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© Fotolia.com | XtravaganT | Erst wenige Haushalte verfügen über ein Smart Meter.

Photovoltaik: Grüner Solarbonus trifft auf Stromsystem

Wie kann Solarstrom, der in sonniger Mittagszeit im Überfluss vorhanden ist und teuer abgeregelt wird, als preiswerte Energie gerade bei solarfernen Haushalten landen? Nicht nur dieses Problem wollen die Grünen mit ihrem Vorschlag für einen Solarbonus beheben.

In acht Prozent aller Stunden wurden in diesem Jahr negative Börsen-Strompreisen verzeichnet – ein neuer Rekord. (Bild: aus dem DIW-Bericht)

Die Idee ist eigentlich bestechend. In diesem Jahr gab es in Deutschland bis in den November wegen eines zeitweise starken Überangebots an Strom mehr als 560 Stunden mit negativen Preisen an der Strombörse – so viele wie noch nie zuvor, vermerkt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin in einem Wochenbericht

Als wesentlichen Grund für steigende Zeiten mit negativen Preisen nennen die Forscher die stark gewachsene Zahl von Solaranlagen auf Dächern. So zeigten Daten der Bundesnetzagentur, in den „Negativ“-Stunden habe vor allem die Photovoltaik Strom erzeugt, gefolgt von Windkraft. Steinkohle- und Braunkohlekraftwerke, die früher noch größere Anteile an der Stromerzeugung in Negativpreisstunden gehabt hätten, spielten hier 2025 fast keine Rolle mehr, bilanziert das DIW.

Bei negativen Strompreisen wird in Deutschland Stromerzeugung abgeregelt, also vom Netz genommen. Das trifft vor allem die beiden erneuerbaren Energien Sonne und Wind. Die Betreiber erhalten zum Ausgleich eine Entschädigung für entgangene Einnahmen.

Bei diesem sogenannten Redispatch fallen noch weitere Aufwendungen an, etwa Kosten für die Einspeisung erneuerbarer Anlagen bei negativen Preisen sowie für hochfahrende Gaskraftwerke. Letztere entstehen, wenn Großverbraucher im Süden preiswerten Grünstrom im Norden kaufen, dieser aber wegen Netzengpässen nicht von dort bezogen werden kann und der „billige“ Strom dann ersatzweise von teureren Gaskraftwerken im Süden kommen muss.

Solarstrom auch für Haushalte ohne Solaranlage

2024 kostete der gesamte Redispatch in Deutschland um die 2,7 Milliarden Euro, 2023 waren es noch mehr als 3,3 Milliarden gewesen. Die Milliarden werden auf die Netzentgelte umgelegt und von den Stromkunden über den Strompreis bezahlt.

Ein Teil der Redispatch-Kosten resultiert dabei aus der Vergütung für den produzierten Strom, die den Erzeugern zustehen würde, erläutert Strommarktexperte Simon Müller. Bürgerinnen und Bürger zahlten über die Netzentgelte also für etwas, das sie gar nicht nutzen können, bemerkt der einstige Direktor des Thinktanks Agora Energiewende.

Solarstrom, der gerade um die Mittagszeit im Überfluss vorhanden und oft auch schon vergütet ist, nicht abzuregeln, sondern zu den Haushalten durchzuleiten, die bisher eher wenig von den Vorteilen der Photovoltaik profitieren – das stellt sich als frappierende Kernidee des „Solarbonus“ dar. Den hat Simon Müller für die Grünen entwickelt – und den beschloss die Partei auf ihrem jüngsten Parteitag.

Das Konzept könnte sich teilweise sogar selbst finanzieren. Denn muss der Solarstrom nicht abgeregelt und entschädigt werden, sondern wird er in den Haushalten genutzt, sinken möglicherweise die Kosten für den Redispatch.

„Da der Strompreis häufig sogar negativ ist, ließen sich tatsächlich Einsparungen erzielen“, bestätigt Müller. Allein im Zeitraum von Mai bis August 2025 haben nach seinen Angaben die Kosten für die Vermarktung von Wind- und Solarstrom zu negativen Zeiten an der Strombörse bei rund 200 Millionen Euro gelegen.

Solarbonus soll helfen, den Verbrauch zu flexibilisieren

Die entscheidende Hürde ist nur: Man muss den Überschuss-Strom irgendwie zu den Verbrauchern bringen – und möglichst zu den Haushalten, die keine eigene Photovoltaik-Erzeugung auf dem Dach, im Garten oder auf dem Balkon haben und auch von diesen nutzen zu lassen. 

Den Grünen schwebt da eine durchdigitalisierte Stromwelt vor, in der der größte Teil der Haushalte – mit Smart Meter, dynamischem Stromtarif und möglichst noch einem Stromspeicher versehen – den bislang abgeregelten Solarstrom gewissermaßen „aufsaugt“ und gleich oder später verbraucht.

Damit der Solarbonus seine Vorteile ausspielen kann, ist zum Beispiel die 15-minütige Abrechnung des Stromverbrauchs eine Voraussetzung, betont Simon Müller. Dafür sollen aber auch einfachere Smart Meter ausreichen, die nicht in den Stromverbrauch der Haushalte eingreifen.

Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin hält es ebenfalls im Sinne der Energiewende für nützlich, den Stromverbrauch auf die Mittagszeit zu verschieben. „Um dies allerdings sinnvoll abrechnen zu können, wären Smart Meter erforderlich“, meint auch der Energieforscher.

Smart-Meter-Rollout könnte sich beschleunigen

Die intelligenten Messsysteme seien zwar in Deutschland bislang nur in sehr geringer Stückzahl vorhanden, ein Solarbonus könnte aber die Attraktivität für den Einbau von Smart Metern steigern, hebt Quaschning hervor. Allerdings wäre der bürokratische Aufwand für die Umsetzung der Solarbonus-Idee seiner Ansicht nach sehr hoch.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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