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Der Juli 2016, ein weiterer Beleg für die Erderwärmung

Viele Menschen hierzulande sind wegen des derzeitigen Wettergeschehens verunsichert. Der „kühle“ Sommer bei uns in Deutschland scheint so gar nicht in das Bild der Erderwärmung  passen zu wollen. Ein Bericht von Mojib Latif, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Viele Menschen hierzulande sind wegen des derzeitigen Wettergeschehens verunsichert. Der „kühle“ Sommer bei uns in Deutschland scheint so gar nicht in das Bild der Erderwärmung  passen zu wollen. Die Medien haben das Thema schon längst aufgegriffen. Was sagen eigentlich die Daten? Eines ist zunächst wichtig: Der Sommer ist noch gar nicht zu Ende. Man sollte ihn also erst bewerten, wenn alle Daten vorliegen. Schauen wir uns aber trotzdem den Juli 2016 an, für den die Messungen bereits ausgewertet sind. Der Deutsche Wetterdienst stellt in seiner Analyse nüchtern fest: „Insgesamt war der Juli 2016 zu warm, etwas zu trocken und durchschnittlich sonnig“. Und weiter: „Mit 18,6 Grad Celsius (°C) lag die Durchschnittstemperatur (in Deutschland, Anmerkung des Autors) im Juli um 1,7 Grad über dem Mittel der international gültigen Referenzperiode 1961 bis 1990“. Die Datenlage ist also eindeutig, selbst der Juli 2016 war bei uns in Deutschland zu warm gegenüber dem langjährigen Mittelwert für diesen Monat.

Vorsicht ist jedoch geboten: Anhand eines Monats oder anhand einer Jahreszeit und selbst anhand mehrerer Jahre oder Jahrzehnte kann man keine sicheren Aussagen über die langfristige Erderwärmung treffen. In einem chaotischen System wie dem Klimasystem ist der Zufall Programm, die natürliche Schwankungsbreite enorm. Die Temperatur kann daher nicht gleichmäßig steigen, es gibt ein stetes Auf und Ab. „Der menschliche Einfluss auf das Klimasystem ist klar“, schreibt der Weltklimarat (IPCC) in seinem letzten Synthesebericht aus dem Jahr 2014, an dem Hunderte der weltweit führenden Klimawissenschaftler mitgearbeitet haben. Nur wenn man viele Jahrzehnte betrachtet, wird der Erwärmungstrend offensichtlich.

Der Temperaturanstieg bei uns in Deutschland seit Beginn der Messungen beträgt im Jahresmittel schon mehr als 1°C und übersteigt damit den globalen Erwärmungstrend (Abb. 1). Die große Schwankungsbreite der Temperaturen hierzulande ist in der Abbildung offensichtlich und verdeutlicht, dass kurze Zeiträume für die Erkennung des Klimawandels völlig ungeeignet sind. Der Temperaturanstieg selbst entwickelt sich sehr langsam über viele Jahrzehnte. Ein Menschenleben ist fast zu kurz, um ihn wahrzunehmen. Eine Momentaufnahme sagt gar nichts über die menschliche Klimabeeinflussung. So wie ein einziger Wurf mit einem gezinkten Würfel auch keine Auskunft darüber gibt, ob der Würfel manipuliert ist.

GRAFIK 1 (s.rechts): Abweichung der globalen (schwarz) und deutschlandweiten (rot) Jahresmitteltemperatur (°C, Trends gestrichelt) vom Mittelwert des Referenzzeitraumes 1961-1990. (Grafik: DWD)

Wir spüren den Klimawandel allerdings an den Wetterextremen, denn die reagieren empfindlicher. Hitzetage und Starkniederschläge nehmen zu und werden in vielen Regionen der Erde immer mehr zum Problem, auch in Deutschland. Eine vergleichsweise geringe Erwärmung beispielsweise kann Starkniederschläge in einem Maße intensivieren, dass auf einmal Bäche zu reißenden Fluten werden. Außerdem steigen die Meeresspiegel und bedrohen heute schon tiefliegende Inselstaaten. Aber nicht nur diese. Küstenmetropolen wie Miami im US-Bundesstaat Florida leiden zusehends unter den steigenden Pegeln. Das Grundwasser steigt mit dem Meeresspiegel, Überflutungen sind dort inzwischen an der Tagesordnung.

Alarmierend sind die Daten für die globale Durchschnittstemperatur der Erde. Der Juli 2016 war nach Angaben der amerikanischen Wetter-und Ozeanbehörde (NOAA) der wärmste Juli seit Beginn der systematischen Messungen 1880 (Abb.2). Und nicht nur das. Der Juli 2016 war auch der wärmste Monat überhaupt während des gesamten Zeitraums. Der Monat war außerdem der fünfzehnte in Folge, der global einen neuen Temperaturrekord aufgestellt hat. Damit war auch das erste Halbjahr 2016 (Januar-Juni) das wärmste erste Halbjahr seit Beginn der Messungen. Darüber hinaus war 2015 im Jahresmittel das wärmste Jahr seit Beginn der instrumentellen Aufzeichnungen, 2014 das zweitwärmste. Damit fallen 15 der 16 global wärmsten Jahre seit Beginn der systematischen Aufzeichnungen in das 21. Jahrhundert.

