon vor dem Zweiten Weltkrieg, seit 1920, im Anschluss an den Ersten Weltkrieg, hatte es den Völkerbund gegeben, aber er scheiterte; es kam trotzdem wieder zu einem Weltkrieg. Jetzt, nach dem Zweiten Weltkrieg, musste eine neue Organisation geschaffen werden, um Kriege zu verhindern. Die Gründung der UNO im Jahr 1945 war ein Neuanfang. Nur: Mit Demokratie hatte das nichts zu tun. Es war und ist noch immer eine Plattform für die Regierungen, ohne Vertretung der Bevölkerung der eingebundenen Staaten, und dazu mit einem Ausschuss, dem Sicherheitsrat, von dessen 15 Mitgliedern deren fünf – aus historischen Gründen immer die gleichen fünf: USA, Frankreich, Grossbritannien, Russland und China – sogar ein Vetorecht haben, um mehrheitlich gefasste Resolutionen doch noch blockieren zu können. Und in der Generalversammlung der heute 193 UNO-Mitgliedstaaten haben alle diese Mitgliedstaaten eine Stimme, ob sie dann 1 Million Einwohner beziehungsweise Staatsbürger haben wie etwa Dschibuti in Afrika oder aber 1,4 Milliarden Einwohner wie China, über tausendmal mehr. Von demokratischen Verhältnissen, von Gleichberechtigung und einem Mitspracherecht der Bürger und Bürgerinnen, war da schon bei der Gründung und ist bis heute keine Spur.

Aber können Kriege verhindert werden, wenn nicht die Bevölkerung demokratisch mitreden kann, sondern die Regierungen der sich konkurrenzierenden und in Machtkämpfe verstrickten Staaten an den Steuerhebeln sitzen? Nein, sicher nicht! Die Historiker wissen es: Kriege beginnen meist wegen der Rivalität von zwei machtbesessenen Männern, die Kriegsopfer aber sind Tausende oder Millionen von Menschen, die nichts dazu zu sagen hatten!

Viele Einzelkämpfer und etliche Organisationen

Hätten die Menschen etwas zu sagen, nicht nur als Bürger eines sogenannten Nationalstaates, sondern auch als Weltbürger im internationalen Bereich – also transnational – , es gäbe deutlich weniger Kriege, vielleicht sogar keine mehr. Das sagten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur viele Wissenschaftler, Philosophen, Soziologen, Historiker. Es entstanden auch etliche Organisationen, die sich dafür einsetzten, dass eine «Weltordnung» geschaffen wird, die nicht abhängig ist von ein paar Grossmächten und deren Regierungen oder gar Autokraten, sondern getragen wird von Gremien, die demokratisch zustande kommen. Eine solche Organisation war zum Beispiel das World Federalist Movement, die Weltföderalistische Bewegung, die auch in der Schweiz einen Ableger hat. Vor allem aber entstanden mehr und mehr Bewegungen und Organisationen, die sich ganz konkret für eine demokratische UNO einsetzten und auch heute noch einsetzen: für ein Parlament auf UNO-Ebene als integraler Teil der UNO, nicht nur eine Plattform von Regierungsvertretern. Ein Parlament, das gewählt wird von den Bevölkerungen der UNO-Mitglieder, nach demokratischen Spielregeln.

An vorderster Stelle ist da die KDUN zu erwähnen, das Komitee für eine Demokratische UNO. Andreas Bummel, der Geschäftsführer, setzt sich seit Jahren vollamtlich (und trotzdem weitestgehend ehrenamtlich) dafür ein, dass es so schnell wie möglich zu einem United Nations Parliamentary Assembly UNPA, zu einem Weltparlament kommt, wo globale Probleme diskutiert und Lösungen demokratisch beschlossen werden können.

Auch aus der Schweiz gab es gelegentlich Unterstützung. So etwa unterzeichneten im Februar 2005 108 Mitglieder des Nationalrats und des Ständerats einen von Nationalrat Remo Gysin aus Basel initiierten Offenen Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan, in dem dieser aufgefordert wurde, die Idee eines UNPA in die aktuelle Reformdebatte bei der UNO einzubringen und zu fördern.

