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sfv.de | Gerhard Mester

© sfv.de | Gerhard Mester | Weiter so geht nicht mehr. Fünf Jahre eher reicht nicht, wenn 15 nötig sind.

Die wahren Kosten des Klimawandels

Wenn wir das Klima destabilisieren, kann das auch unsere Gesellschaft destabilisieren. Die Folgen der globalen Erwärmung führen nicht nur zu erheblichen ökonomische Schäden, sie schaden auch der Gesundheit der Menschen in vielerlei Weise, verstärken die Treiber von Migration, und sie setzen Entwicklungsperspektiven für die Ärmsten der Welt aufs Spiel.

Um diese Auswirkungen noch besser zu verstehen, treffen sich vom 11. bis 13. Oktober an die 500 Wissenschaftler aus aller Welt in Potsdam. Die wahren Kosten des Klimawandels  zu benennen – dies ist der Titel der Konferenz – ist eine große Herausforderung. Denn gerade die gesellschaftlichen Kosten sind nicht immer leicht zu berechnen, ihre Währung ist mitunter das menschliche Leiden. Als Teil der Konferenz begeht das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sein 25-jähriges Jubiläum – ein Vierteljahrhundert der Forschung mit dem Ziel, das Wissen über die Interaktion von Mensch und Erdsystem voranzubringen. 

„Die Wissenschaft zeigt, dass die aktive Begrenzung der globalen Erwärmung viel billiger ist, als einfach nichts zu tun – Nichtstun würde uns am Ende ein Vielfaches der rund zwei Prozent der globalen Wirtschaftsleistung kosten, die wir für die Klimastabilisierung aufbringen müssten“, sagt Hermann Lotze-Campen, Organisator der Konferenz, Leiter des Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität am PIK, zugleich Professor am Department für Agrarökonomie an der Humboldt Universität zu Berlin. „In diesen Abschätzungen werden jedoch Kosten für Gesundheitsschäden und zusätzliche Todesfälle, von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, und potenzieller Massenmigration, und nicht zuletzt die Kosten von anhaltender Armut noch gar nicht berücksichtigt. Dies sind komplexe Fragen, die wir wissenschaftlich noch besser beantworten möchten, ebenso wie die Fragen der ökonomischen Kosten und Schäden. Bei diesem ziemlich einzigartigen Treffen der globalen Gemeinschaft der Klimafolgenforscher geht es einerseits darum, wissenschaftliche Methoden zu verbessern – und das klingt reichlich abstrakt. Gleichzeitig ist diese Forschung jedoch die unerlässliche Basis dafür, robuste Informationen zu künftigen Risiken bieten zu können – für Farmer genauso wie für Fabrikanten, und letzlich für Familien.“

Die Konferenz wird organisiert vom PIK und gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Zu den Sprechern gehören unter anderem Hans Otto Pörtner, Ko-Leiter der Arbeitsgruppe II zu den Folgen des Klimawandels für den kommenden Bericht des Weltklimarats IPCC, Leena Srivastava vom indischen ‚The Energy and Resources Institute‘, aber auch Experten politischer Organisation wie Shardul Agrawala von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) oder Andrea Tilche von der Generaldirektion Forschung und Innovation der EU-Kommission. Außerdem werden in dem Konferenzteil zum Jubiläum des PIK unter anderem der Ministerpräsident von Brandenburg, Dietmar Woidke, sowie die Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) Patricia Espinosa und weitere hochrangige Gäste sprechen.

Migration: „Wenn Menschen ihre Heimat verlassen müssen“

„Der Klimawandel ist ein zentraler Punkt für das Wohl der Menschen und die nachhaltige Entwicklung – die ‚Kosten‘ des Klimawandels könnten am höchsten sein für jene Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen“, sagt Koko Warner, Expertin für Migration bei der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), die auch auf der Konferenz sprechen wird. „In allen Fällen menschlicher Migration – sei es durch von Stürmen verursachte Vertreibung, das Ringen um eine klima-sichere Existenzgrundlage, oder wenn die Rückkehr in die Heimat nicht mehr möglich ist die Suche nach bewohnbarem Raum – erfordert der Klimawandel einen neuen Grad der Widerstandsfähigkeit.“

Klimawandelfolgen wie etwa Dürren könnten auch dazu beitragen, dass bereits schwelende lokale Konflikte angefacht werden und es mancherorts zum Ausbruch von Gewalt kommt.