GRAFIK 2 (s.rechts): Die global gemittelte Erdoberflächentemperatur (linke Skala in °C) im Monat Juli seit Beginn der Messungen im Jahr 1880 als Abweichung zum Mittelwert der Temperatur des gesamten 20. Jahrhunderts. (Grafik: NOAA)

Diese Zahlen verdeutlichen, dass der globale Temperaturanstieg  ungebrochen ist. Gleichwohl verläuft die Erwärmung der Erdoberfläche nicht immer gleich schnell. Es gibt Jahrzehnte mit einem rapiden Temperaturanstieg und dann wieder Jahrzehnte, in denen sich die Oberfläche nur langsam erwärmt.  Mitte des 20. Jahrhunderts, als der menschliche Einfluss noch relativ klein war, ist die Temperatur der Erde sogar leicht gefallen (Abb. 1, Abb. 2). Der Hauptgrund für diese Schwankungen sind vermutlich die Ozeane, die mal etwas mehr, mal etwas weniger Wärme aus der Atmosphäre aufnehmen. Die Meere dämpfen die Erwärmung der Erdoberfläche. Sie haben während der letzten 40 Jahre ungefähr 90 Prozent der Wärme aufgenommen, die durch den Anstieg der Treibhausgase in der Luft in der Atmosphäre zurückgehalten worden ist. Kleine Änderungen der ozeanischen Wärmeaufnahme können sich in beträchtlichen Schwankungen der Temperatur an der Erdoberfläche äußern.

Das Klima unterliegt nicht nur ausgeprägten zeitlichen Schwankungen. Räumliche Unterschiede sind ebenso prägnant. Das hat viele Gründe. Einerseits bedeutet die globale Erwärmung nicht, dass es sich überall auf der Erde gleich stark erwärmt. So hat sich seit Beginn der Messungen die Nordhalbkugel stärker erwärmt als die Südhalbkugel. Oder die Landoberflächen im Mittel über alle Kontinente mehr als die Oberflächen der Meere. Diese auffälligen Unterschiede haben die Klimamodelle seit vielen Jahren vorhergesagt genauso wie die Arktis als die sich am schnellsten erwärmende Region. Andererseits überlagern die natürlichen Schwankungen den langfristigen Erwärmungstrend, wie oben beschrieben, und tragen ebenfalls zu den regionalen Unterschieden bei. Die chaotische Atmosphäre spielt hier eine wichtige Rolle, insbesondere wenn man auf kurze Zeiträume blickt. Die Ozeane sind ein anderer Treiber regionaler Unterschiede, vor allem bei der Betrachtung von Jahren und Jahrzehnten, weil sich beispielsweise Meeresströmungen auf natürliche Weise ändern und dadurch Wärme anders verteilt werden kann. Dennoch, betrachtet man die Temperaturen im Juli 2016, dann waren die meisten Regionen der Erde überdurchschnittlich warm (Abb. 3). Einige wenige Gebiete waren erwartungsgemäß kälter als gewöhnlich. Im globalen Mittel war die Erde im Juli 2016 um 0,74°C wärmer im Vergleich zur Temperatur während des Referenzzeitraums 1961-1990.

GRAFIK 3 (s. rechts): Die weitweiten Temperaturen im Juli 2016 als Abweichung vom Mittelwert der Referenzperiode 1961-1990. (Grafik: NASA)

Das Fazit: Die Fokussierung auf nur eine Jahreszeit und einzelne, relativ kleine Regionen wie etwa Deutschland verstellt den Blick auf die globale Erderwärmung. Der vom Menschen verursachte Temperaturanstieg ist eine Realität und eindeutig belegt. Die Staatengemeinschaft hat diesen Sachverhalt auf der Weltklimakonferenz in Paris Ende 2015 anerkannt und auf der Grundlage dessen vereinbart, die Anstrengungen zum Klimaschutz zu intensivieren.

Bigi Alt | Mojib Latif mit Elisabeth Latif in der Arktis.DWD | Grafik 1: Abweichung der globalen (schwarz) und deutschlandweiten (rot) Jahresmitteltemperatur (°C, Trends gestrichelt) vom Mittelwert des Referenzzeitraumes 1961-1990.ncdc.noaa.gov | Grafik 2: Die global gemittelte Erdoberflächentemperatur (linke Skala in °C) im Monat Juli seit Beginn der Messungen im Jahr 1880 als Abweichung zum Mittelwert der Temperatur des gesamten 20. Jahrhunderts.data.giss.nasa.gov | Die weitweiten Temperaturen im Juli 2016 als Abweichung vom Mittelwert der Referenzperiode 1961-1990.
Quelle

Mojib Latif
ist Meteorologe und Klimaforscher | Geomar
Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
– Forschungsbereich
Ozeanzirkulation und Klimadynamik. Er lehrt außerdem an der Christian-Albrechts-Universität  Kiel.  Erstveröffentlichung in „Klimaretter.info“ und auf der Sonnenseite mit freundlicher Genehmingung von Mojib Latif.

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