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Der Atom-Klima-Konnex: eine doppelte Gefahr für die Zukunft

Im Dezember haben sich Regierungschefs verschiedener Staaten in Paris getroffen, um endlich ein Abkommen zu beschließen, das den Klimawandel bremsen soll.

Wenn man bedenkt, dass Klimawandel eine ganze Reihe globaler und mit einander zusammenhängenden Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind, verschlimmern kann, wie extreme Armut, Hunger, Konflikte, die in Gewalt enden und wild um sich greifende Krankheiten, dann sind dringend bedeutende Handlungen zu setzen.

Und dennoch stehen die in Paris vorgeschlagenen Maßnahmen immer noch in keinerlei Verhältnis zum eigentlichen Problem. Ganz im Gegenteil: die Klimaverhandlungen litten bisher unter mangelhaften Informationen und schlechten Ratschlägen, was die sogenannten Lösungen anbelangt, welche den Temperaturanstieg auf 2 Grad begrenzen sollen. Ein spezielles Problem liegt darin, dass zu viele der einzelnen beabsichtigten nationalen Beiträge (INDC’s) zum Reduktion des Ausstoßes von Kohlendioxid immer noch auf die Atomenergie setzen.

Dies ist außerordentlich problematisch, wenn man Folgendes bedenkt: die zunehmende Nutzung der Atomenergie mit dem Ziel einer Reduktion der Kohlenstoffemissionen führt zu höheren Risiken in der Wahrscheinlichkeit der nuklearen Proliferation. In diesen momentan schwierigen Zeiten sind die Verhältnisse vieler Länder untereinander sehr instabil und geopolitischen Spannungen ausgesetzt: wir beobachten eine zunehmend aggressive Haltung in Form atomarer Drohungen von Seiten Russlands gegenüber der Nato in Europa sowie von China gegenüber den US Verbündeten im südchinesischen Meer. Zudem verschlingen die explodierenden Ausgaben für Nuklearwaffen (über 100 Milliarden US Dollar jährlich) wichtige Ressourcen und untergraben alle Voraussetzungen, die für eine positive Zusammenarbeit bezüglich des Klimawandels nötig wären. Eine weitere Proliferation von Atomwaffen würde die Lage noch verschlimmern.

Der Klimawandel und die fortdauernde Existenz von nuklearen Waffen sind somit die beiden hauptsächlichen Bedrohungen gegen das Weiterbestehen der Menschheit. Im gesamten Zeitrahmen unserer Geschichte tauchen sie erst vor etwa hundert Jahren auf. Dennoch bedrohen sie das Leben auf unserem Planeten, so wie wir es kennen, ernsthaft, wir wissen das und nur wir sind dafür verantwortlich.

Jonathan Schell drückte dies vortrefflich in seinem Buch (2007) „The seventh decade (Das siebte Jahrzehnt) – The new shape of Nuclear Danger (Neue Form der Atomgefahr) aus:
„Jeder, der sich um den einen Teil sorgt, sollte sich auch Gedanken um den Anderen machen. Es wäre eine Schande, die Erde vor der Erwärmung zu retten, nur, um sie dann in einem einzigen Atomschlag in die Luft gehen zu lassen“.

Atomenergie ist weder notwendig noch dazu befähigt, die Klimakrise zu lösen. Sie ist nicht in der Lage, große Mengen fossiler Energien in einem wesentlichen Umfang zu ersetzen. Außerdem weist die nukleare „Brennstoff-Kette“ vielerlei Probleme und Risiken auf; unter anderem die Freisetzung radioaktiver Stoffe auf jeder Stufe des Energiezyklus, zudem generationsübergreifende Sicherheitsprobleme, verursacht durch die Endlagerung radioaktiven Abfalls. Ein gravierendes Problem ergibt sich ebenso – auf verschiedenen nuklearen Entwicklungsstufen – dadurch, dass die Technologien und das Fachwissen für die Entwicklung von Atomwaffen eingesetzt werden können.

