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Quo Vadis CO2-Bepreisung

Die öffentliche Diskussion um eine CO2-Bepreisung nimmt Fahrt auf.

Das gilt sowohl für die Regierungskoalition wie für die Medien. Allerdings gehen die Meinungen über das was und wie noch weit auseinander. So etwa bei der möglichen Höhe eines Preises. Während Umweltministerin Svenja Schulze von 20 Euro pro Tonne spricht, empfiehlt Patrick Graichen, Chef der Denkfabrik Agora Energiewende, mindestens moderate 50 Euro. Und Kanzlerin Angela Merkel erklärte, bis Jahresende werde die Bundesregierung entscheiden, „ob wir sektorweise CO2 einsparen oder ob wir die Bepreisung von CO2 insgesamt noch stärker in den Fokus rücken“. Sogar Bundeswirtschaftsminister Altmaier, bislang ein ausgewiesener Feind dieser Thematik, meinte, “dass eine CO2-Bepreisung in irgendeiner Form wohl kommen” werde. 

Ein Konzept ist also noch nicht erkennbar. Geht es überhaupt um eine Steuer, eine Abgabe oder um ein anderes System, wenn etwa der Vorsitzende der Unions-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Carsten Linnemann, fordert, der CO2-Preis dürfe … nicht als Steuer erhoben werden, sondern durch Ausgabe von Verschmutzungszertifikaten? Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Joachim Pfeiffer, hält es für richtig, “den Emissionshandel auf Bereiche wie Verkehr und Gebäude auszudehnen”. Allerdings müsse man “europaweit und international verknüpft” vorgehen. 
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hatte als erste vorgeschlagen, den Ausstoß von CO2 künftig auch in den Sektoren, die nicht vom EU-Zertifikatehandel (ETS) erfasst werden, durch Verteuern zu verringern. Der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) zufolge sind sich Union und SPD einig, dass das durch die Abgabe auf CO2-Ausstoß eingenommene Geld den Bürgern auf anderem Wege wieder zurückgegeben werden müsse. Die FAS glaubt zu wissen, ein entsprechender Konsens in der Koalition zeichne sich ab. Auf alle Fälle müsse die künftige CO2-Bepreisung so gestaltet werden, “dass keine zusätzlichen Belastungen für Unternehmen und Bürger entstehen”.

In den Medien wird der Wirrwarr weder konkretisiert noch kritisiert. Es wird blumig berichtet und kräftig positiv bewertet, so als ob es sich um die Aufstellung der Fußball-Nationalmannschaft handele. Aber zugleich bleibt es merkwürdig abstrakt und im luftleeren Raum fehlender Bezüge zur realen Klimasituation hängen. Die Frage, ob daraus Belastungen entstehen, wird weitgehend weggeredet. Die „Luftverschmutzer sollen in Deutschland künftig bezahlen – die Bürger sollen im Gegenzug an anderer Stelle entlastet werden“, so die FAS am 28.04.2019. Ganz abgesehen davon, dass dies eine Spekulation bleibt, fehlt eine Einordnung in die klimapolitischen Ziele der Regierungspolitik. Wie viel Klimagase sollen eingespart werden, wie viel kann man mit marktregulierenden Mitteln überhaupt einsparen? 

Grünen-Chefin Annalena Baerbock kritisierte denn auch, dass ein CO2-Preis nicht ausreiche. “Wer Klimaschutz allein über den Preis regeln will, setzt eine soziale Unwucht in Gang und wird die Klimaziele nicht erreichen.” Zu einer starken ökologischen Marktwirtschaft gehöre ein starkes Ordnungsrecht.  Es brauche einen klaren politischen Rahmen, allen voran ein Kohleausstiegsgesetz und ein definiertes Ende des fossilen Verbrennungsmotors. Und Baerbocks Kollege Robert Habeck verlangt, dass „das Kohleausstiegsgesetz in diesem Jahr kommt“ und ein „Preis für CO2 auf den Weg gebracht wird“. Ihm schwebt eine CO2-Steuer vor, die er mit einem sogenannten Energiegeld, welches alle Bürger in gleicher Höhe bekommen sollen, sozial gerechter gestalten will. „Das schafft eine gewisse soziale Abfederung und setzt gleichzeitig einen Anreiz, Energie zu sparen“, so Habeck in der Bild am Sonntag.

