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CO2-Emissionen südostasiatischer Flüsse geringer als vermutet

Flüsse in Südostasien standen lange Zeit unter dem Verdacht, besonders hohe Mengen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) zu emittieren.

Grund für diese Annahme sind unter anderem dort weit verbreitete Torfgebiete, die sehr viel Kohlenstoff speichern, die aber eben auch einen Teil davon an die Flüsse abgeben. Messungen des Instituts für Umweltphysik (IUP)der Universität Bremen, des Bremer Leibniz-Zentrums für Marine Tropenökologie (ZMT) und der Universität Hamburg in Malaysia und Indonesien haben nun gezeigt, dass die CO2-Emissionen von diesen Flüssen bislang wohl überschätzt wurden

Flüsse sind eine Quelle von Kohlenstoffdioxid

Flüsse sind eine unverzichtbare Ressource und wichtige Transportwege. Als solche spielen sie auch in den Klimawissenschaften eine prominente Rolle: Nach traditioneller Auffassung besteht ihre wichtigste Funktion im Kohlenstoffkreislauf darin, organische Verbindungen, die aus Böden ausgewaschen werden, vom Land zum Ozean zu transportieren. In der Tat ist das ein ganz wesentlicher Aspekt, denn es bedeutet, dass ein Teil des von der Biosphäre aufgenommenen Kohlenstoffs nicht etwa dort gespeichert, sondern zum Meer weitergeleitet wird. Doch dieser Transfer ist bei weitem nicht so unspektakulär, wie es die Hypothese eines passiven Transports lange Zeit suggerierte. Zahlreiche Messungen haben mittlerweile gezeigt, dass Mikroorganismen im Fluss, am Ufer und in den Sedimenten Teile des ehemaligen Pflanzenmaterials in Kohlenstoffdioxid (CO2) umwandeln. Über die Wasseroberfläche gelangt das Klimagas dann in die Atmosphäre, wo es zum Treibhauseffekt beiträgt.

Schlechte Datenlage in den Tropen

Obwohl Forscher die Entstehung von CO2 in Fließgewässern bereits seit Ende der sechziger Jahre dokumentiert haben, wurden Flüsse in den Klimawissenschaften lange etwas stiefmütterlich behandelt. Erst mit dem Erscheinen des jüngsten Berichts des Weltklimarates (IPCC) im Jahr 2013 konnte der Paradigmenwechsel als vollzogen gelten. Zum ersten Mal beschrieb der Weltklimarat Flüsse nicht nur als passive Kohlenstoff-Transportwege, sondern anerkannte einerseits ihren Beitrag zur Speicherung von Kohlenstoff in Sedimenten, andererseits zum Ausstoß von CO2 und, zu einem geringeren Teil, Methan. Wie viel Kohlenstoff genau Flüsse in die Atmosphäre entlassen, ist allerdings noch sehr unsicher. Die existierenden Schätzungen kranken vor allem an einer schlechten Datenlage in den Tropen. Die meisten Wissenschaftler erwarten von tropischen Flüssen besonders hohe CO2-Emissionen, weil in den immergrünen Regenwäldern sehr viel Kohlenstoff verfügbar ist und hohe Temperaturen gleichzeitig den Abbau organischer Kohlenstoffverbindungen begünstigen. Messungen im Amazonas-Gebiet und in Afrika bestätigen diese These nach und nach. Daten aus Südostasien sind allerdings immer noch Mangelware.