Kleiner Exkurs: Es geht nicht um globale Zentralisierung

Das Prinzip der Subsidiarität – ein schwieriges Wort – besagt, dass alle politischen Entscheidungen auf der unterstmöglichen Stufe gefällt werden sollen. Also in der Schweiz eben je nachdem auf Gemeindeebene, auf Kantonsebene oder auf Bundesebene. Auch alle Vordenker und alle Organisationen, die sich für eine demokratische Weltordnung einsetzen, denken so. Aber aufgrund der Globalisierung gibt es tatsächlich immer mehr Probleme, die auf nationalstaatlicher Ebene nicht mehr gelöst werden können. Man denke etwa an die Probleme mit der Umweltbelastung und -verschmutzung, oder auch an die Tricks der grossen Konzerne, die da arbeiten lassen, wo die Arbeitskraft am billigsten ist, aber Steuern zahlen, wenn überhaupt, wo die Steuern am tiefsten sind. Oder die Umherschiebung von Millionen und Milliarden, um aus Währungsdifferenzen Profit zu schlagen, ohne jede Versteuerung der Gewinne. Und vieles mehr. Alles aber, was nicht mehr auf der Ebene des einzelnen Staates gelöst werden kann, wird heute nicht mehr auf demokratischem Weg entschieden, sondern auf der Ebene von Sonder-Abkommen oder eben auch auf der Ebene der UNO, wo die Regierungen entscheiden – um für einmal den massgeblichen Einfluss der Lobbys hier nicht auch noch anzuführen.

Die UNO muss demokratisiert werden!

Andreas Bummel, der Geschäftsführer der deutschen Organisation KDUN (Komitee für eine demokratische UNO, siehe oben) hat nun ein äusserst informatives Sachbuch geschrieben, das zu allen diesen Punkten detailliert Auskunft gibt. In einem ersten, sozusagen historischen Teil, schildert er, was bisher gedacht, gesagt, gefordert und unternommen worden ist. Hochinteressant! In einem zweiten Teil schildert er, welche grossen Probleme auf dieser Welt anstehen und einer Lösung harren, und wie diese eben demokratisch angegangen werden müssten, um nachhaltige Lösungen zu finden. Und in einem dritten, eher kurzen Teil erklärt er, wie so ein Weltparlament der UNO aussehen müsste. Das Buch hat 450 Seiten, 400 Seiten Text, 50 Seiten Namenverzeichnis und Quellenverzeichnis. Es erfüllt damit auch die Anforderungen wissenschaftlicher Arbeit.

 

Viele Einzelkämpfer und etliche Organisationen

Hätten die Menschen etwas zu sagen, nicht nur als Bürger eines sogenannten Nationalstaates, sondern auch als Weltbürger im internationalen Bereich – also transnational – , es gäbe deutlich weniger Kriege, vielleicht sogar keine mehr. Das sagten nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nur viele Wissenschaftler, Philosophen, Soziologen, Historiker. Es entstanden auch etliche Organisationen, die sich dafür einsetzten, dass eine «Weltordnung» geschaffen wird, die nicht abhängig ist von ein paar Grossmächten und deren Regierungen oder gar Autokraten, sondern getragen wird von Gremien, die demokratisch zustande kommen. Eine solche Organisation war zum Beispiel das World Federalist Movement, die Weltföderalistische Bewegung, die auch in der Schweiz einen Ableger hat. Vor allem aber entstanden mehr und mehr Bewegungen und Organisationen, die sich ganz konkret für eine demokratische UNO einsetzten und auch heute noch einsetzen: für ein Parlament auf UNO-Ebene als integraler Teil der UNO, nicht nur eine Plattform von Regierungsvertretern. Ein Parlament, das gewählt wird von den Bevölkerungen der UNO-Mitglieder, nach demokratischen Spielregeln.

