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Deuticke Verlag Wien

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Schwarzbuch Markenfirmen

Praktisches Arbeitsbuch für alle, die die Arbeitswelt nicht hinnehmen wollen. Schwarzbuch Markenfirmen in neuer Auflage. Von Rupert Neudeck

Das ist ein sehr praktisches Arbeitsbuch für alle die, die sich mit der herrschenden Welt und Wirtschafsordnung nicht einverstanden erklären und etwas tun wollen. Das „Schwarzbuch Die Welt im Griff der Konzerne“ hat zur Hälfte Firmenporträts auf je zwei Seiten, in denen die Firmendaten, also Umsätze, Gewinne, Beschäftigte und der Firmengewinn pro Mitarbeit gefolgt wird von dem Kapitel der Vorwürfe, die gegen die Firma erhoben werden. Dann kommt das praktische Appendix: Was Sie tun können. Also um es am Beispiel von Apple zu konkretisieren: Der Umsatz der Firma, die ihren Sitz in Cupertino/USA hat, beträgt 121 Milliarden Euro, sie hat dabei einen Gewinn von 43,1 Mrd Euro und 72.800 Beschäftigte. Apple läßt nun seine Produkte von Zuliefererfirmen wie Foxtronn und Pegatron in China produzieren. 2006 berichtete die britische Zeitung Daily Mirror von 15-stündigen Arbeitstagen der chinesischen Kulis, von niedrigen Monatslöhnen von 40 Euro.

Die Vorwürfe zumal gegen Foxtronn hörten nicht auf, so dass Apple einlenkte und die Produktion 2013 von Foxtronn wegnahm und an den auch in China produzierenden Mitbewerber Pegatron abgab. Doch auch bei Pegatron kam schnell an den Tag, wie die Firma die Arbeitskräfte ausbeutet: Kinderarbeit, exzessive Arbeitszeiten, unzureichende Löhne, Verletzung von elementaren Sicherheitsbestimmungen. Die WDR Reportage „Markencheck“ bekam bei kleineren Apple_Lieferanten noch schlechtere Bedingungen heraus. In Shanghai waren in einer I-Phone-Fabrik Minderjährige beschäftigt, ein 15jähriger starb am Arbeitsplatz. Die Rohstoffe wie Tantal oder Zink lässt Apple  in Zentralafrika von Kindern in Zwangsarbeit abbauen. Im Februar 2014 kündigte Apple an, künftig auf den Einsatz von Rohstoffen verzichten zu wollen, die in Konfliktregionen gefördert werden und publizierte eine Liste von Förderminen. Aber wer kann schon so etwas in der Demokratischen Republik Kongo oder der Zentralafrikanischen Republik nachweisen. 

Sehr gut die Leitfrage: Was wir tun können?

Im Falle von Apple heißt es: Erstmal prüfen ob wir schon wieder einen neuen Computer oder eine neues Mobiltelefon haben müssen. Bei Smartphones bietet das Buch erst mal Fairphone an, das zwar auch noch nicht richtig fair gehandelt wird, aber zumindest die richtige Richtung für uns als Konsumenten und Produzenten weist. 

Fairphone ist ein erster Versuch, europäischen Konsumenten ein Handy anzubieten, das gegen Vorbestellung in China hergestellt wird. Die niederländische Firma „Fairphone B.V.“ bietet ein Smartphone an, das „soziale Werte an die erste Stelle setzt“. Neben besseren Herstellungsbeziehungen möchte man die Rohstoffe nur aus Minen beziehen, die keinen Bürgerkrieg finanzieren. 2001 erschien die Erstausgabe dieses Buches, das damals schon 200.000 interessierte Käufer fand. Damals fand man heraus, dass die internationalen Konzerne,  besonders der Chemiegigant Bayer, mit dem Tantalhandel den damals größten Krieg der Welt seit 1945 in der Demokratischen Republik Kongo mit über fünf Millionen Toten mitfinanzierten. Der Autor Klaus Werner Lobo gab sich damals als korrupter Rohstoffhändler aus, der Lieferanten von Bayer angeblich von kongolesischen Rebellen gewonnenes Tantal günstig anbieten wollte. Bayer stieg darauf sofort ein. Die Spur führte dann zu einem deutschen Rohstoffhändler, der zugab die Bayer Tochter H. C. Starck mit blutigem Erz und Coltan beliefert zu haben. 

Fairphone ist natürlich nur ein Beginn. Die Zuliefererfirma zahlt einen etwas höheren Lohn, aber ist nicht bereit oder kann auch nicht bereit sein, im real existierenden China auf die Forderungen bezüglich Arbeitszeit und Gewerkschaftsrechte einzugehen. Fairphone zeigt deshalb realistisch, was machbar ist und was noch nicht machbar ist. Eine einzelne Firma kann nicht die politischen Rahmenbedingungen ändern. „Als Konsumenten können wir hier bestenfalls das geringere Übel wählen“. Als Bürger sollten wir auf gesetzliche Regeln drängen, die Mindeststandards Schritt für Schritt zu einer Selbstverständlichkeit im globalen Handel gelten zu lassen. 