Dabei liegen viele der Stolpersteine offen zu Tage. So ist von Klimagasen – oder Treibhausgasen, wie man früher sagte – nirgends die Rede, sondern nur von einem einzigen, dem CO2. Andere Treibhausgase, z.B. Methan, Lachgas, Stickoxid, um nur einige zu nennen, kommen im Medienhype nicht vor. Auch der, zumindest in der Energiewendebewegung nicht unbekannte Terminus der „CO2-Äquivalente“, bleibt ein Fremdwort. Und die daraus folgende, zweite wichtige Frage, wie solle mit den anderen Klimagasen umgegangen werden, bleibt unbeantwortet. Und weiter, gibt es so etwas wie ein Verursacherprinzip, das angewendet werden soll?

Ein blinder Fleck auf der Landkarte des allseitigen Optimismus, der auch in der Energiewendebewegung stellenweise zu grassieren scheint, bildet das ETS, also das bestehende Emissionshandels System mit CO2-Zertifikaten. Es fristete jahrelang ein Kümmerdasein und gilt als Misserfolg. Aber bei genauerem Hinsehen wird klar, dass es wohl gar kein Erfolgsmodell sein sollte. Die großen Emittenten sollten geschont werden. Je nach Standpunkt könnte man also auch formulieren, das ETS habe seinen Zweck erfüllt. Kanzlerin Merkel hatte zu Beginn des ETS großen  deutschen Energieversorgern die Zertifikate sogar geschenkt. Aktuell ist das ETS in Bewegung gekommen. Das geht auf einen Beschluss des EU Ministerrates zurück, der in der Zeit von 2019 bis 2023 die Zahl der Zertifikate planmäßig verringern will. Ziel sei, einen Preis von 70 Euro pro Tonne zu erreichen.

Wie das mit den nationalen Ideen zusammen passen soll, die durch die deutsche Landschaft irrlichtern, bleibt vorerst unklar. Klar ist hingegen, dass große Kohleverstromer, die ihre alten Kraftwerke hierzulande stilllegen, nicht nur eine staatliche Entschädigung beanspruchen, sondern ihre überflüssigen Zertifikate verkaufen können. Da dürfte auch der Umstieg von Kohle- auf Gasmotorenkraftwerke ein ordentliches Verkaufssümmchen einbringen. Damit soll deutlich gemacht werden, die großen Energiekonzerne haben wohl wenig Bereitschaft, für eine wie auch immer geartete CO2-Bepreisung Geld aus zu geben. Im Gegenteil, sie sind Meister im tricksen und täuschen und suchen Wege, sich aus der Schlinge zu winden.

Dem allgemeinen Grundtenor, es solle sozial gerecht gestaltet werden, muss man also mit großem Misstrauen begegnen. Grundsätzlich bedeuten Umweltabgaben und -steuern eine zusätzliche, finanzielle Belastung für die Verbraucher. Tatsächlich geben in Deutschland die sozial Schwächeren relativ gesehen einen viel höheren Anteil ihres Einkommens für CO2-intensive Produkte aus – obwohl absolut gesehen die Reicheren mehr CO2  in die Luft blasen. Das verschärft die soziale Ungleichheit und verringert die gesellschaftliche Akzeptanz von CO2-Preisen, wie das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH aus Berlin feststellte.

Aber MCC meint auch, man könne dies anders machen und eine CO2-Bepreisung dazu nutzen, die schwächeren Haushalte besonders zu entlasten. Ob die großen Emittenten und die Große Koalition die Bereitschaft dazu haben oder momentan nur eine große Show abziehen – man wird sehen. Aber man sollte die Erfahrungen mit dem Mieterstromgesetz (und einigen anderen) nicht vergessen. Mit Euphorie alleine geht nix, sondern alles schief.

Quelle

Der Bericht wurde von der Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Klaus Oberzig) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 01/2019 | Das Inhaltsverzeichnis zum Download!

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