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© Fotolia.com | TylerOlson | Ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie zeichnet sich aber ab, dass die meisten Länder die „einmalige Chance“ nicht nutzen, die IEA-Chef Fatih Birol letztes Jahr beschwor – die Wirtschaft ankurbeln, Jobs schaffen und „sich gleichzeitig schneller auf eine widerstandsfähige und saubere Energiezukunft zubewegen.“

Lebensmittelverpackungen: Lust und Last

Wer kennt das nicht: Man achtet beim Einkauf auf gesunde, umweltfreundliche Lebensmittel, aber am Ende des Tages zeigt der Blick in den Mülleimer: Bei der Verpackung kommt der Umweltschutz zu kurz.

Der Mülltrennung stehen viele skeptisch gegenüber und so mancher würde am liebsten ganz auf die ­Verpackung verzichten. Doch das ist alles andere als einfach – gerade bei Lebensmitteln.

Immer mehr Menschen sind aufwändig verpackte Lebensmittel ein Dorn im Auge. „Unverpackt-Läden“ sind deshalb im Kommen. Dort kann man sich die Produkte direkt in selbst mitgebrachte Dosen, Beutel oder Gläser abfüllen. Auch im Hofladen, in der Markthalle oder auf dem Wochenmarkt kann man die Ware direkt in den Korb legen. Doch ein Großteil der Konsumenten will sich beim Einkauf auch noch mit anderen Produkten eindecken, die Ware soll günstig sein und in der Verpackung möglichst lange halten. Und auch der Handel zieht viele Vorteile aus der Verpackung von Produkten: Sie hält Ware deutlich länger frisch, weil sie Obst und Gemüse ein spezielles, optimiertes Mikroklima bietet, Müsli über Monate knusprig hält oder Fleischprodukte vor dem schnellen Verfall bewahrt.

Trotzdem werden ca. 15-20 Prozent der Nahrungsmittel im Handel oder beim Verbraucher weggeworfen, weil sie nicht rechtzeitig verkauft oder verzehrt werden. Darum werden die Verpackungsmaterialien ständig optimiert. Sie sollen die Haltbarkeit verlängern und die Produkte besser schützen. Darüber hinaus sollen sie klarer über Haltbarkeit und Qualitätszustand informieren und der zunehmenden Individualität der Verbraucher Rechnung tragen. Viele Informationen auf der Verpackung sind unabdingbar, denn leider sieht man einem losen Produkt nicht an, ob es vegan, Bio, gluten- oder laktosefrei, halbfett, vollfett oder fettfrei ist, von welchem Tier es stammt und wie es geschlachtet wurde. Mit der Vielfalt der Waren wachsen die Ansprüche der Verbraucher, auch die an die Verpackung.

Knifflige Verpackungen für immer neue Erkenntnisse
Leider wächst damit auch die wechselseitige Beeinflussung von Verpackung und Produkt. Wie wirken sich Verpackungsmaterialien oder deren vielfältige Bestandteile (bis zu 200 verschiedene bei einem ‚simplen’ Joghurtbecher) auf die Produkte aus? Welche Beschichtungen oder Grundstoffe vertragen sich untereinander oder mit dem Nahrungs­mittel? Welche Einwirkungen gehen von anderen Packungen aus, die neben einem Produkt liegen, das für sich gesehen ‚im Reinen’ ist? 

Die gesetzlichen und Lebens­mittel-relevanten ­Anforderungen steigen mit den Erkenntnissen über die möglichen Risiken. Hier sind noch viele Fragen offen. Die Verpackungsindustrie versucht die vielfältigen Ansprüche mit immer kniffligeren und komplexeren Verpackungen zu erfüllen. Funktionalitäten wie leichtes Öffnen und Wiederverschließen, Schutz vor Eigen- und Fremdgerüchen, Hygiene beim Einkauf oder sichere Lagerung und leichter Transport werden immer mehr nachgefragt. Gleichzeitig sollen der Verpackungsabfall und der Materialeinsatz immer geringer werden. Je leichter die Verpackung sein soll, desto schwerer wird die Aufgabe für Designer und Techniker. Ein alltägliches Beispiel: Einfache Folien für Käse oder Wurst bestehen aus zehn bis zwölf Lagen unterschiedlicher Materialen.