An vorderster Stelle ist da die KDUN zu erwähnen, das Komitee für eine Demokratische UNO. Andreas Bummel, der Geschäftsführer, setzt sich seit Jahren vollamtlich (und trotzdem weitestgehend ehrenamtlich) dafür ein, dass es so schnell wie möglich zu einem United Nations Parliamentary Assembly UNPA, zu einem Weltparlament kommt, wo globale Probleme diskutiert und Lösungen demokratisch beschlossen werden können.

Auch aus der Schweiz gab es gelegentlich Unterstützung. So etwa unterzeichneten im Februar 2005 108 Mitglieder des Nationalrats und des Ständerats einen von Nationalrat Remo Gysin aus Basel initiierten Offenen Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan, in dem dieser aufgefordert wurde, die Idee eines UNPA in die aktuelle Reformdebatte bei der UNO einzubringen und zu fördern.

Kleiner Exkurs: Es geht nicht um globale Zentralisierung

Das Prinzip der Subsidiarität – ein schwieriges Wort – besagt, dass alle politischen Entscheidungen auf der unterstmöglichen Stufe gefällt werden sollen. Also in der Schweiz eben je nachdem auf Gemeindeebene, auf Kantonsebene oder auf Bundesebene. Auch alle Vordenker und alle Organisationen, die sich für eine demokratische Weltordnung einsetzen, denken so. Aber aufgrund der Globalisierung gibt es tatsächlich immer mehr Probleme, die auf nationalstaatlicher Ebene nicht mehr gelöst werden können. Man denke etwa an die Probleme mit der Umweltbelastung und -verschmutzung, oder auch an die Tricks der grossen Konzerne, die da arbeiten lassen, wo die Arbeitskraft am billigsten ist, aber Steuern zahlen, wenn überhaupt, wo die Steuern am tiefsten sind. Oder die Umherschiebung von Millionen und Milliarden, um aus Währungsdifferenzen Profit zu schlagen, ohne jede Versteuerung der Gewinne. Und vieles mehr. Alles aber, was nicht mehr auf der Ebene des einzelnen Staates gelöst werden kann, wird heute nicht mehr auf demokratischem Weg entschieden, sondern auf der Ebene von Sonder-Abkommen oder eben auch auf der Ebene der UNO, wo die Regierungen entscheiden – um für einmal den massgeblichen Einfluss der Lobbys hier nicht auch noch anzuführen.

Die UNO muss demokratisiert werden!

Andreas Bummel, der Geschäftsführer der deutschen Organisation KDUN (Komitee für eine demokratische UNO, siehe oben) hat nun ein äusserst informatives Sachbuch geschrieben, das zu allen diesen Punkten detailliert Auskunft gibt. In einem ersten, sozusagen historischen Teil, schildert er, was bisher gedacht, gesagt, gefordert und unternommen worden ist. Hochinteressant! In einem zweiten Teil schildert er, welche grossen Probleme auf dieser Welt anstehen und einer Lösung harren, und wie diese eben demokratisch angegangen werden müssten, um nachhaltige Lösungen zu finden. Und in einem dritten, eher kurzen Teil erklärt er, wie so ein Weltparlament der UNO aussehen müsste. Das Buch hat 450 Seiten, 400 Seiten Text, 50 Seiten Namenverzeichnis und Quellenverzeichnis. Es erfüllt damit auch die Anforderungen wissenschaftlicher Arbeit.


Weiterführende Informationen

dietz-verlag.de
Quelle

Christian
Müller 2017
| Mitglied
der Redaktionsleitung www.infosperber.ch | Der Autor Christian Müller ist Präsident der Vereinigung Weltföderalisten Schweiz, die die Herausgabe des Buches mitfinanziert hat. Die Weltföderalisten setzen sich ein für eine Weltordnung auf demokratischer Basis unter Einhaltung des Prinzips der Subsidiarität: Die Kompetenzen müssen auf der unterstmöglichen Ebene angesiedelt werden.

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