Das Buch macht den objektiven Skandal mehr als deutlich, in dem wir uns mit unserem Konsumentenverhalten und den ganzen Shopping-Events befinden, die um uns als freie Bürger aufgebaut werden. Kein Flughafen mehr, der nicht mehrere Shoppingmeilen kennt und kein Bahnhof mehr, in dem man fast vergessen kann, dass man kam, um mit dem Zug weiterzufahren. 

Das Buch hält die Daten fest, an denen neue zeitgeschichtliche Epochen begonnen haben, oder in denen versprochen wurde, dass eine neue Zeit beginnt. 24. April 2013 um 08.45 Uhr brach der achtstöckige Rana Plaza Bau in Dhaka zusammen, in dem tausende Näherinnen Textilien zusammensteckten und nähten. Die überall auf den Stockwerken verteilten  und gleichzeitig anspringenden Generatoren  haben der geschwächten Statik des Hauses den Rest gegeben. Dieses Gebäude wurde in einem Außenbezirk von Dhaka illegal aufgestockt, ohne dass irgendjemand sich um die Statik gekümmert hätte. Deshalb mussten an diesem Tag 1130 Menschen in den Trümmern elendiglich sterben, dazu kamen 2438 Verletzte, davon einige so schwer, dass ihnen einige Glieder amputiert werden mussten. Das war der schwerste Arbeitsunfall in der Geschichte des neuen Billig-Lohn-Länder Kapitalismus, der buchstäblich über Leichen geht. 

Alle möglichen westlichen Kleider-Firmen waren an diesem Haus beteiligt. Man fand später zwischen Schutt und Trümmern die Tops der „Veronika Feldbusch-Pooth-Linie des deutschen Textilkonzerns KiK“. Der hatte im ersten Moment dreist bestritten, dass er Geschäftsbeziehungen zu der eingestürzten Textilfabrik gehabt hätte. Bennetton war ebenfalls beteiligt, versprach Entschädigung und verwies auf Zusammenarbeit mit der Kleinkredit-NGO BRAC in Bangladesh. Erst 8 Monate nach der Katastrophe legten wenigstens vier internationale Einzelhandelsketten einen 29 Mio. Entschädigungsfonds auf. Aber eine  drastische, eindeutige und nicht rücknehmbare Wende hat das schreckliche Unglück nicht gebracht. 

Bangladesh kann nicht so einfach auf die Textilindustrie verzichten. Sie beträgt sieben Prozent des Bruttosozialprodukts des 163 Millionen Landes. Bangladesh hat in den letzten Jahren Textilien im Wert von 16 Mrd Euro exportiert, davon 58 Prozent nach Europa. Die Mindestlöhne liegen derzeit bei 28 Euro im Monat, die meisten Arbeiter bekommen 33 bis 40 Euro im Monat. Was man dringend brauchen würde, wären verfassungsmäßig eingerichtete und arbeitende Gewerkschaften. 

Das Buch enthält das Kapitel über die zerstörerischen fossilen Energien. Auch da gibt es ein Weckrufdatum. Das ist der 20. April 2010, als im Golf von Mexiko die Ölplattform Deepwater Horizon explodierte. Elf Arbeiter starben, mehr als 800 Millionen Liter Erdöl traten aus. Die Ölpest erreicht die Küste der USA und verseuchte das Mississippi Delta. Wer aber gemeint hatte, damit wären die Tiefseebohrungen ein für alle Mal gestoppt und die Ölkonzerne an die Leine gelegt, sah sich enttäuscht. BP musste gerade mal 4,5 Milliarden Dollar Strafe zahlen, über fünf Jahre verteilt. Die Autoren weisen darauf hin, dass der Konzern allein 2013 das Fünffache der gesamten Strafe als Gewinn ausgewiesen hatte: 23,45 Mrd. Dollar. Und der „Run auf die Tiefsee hat inzwischen wieder Fahrt aufgenommen“. 

Bei der Atomenergie kann man sogar behaupten, die Atomwirtschaft wird nicht mal durch Schaden klug. Denn nach dem 11. März 2010 – also nach dem größten anzunehmenden Unfall im Reaktor des japanischen Kernkraftwerkes Fukushima hat nur Deutschland gegenwärtig den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen. Weltweit sind derzeit 437 Atomkraftwerke in Betrieb, 75 neue werden derzeit geplant oder gebaut. Es gibt kein Land, das den Atomausstieg in Erwägung zieht, wenn es Atomwaffen hat oder haben will. Der militärische Aspekt erklärt die hohen Subventionen für Atomenergie. 36 Milliarden Euro Steuergelder wurden allein in der EU 2012 für Atomkraft ausgegeben. 

Klaus-Werner Lobo/Hans Weiss: Schwarzbuch Markenfirmen. Die Welt im Griff der Konzerne | Online bestellen

Quelle

 Rupert Neudeck 2014 | Grünhelme 2014

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