11.01.2018
Klimawandel lässt Flüsse über die Ufer treten: Anpassung nötig
Wissenschaftler haben jetzt
die bis in die 2040er Jahre nötige Erhöhung des Hochwasserschutzes in allen
Teilen der Welt berechnet, bis hinunter zu einzelnen Regionen und Städten. Sie
stellen fest, dass der Anpassungsbedarf in den USA, in Teilen Indiens und
Afrikas, in Indonesien und in Mitteleuropa einschließlich Deutschland am
größten ist. Ohne Gegenmaßnahmen wären viele Millionen Menschen von schweren
Überschwemmungen bedroht.
„Mehr als die Hälfte der USA
müssen ihr Schutzniveau innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte mindestens
verdoppeln, wenn sie einen dramatischen Anstieg der Hochwasserrisiken vermeiden
wollen", sagt Leit-Autor Sven Willner vom Potsdam-Institut für
Klimafolgenforschung (PIK). Ohne zusätzliche Anpassungsmaßnahmen - wie
Deichausbau, verbessertes Flussmanagement, Veränderung von Baustandards oder
Verlagerung von Siedlungen - würde sich die Zahl der Menschen, die von den
stärksten 10 Prozent der Hochwasserereignisse betroffen sind, vielerorts
erhöhen: In Nordamerika von 0,1 auf 1 Million – eine Verzehnfachung. In
Deutschland könnte die Zahl von 0,1 auf 0,7 Millionen steigen, also um das
Siebenfache.
Die absoluten Werte sind anderswo noch erheblich größer: In Südamerika kann die
Zahl der von Hochwasserrisiken betroffenen Menschen voraussichtlich von 6 auf
12 Millionen steigen, in Afrika von 25 auf 34 Millionen, und in Asien von 70
auf 156 Millionen. Die realen Zahlen betroffener Menschen könnten in Zukunft
noch höher ausfallen, da in der Studie das Bevölkerungswachstum und die
zunehmende Urbanisierung nicht berücksichtigt werden.
Auch in hoch entwickelten Ländern mit guter Infrastruktur muss viel getan
werden
Die Untersuchung basiert auf umfassenden Computersimulationen, bei denen
vorhandene Daten zu Flüssen aus einer Vielzahl von Quellen verwendet werden.
„Diese Daten liegen zwar nicht für jeden Fluss in den entlegensten Winkeln
unseres Planeten in höchster Präzision vor, aber sie sind hinreichend gut für
all jene Orte, an denen viele Menschen leben, wo viele finanzielle Werte
gebunden sind, und wo das Hochwasserrisiko erheblich ist - wir wissen also
genug über die Orte, auf die es ankommt", erklärt Willner. Daten über
Veränderungen von Niederschlägen, Verdunstung und Wasserkreisläufen stammen aus
dem weltweit größten Projekt zum Vergleich von Modellen zur Klimawirkung
(ISIMIP), koordiniert von Katja Frieler am PIK. Die räumliche Auflösung der
neuen Studie ist etwa zehnmal höher als bei gängigen Computersimulationen des
Klimas.
„Wir waren überrascht, dass selbst in hoch entwickelten Ländern mit guter
Infrastruktur der Anpassungsbedarf so groß ist", sagt Co-Autor Anders
Levermann, Leiter der globalen Anpassungsforschung am PIK und Forscher am Lamont-Doherty
Earth Observatory der Columbia University in New York. „In der Studie nehmen
wir an, dass die Menschen das Schutzniveau, das sie heute haben, behalten
wollen - sie wollen nicht, dass es schlechter wird. Folglich muss in Ländern
mit einem recht guten Schutzniveau viel getan werden, um den Standard aufrecht
zu erhalten und zu verhindern, dass Menschen aufgrund von Überschwemmungen
tatsächlich ihre Häuser verlassen müssen.“
Jenseits der Zwei-Grad-Grenze wird Anpassung schwierig
Die Zunahme der Hochwasserrisiken in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten
wird durch die Menge an Treibhausgasen verursacht, die wir bereits in die
Atmosphäre gebracht haben; die Entwicklung in diesem Zeitraum hängt also nicht
davon ab, ob wir die globale Erwärmung begrenzen.
„Wenn wir allerdings die vom Menschen verursachte Erwärmung nicht auf deutlich
unter 2 Grad Celsius begrenzen, dann werden bis zum Ende unseres Jahrhunderts
die Hochwasserrisiken vielerorts in einem solchen Maße ansteigen, dass
Anpassung schwierig wird", erklärt Levermann. „Um die Sicherheit der
Menschen zu gewährleisten, müssen klimabedingte Risiken ernst genommen und sehr
schnell Geld für Anpassung bereitgestellt werden. Wenn wir jetzt handeln,
können wir uns gegen die Risiken der nächsten zwei Jahrzehnte absichern. Weiter
fortschreitender Klimawandel muss jedoch durch die Abkehr von fossilen
Brennstoffen begrenzt werden, um Veränderungen zu vermeiden, die unsere
Anpassungsfähigkeiten übersteigen. Solange wir Kohle, Gas und Öl verbrennen,
steigt die Temperatur unseres Planeten und die Gefahr nimmt zu.“
„Die Ergebnisse sollten eine Warnung für die Entscheidungsträger sein", so
Levermann weiter. „Wenn wir das Thema zu ignorieren, werden die Folgen
verheerend. Wir müssen jetzt beides tun: Anpassung an den bereits verursachten
Klimawandel und Begrenzung zukünftiger Erwärmung. Nichtstun wäre
gefährlich."
Artikel: Sven N. Willner, Anders Levermann, Fang Zhao, Katja Frieler
(2018): Adaptation required to preserve future high-end river flood risk at
present levels. Science Advances [DOI:10.1126/sciadv.aao1914]
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