Messungen in Indonesien und Malaysia

Am Institut für Umweltphysik haben wir vor einigen Jahren begonnen, Treibhausgasemissionen aus Flüssen mithilfe von Fouriertransformationsspektrometrie zu untersuchen. Das ist eine Methode, die es uns erlaubt, mehrere Treibhausgase gleichzeitig zu messen – unter ihnen natürlich auch CO2. Die Forschung an Flüssen betreiben wir gemeinsam mit dem Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT) in Bremen und der Universität Hamburg. Die ZMT/Hamburg-Gruppe forscht vor allem in Indonesien, und unsere Messkampagnen führen uns nach Malaysia. Indonesien und Malaysia haben wir nicht zufällig ausgewählt. In diesen beiden Ländern sind tropische Torfgebiete weit verbreitet – das sind feuchte Böden, die sehr viel Kohlenstoff enthalten. Südostasiatische Torfe speichern 69 Gigatonnen Kohlenstoff. Das ist beinahe so viel, wie Menschen in einem Jahrzehnt durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe emittieren. Flüsse, die durch diese Torfe fließen, führen schwarz gefärbtes Wasser. Grund ist ein hoher Gehalt an organischen Kohlenstoffverbindungen, die der umliegende Torf an sie abgibt. Die höchsten bislang gemessenen Flusswasserkonzentrationen von gelöstem organischen Kohlenstoff fanden Forscher in diesen sogenannten Schwarzwasserflüssen in Südostasien. Geht man davon aus, dass ein Teil davon in CO2 umgewandelt wird, darf man von diesen Gewässern also auch besonders hohe CO2-Emissionen erwarten.

Kohlenstoff bleibt nur kurze Zeit im Fluss

Unsere Forschung in Malaysia führte uns und unsere lokalen Partner von der Swinburne-Universität unter anderem in den Maludam-Nationalpark, einen geschützten Torfwald im Nordwesten der Insel Borneo. Dort fuhren wir in einem kleinen Holzboot den Maludam-Fluss hinauf und nahmen Proben, um unterschiedliche Kohlenstoffkomponenten zu untersuchen – unter anderem CO2. Das Wasser war typisch für Torfflüsse: schwarz wie Tee, sauer und sehr sauerstoffarm. Zwar war der weitgehend unberührte Maludam-Fluss auch eine Quelle von CO2, aber insgesamt verließen nur etwa ein Drittel des Kohlenstoffs den Fluss über die Wasseroberfläche. Das ist relativ wenig, denn typischerweise ist es gut die Hälfte. Doch die Bedingungen im Torfwald und im Flusswasser sind unwirtlich: Der Mangel an Sauerstoff und der niedrige pH-Wert behindern den Abbau organischer Kohlenstoffverbindungen zu CO2. Außerdem befinden sich fast alle Torfgebiete Südostasiens in Küstennähe. Das bedeutet, dass die großen Mengen an Kohlenstoff erst spät aufgenommen werden und das Material nur sehr kurze Zeit im Fluss verweilt – es erreicht den Küstenozean, bevor es umgewandelt werden kann. Die Messungen der Hamburger und ZMT-Forscher in Indonesien lieferten ein ähnliches Ergebnis. In einer gemeinsamen Veröffentlichung zeigten wir, dass vorangegangene Studien die CO2-Emissionen von Flüssen in Südostasien weit überschätzt haben.

Was bringt die Zukunft?

Wie sich das unter Umständen in Zukunft ändern wird, ist eine brandaktuelle Frage. In Asien vollzieht sich ein schneller Wandel durch Eingriffe des Menschen. Viele südostasiatische Torfwälder sind bereits industriellen Plantagen gewichen, zum Beispiel Ölpalmen. Ein lohnendes Geschäft, denn Palmöl ist sehr gefragt – vor allem auch in Europa. Weitere Untersuchungen müssen jetzt zeigen, ob sich durch die Umwandlung der Torfgebiete in Plantagen die CO2-Emissionen von den Flüssen in dieser Region verstärken.

Weiterführende Informationen

D. Müller et al., Lateral carbon fluxes and CO2 outgassing from a tropical peat-draining river. Biogeosciences | Die blauen Bereiche der Karte zeigen die Lage der Torfgebiete auf den Inseln Sumatra (links) und Borneo (rechts) in Südostasien. Der hellgraue Küstenstreifen ist 40 Kilometer breit und zeigt an, dass die meisten Torfgebiete bereits in diesem Bereich zu finden sind. Die eingefügte Grafik zeigt: je breiter man diesen Küstenstreifen macht, um so mehr Torfgebiete schließt man ein – beinahe 100 Prozent aller Torfgebiete sind nicht weiter als 100 Kilometer von der Küstenlinie entfernt.
Quelle

Universität Bremen 2016 | Denise Müller / Anna Biskupic 2016

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