„Herkunftsländer, Transitländer, und Zielländer müssen sich gemeinsam daran machen, die Resilienz auszubauen“, so Warner. „Erstens müssen wir dringend Klimafolgen zuvorkommen und Anpassungsmaßnahmen für Menschen auf der ganzen Welt ausweiten. Zweitens braucht es Strategien für Migration, die sicher, würdevoll und ordentlich verfügbar sind für Herkunftsregionen, Transitländer und die Zielgebiete. Drittens benötigen Herkunfts- wie Zielgebiete Vorsorgestrategien und Notfallvereinbarungen, um die Last des Übergangs von einem Zustand zum anderen zu teilen. Denn dazu gehören auch langfristige Veränderungen, wo und wie Menschen leben werden.“

Ökonomische Kosten: Mehr als nur Dollars

„Es geht um mehr als nur Dollars“, sagt Stéphane Hallegatte von der Weltbank, ein weiterer Redner der Konferenz. „Wenn es um die Kosten des Klimawandels geht, fragen die Menschen zu oft nur nach absoluten Zahlen, in Dollars oder als Prozent des Bruttosozialprodukts. Diese Konferenz aber fordert eine umfassendere Abschätzung der Folgen des Klimawandels und schaut auf vielfältige Dimensionen wie Armut und Ungleichheit. Ihre Schlussfolgerungen werden dazu beitragen, Entscheidungsträger in der Politik zu informieren, die heute schon Politikmaßnahmen ergreifen müssen, um die Bevölkerung und die Wirtschaft von morgen zu schützen.“

Zu den ökonomischen Kosten gehören nicht nur Schäden etwa von Wetterextremen, die sich durch globale Versorgungsketten fortsetzen können, sondern auch Produktivitätseinbußen etwa durch Hitzestress für die Arbeitskräfte.

Gesundheit: Hitzetote, Gelbfieber, Ernteverlust

„Der Klimawandel ist auf verschiedene Weise eine wachsende Bedrohung für die menschliche Gesundheit“, sagt Andy Haines von der London School of Hygiene and Tropical Medicine, auch er ist einer der Sprecher bei der Konferenz. „Zum Beispiel würde im Falle eines unverminderten Ausstoßes von Treibhausgasen extreme Hitze hunderte Millionen Menschen treffen – was vorher selten war, wird die neue Normalität. Vorläufige Analysen großer Analysen der Situation in mehreren Ländern deuten darauf hin, dass die Zunahme an Hitzetoten in einigen Regionen weit größer sein wird als die Abnahme von Kältetoten. Dies gilt vor allem für wärmere und ärmere Gebiete, und damit einen erheblichen Teil der Weltbevölkerung.“

„Der Klimawandel wird auch das Auftreten und die Verteilung von Krankheiten verändern, die etwa von Moskitos übertragen werden“, so Haines. „Die Zahl der Fälle des von den Insekten übertragenen Dengue hat sich seit 1990 jedes Jahrzehnt verdoppelt, und der Klimawandel steht unter Verdacht, hierzu beigetragen zu haben. Die Moskitos, die Dengue übertragen, können auch zur Ansteckung mit anderen wieder auftretenden Viren führen, einschließlich Gelbfieber, Chikungunya und Zika. Auch deren Verbreitung kann wahrscheinlich vom Klimawandel beeinflusst werden.“

„Wenn Ernten schrumpfen oder ihr Nährwert zurückgeht, durch den Klimawandel und andere Umweltveränderungen, so ist auch dies eine ernste Bedrohung der Gesundheit vor allem der in den Tropen lebenden Bevölkerung“, betont Haines. „Vorläufige Analysen zeigen, dass diese Auswirkungen erheblich verringert werden können, wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen und damit die globale Erwärmung verringern. Zugleich kann eine Reduktion der Emissionen durch den Einsatz sauberer Technologien auch bereits kurzfristig der Gesundheit vieler Menschen nutzen, weil dann die Luftverschmutzung abnimmt, genauso wie eine zugleich nachhaltigere und gesündere Ernährung den Menschen nützt.“ Auch Zufußgehen, Radfahren und das Benutzen des öffentlichen Nahverkehrs bringe zugleich der Gesundheit und der Umwelt etwas.  „Wenn dieser doppelte Nutzen für die Gesundheit anerkannt wird, dann kann dies die Durchsetzung von Klimapolitik unterstützen und damit die Klimarisiken vermindern.“

Nachhaltige Entwicklung: Wer den Hunger bekämpfen will, muss die Erwärmung bekämpfen

„Die Wissenschaft zeigt klar: Das Paris-Abkommen zur Verringerung der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius ist notwendig, um dem Erfolg der UN-Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDG) zur Ausrottung von Hunger und Armut zumindest eine Chance zu geben; nur so ermöglichen wir wirtschaftliche Entwicklung und ein gutes Leben für alle Bürger dieser Erde“, sagt Johan Rockström von der Universität Stockholm, auch er ist einer der Sprecher bei der Konferenz. „Die Klimarisiken sind so groß, dass sie die Entwicklung der Welt gefährden. Aber auch das Gegenteil stimmt. Die Ziele nachhaltiger Entwicklung umfassen einen Wandel der Entwicklung hin zur Nachhaltigkeit – diese Ziele zu erreichen ist nötig, um das Abkommen von Paris zum Erfolg zu machen. Das bedeutet: Wir haben keine Wahl. Die globale Nachhaltigkeit ist unser Weg in die Zukunft.“

Quelle

Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung 2017

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