Recyceln statt Ressourcenverschwendung

Die steigende Komplexität dieser Verbundverpackungen macht die Wiederverwertung kompliziert, aufwändig und in vielen Bereichen heute noch unmöglich. Was nicht mehr voneinander getrennt werden kann, geht in die Verbrennung. Dort wird zumindest die Energie in Strom umgewandelt. Ein Teil wird jedoch heute schon zu neuen Rohstoffen für Verpackungen oder Produkte zurückgewonnen – wobei ein erneuter Einsatz im Lebensmittelbereich besonders schweren Restriktionen unterliegt. Grundsätzlich jedoch gilt: Je mehr wir unseren Verpackungsabfall sammeln und trennen, desto größer ist die Chance, dass wir die wertvollen Materialien für neue Anwendungen nutzen können – und somit unsere endlichen Ressourcen wie Erdöl schonen. Ein großes Vorbild ist die Marke Frosch mit ihren Reinigern in 100 Prozent Recyclat-Flaschen: Material, das aus der Abfallsammlung neu aufbereitet wurde. Ähnliche Ansätze mit teilweisem Einsatz von Recyclat gibt es u.a. auch schon bei Getränkeflaschen von VIO (Coca-Cola Konzern) oder bei Heinz Ketchup.

Nachwachsende Rohstoffe als Chance für Mensch und Umwelt
Papier ist ein sehr nachhaltiges Verpackungsmaterial, wenn seine Produktion nicht zur Abholzung von geschützten und lebenswichtigen Wäldern führt. Aber auch hier gibt es spannende Alternativen, die sich langsam am Markt durchsetzen: Karton und Papier aus Agrarabfällen, also Pflanzenfasern, die ähnlich wie Holz verarbeitet werden können. Häufig werden 80 bis 90 Prozent einer Agrarpflanze nicht zu einem Lebensmittel verarbeitet, wie zum Beispiel beim Getreide das Stroh, dessen Fasern ein enormes Potenzial für die Papierherstellung haben und das in riesigen Mengen vorliegt. Ähnlich verhält es sich bei Papier aus Gras, das aus nicht bewirtschafteten Flächen stammt. Das Gras wurde bisher nicht genutzt oder kann nicht vollständig als Dünger oder für Biogas verwendet werden. Die Mengen sind so groß, dass problemlos ein Teil des Holzanbaus für die Papierherstellung ersetzt werden könnte. Die Verarbeitung ist zudem einfach, weil die Grasfasern weicher als Holzfasern sind. Da Gras großflächig verfügbar ist, bieten sich hier Chancen für die regionale Papiererzeugung und neue Arbeitsplätze.

Auch Kunststoffe können heute schon aus nachwachsenden Rohstoffen produziert werden. Diese liefern in der Regel Stärke, sprich Zucker, der zu Ethanol und somit Polymeren verarbeitet wird. Damit kann auf fossile Ressourcen wie Erdöl verzichtet werden. Gleichzeitig treten Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen nun in Flächenkonkurrenz sowohl zur tradierten Lebensmittelproduktion für Mensch und Tier, als auch zur Erzeugung von Biokraftstoffen, Heizstoffen etc.

Wir haben einen langen Weg vor uns
Die Entwicklung bei Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen schreitet unaufhörlich voran. Die Materialien werden besser und haben teilweise die Funktionalitäten von fossil basierten Kunststoffen erreicht oder sogar übertroffen. Ein schönes Beispiel bietet die Firma Sonnentor aus Österreich, die schon seit Jahren schrittweise ihre Verpackungen auf nachwachsende Rohstoffe umstellt. Oder Danone, die den Activia-Joghurtbecher aus Biokunststoff produziert. Zwei Beispiele von vielen, die zeigen: Die Bemühungen zu nachhaltigeren Verpackungen schreiten voran. Dieser Weg ist aber mühsam. Die eine, einfache Lösung gibt es nicht und die Aspekte sind sehr vielschichtig. Wir stehen bei der Entwicklung einer wirklich nachhaltigen Verpackung im Sinne des Cradle2Cradle® Konzeptes oder der Circular Economy noch am Anfang. Gleichzeitig ruft gerade das Thema nachhaltige Verpackungen nach beherzten Innovationen. 

Peter Désilets ist Vorstand der pacoon AG, einer führenden Designagentur für nachhaltige Verpackungslösungen. Er hat im März 2017 in München die SOLPACK 2.0 – Internationale Konferenz für nachhaltige Verpackungen ausgerichtet, um Unternehmen bei ihren Nachhaltigkeits-Bestrebungen zu unterstützen und eine Netzwerk-Plattform für mehr Austausch zu bieten.

paperwise.eupaperwise.eu | Adrett verpackt: Karton aus Agrarabfall verleiht empfindlichem Obst- und Gemüse perfekten Schutz.
Quelle

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 – Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen. Lifestyle | Essen & Trinken, 01.05.2017             

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