Der Klima-Atom-Konnex

Wie das World Future Council kürzlich in seinem Bericht „The Climate-Nuclear Nexus: Exploring the linkage between climate change and nuclear threats“ (Der Klima- Atomkonnex: Eine Untersuchung der Zusammenhänge zwischen dem Klimawandel und der atomaren Bedrohung) aufgezeigt, interagieren beide Bereiche noch in mehreren Hinsichten. Konflikte, welche durch den Klimawandel ausgelöst oder verschärft werden, können zu einer globalen Unsicherheit führen, wodurch in weiterer Folge der Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlicher würde. Das könnte wiederum zu einem fruchtbaren Nährboden für den internationalen Terrorismus werden – auch für atomaren Terrorismus, was dann konsequenterweise einige zusätzliche Länder dazu veranlassen könnte, sich auch selber Atomwaffen anzuschaffen.

Wie zudem eine Reihe von Zwischenfällen vergangener Jahre bewiesen hat, können extreme Unwetter, die Verschlechterung der Umweltbedingungen sowie größere seismographische Schwankungen die Sicherheit nuklearer Einrichtungen stark beeinträchtigen. Auch könnte ein Atomkrieg zu einem plötzlichen und langanhaltenden weltweiten Temperatursturz führen. Dies hätte für das globale Klima sowie weltweit für die Landwirtschaft katastrophale Folgen – eine stabile Versorgung der Menschheit mit Lebensmitteln geriete in Gefahr.

Und letztlich bedrohen Klimawandel und Atomenergie den Zusammenhalt der verschiedenen Generationen, wie Atomtests und Unfälle in Atomkraftwerken und deren unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene Altersgruppen beweisen. Auch haben sie durch den Ausstoß von Kohlenstoffverbindungen Langzeitfolgen auf die Qualität der Luft, der Umwelt generell und auf die öffentliche Gesundheit.

Alles in allem betrachtet untergräbt die Diskrepanz zwischen langfristigen Zielen und konkreten Schritten die nötigen Voraussetzungen für eine funktionierende internationale Zusammenarbeit in der Klima- und Sicherheitspolitik. Ungeachtet der wachsenden Erkenntnis unter den Entscheidungsträgern, Akademikern und der Zivilgesellschaft, dass die nukleare einerseits, sowie auch die klimatische Bedrohung andererseits endlich angegangen werden müsse, geschieht wenig Konkretes.

Warum ist das so, wo doch bereits erneuerbare Energien brauchbare Alternativen bieten würden? Durch die Nutzung lokaler erneuerbarer Energiequellen werden öffentliche Körperschaften in politischen und energiewirtschaftlichen Fragen unabhängiger. Außerdem kann das Ausmaß, in dem lokale und internationale Kooperationen nötig werden, um auf 100% erneuerbare Energien umzusteigen, ein Katalysator werden, um mit weiteren internationalen Sicherheitsproblemen fertig zu werden. Dadurch können geopolitische Krisen gelöst sowie zukünftige Konflikte verhindert werden, die durch klimabedingte Instabilitäten und Ressourcenknappheit ausgelöst werden. Zusätzlich können dabei gemeinsam regelbare Sicherheitsmechanismen entwickelt werden.

Auf ähnliche Weise könnten regionale Initiativen versuchen, klimatische sowie Sicherheitskrisen anzugehen. Zum Beispiel könnten atomwaffenfreie Zonen (bereits jetzt ist die ganze südliche Hemisphäre so eine atomwaffenfreie Zone) im Gegenzug regionale Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen fördern, wie das zum Beispiel das Antarctic Treaty System vorsieht. Solche Maßnahmen könnten auch in der Arktis realisiert werden, wo die Auswirkungen des Klimawandels und die Gefahren von Nuklearwaffen zusammentreffen: ein verstärkter Wettbewerb um Ressourcen und die Erschließung von Verkehrswegen und Gebieten für militärische Manöver inklusiver gezielter Demonstrationen von militärischer Potenz – auch mittels Atomwaffen. Das alles verstärkt die Spannungen im Machtkampf zwischen den einzelnen Regionalmächten.

Und schließlich: es gibt internationale gesetzliche Verpflichtungen, einerseits den Klimawandel zu bremsen und gleichzeitig die internationale Abrüstung voranzutreiben. Darum überrascht es auch nicht, dass gerichtliche Verfahren eingeleitet wurden, damit diesen Verpflichtungen nachgekommen wird. Solche Verfahren, die das Klima betreffen, wurden bereits in mehreren Ländern eingeleitet, zum Beispiel in den Niederlanden, wo ein Gericht zugunsten der Kläger urteilte. Es wurde festgelegt, dass der Staat gesetzlich dazu verpflichtet sei, seine Bürger zu schützen. Das Gericht verpflichtete die niederländische Regierung, den CO2 Ausstoß im Lande um mindestens 25% (verglichen mit 1990) bis zum Jahr 2020 zu reduzieren.

Was die Bedrohung durch Atomwaffen betrifft: die Republik der Marshall Inseln hat letztes Jahr beim Internationalen Gerichtshof (International Court of Justice) eine Klage gegen neun Länder eingereicht, die über Atomwaffen verfügen: die Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Russland, China, Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea. Die Republik führte an, dass diese Länder Verpflichtungen nicht einhalten würden, die sich aus dem NPT-Abkommen ergeben und aus dem allgemeinen internationalen Recht. Es sind derzeit Verfahren im Gange gegen jene drei der genannten Länder, die sich der Gerichtsbarkeit des ICJ (Internationalen Gerichtshofs) unterstellt haben: England, Indien und Pakistan.

Für die Bewohner der Marshall Inseln sowie auch für Menschen anderswo sind die Auswirkungen dieser beiden Bedrohungen keine rein theoretischen Probleme, die in der Zukunft liegen. Hinter diesen Fakten und Zahlen liegen reale Leidensgeschichten, verursacht durch den Klimawandel und die Atomwaffenprogramme.

Vor allem das Leiden einer spezifischen Gruppe von Menschen legt beredtes Zeugnis von der vom Menschen verursachten Auswirkungen des atomaren Hasards und des Klimawandels ab. Die Bewohner der abgelegenen pazifischen Inselkette des Bikini Atolls wurden in den 1940-er Jahren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, damit die Vereinigten Staaten dort ihre Atombomben testen konnten. Das hatte eine Reihe generationsübergreifender Folgen, die durch die Freisetzung von Radioaktivität ausgelöst worden waren: hohe Krebsraten, Behinderungen bei Neugeborenen und die radioaktive Kontamination der Umwelt. Das Land, das ihre Heimat gewesen war, wurde für unbewohnbar erklärt.

Und jetzt sind die kleinen Gebiete der Marshall Inseln, auf die sie damals umgesiedelt wurden, vom gleichen Schicksal bedroht. Denn der steigende Meeresspiegel zerstört die errichteten Dämme und droht das Land zu überschwemmen und damit die Ernte zu vernichten. Neuerlich werden die Flüchtlinge der Bikini Inseln gezwungen, ein Verlassen ihrer Heimat in Erwägung zu ziehen – diesmal in Richtung fremder Kontinente, die tausende von Kilometern entfernt sind. Was bei allem an möglichen Katastrophen noch dazukommen könnte: es besteht die Gefahr, dass der steigende Meeresspiegel radioaktiven Abfall von den Atomtests, der auf den Inseln lagert, ins Meer spülen wird.

Die Erfahrungen der Bikini-Atoll-Bewohner sollte uns eine Warnung sein. Wenn wir nicht schon bald die Gelegenheit ergreifen, die Welt von dieser doppelten Gefährdung zu befreien, werden wir uns einem ähnlichen Schicksal zubewegen.

Quelle

oekonews.at | holler 2016 | Autor: Jakob von Uexkull vom www.worldfuturecouncil.org, veröffentlicht im Nuclear Monitor Nr. 816Übersetzung aus dem Englischen und Bearbeitung, Ina Conneally – Bernhard Riepl

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