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CO₂-Budgets: UBA-Papier sieht Deutschland nicht auf 1,5‑Grad‑Kurs

Auch wenn die CO2-Minderungsvorgaben des Klimaschutzgesetzes erfüllt sind, wird Deutschland seinen fairen Anteil am Pariser 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten. Das stellt ein jetzt veröffentlichtes Hintergrundpapier des Umweltbundesamtes zu CO2-Budgets fest.

Aufgabe des Umweltbundesamtes ist es, jede Bundesregierung darin zu unterstützen, ihre Umwelt- und Klimaziele zu erreichen, und zu prüfen, ob die entsprechenden Ziele und Maßnahmen ausreichen. So jedenfalls umriss UBA-Präsident Dirk Messner kürzlich den Auftrag seiner Behörde im Interview mit Klimareporter°.

Sein Haus stehe daher mit jeder Regierung in einem gewissen Spannungsverhältnis, fuhr Messner fort. Man sei Berater und Kritiker zugleich.

Als Kritiker hat das UBA allerdings zuletzt an Profil verloren, gerade in der Klimapolitik. Festmachen lässt sich das an dem im Frühjahr vorgelegten Projektionsbericht 2024. Der vom UBA erstellte Klimabericht sagte für Deutschland eine Treibhausgas-Minderung von knapp 64 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 voraus. Das deutsche Klimaziel beträgt 65 Prozent.

Entsprechend freute sich im April Robert Habeck. „Zum ersten Mal überhaupt zeigen die Zahlen: Deutschland ist auf Kurs“, erklärte der grüne Klimaminister.

Allerdings wurde die Projektion des beratend-kritischen UBA umgehend selbst Ziel berechtigter Kritik. So wurden in das Zahlenwerk CO2-Maßnahmen einberechnet, deren Finanzierung bereits einige Zeit obsolet war.

Der Expertenrat für Klimafragen kritisierte auch methodische Mängel. Das UBA habe darauf verzichtet, Wahrscheinlichkeiten anzugeben, mit denen das Klimaziel 2030 erreicht wird, bemängelte das unabhängige Gremium. Die Angabe solcher Wahrscheinlichkeiten ist Standard in der Klimawissenschaft.

Die Vorwürfe ließen das Umweltbundesamt offenbar nicht ruhen. Den Eindruck vermittelt ein jetzt veröffentlichtes, von Expertinnen und Experten der Behörde erstelltes Hintergrundpapier zu „Grundlagen von CO2-Budgets“.

CO2-Budgets machen Klimapolitik politisch verhandelbar

Dass sich das UBA der CO2-Budgets annimmt, begrüßt Wolfgang Lucht vom Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), der die Bundesregierung berät. „Ohne einen solchen Maßstab ist der aktuelle Stand der Klimapolitik nicht einzuordnen und damit politisch nicht verhandelbar“, erklärt Lucht gegenüber Klimareporter°.

Zwar würden sich die meisten Staaten einer ambitionierten Klimapolitik rühmen, die Summe aller derzeitigen Maßnahmen führe aber bei Weitem noch nicht in die Nähe der Pariser Klimaziele, bilanziert der Erdsystemwissenschaftler. Diese Ziele einzuhalten, hätten sich alle Staaten aber aus gutem Grund verpflichtet, betont er.

Das Paris-Abkommen verteilt das globale CO2-Restbudget bekanntlich nicht von oben nach unten („top-down“), vielmehr baut es darauf, dass die Länder mit ihren nationalen Klimaverpflichtungen eine ausreichend ehrgeizige Klimapolitik von unten („bottom-up“) verfolgen, um das 1,5-Grad-Limit für die Erderwärmung nicht zu überschreiten.

Dieser Bottom-up-Ansatz verlange regelmäßige Ambitionssteigerungen bei den nationalen Klimaplänen, konstatieren die UBA-Fachleute in ihrem Hintergrundpapier. Sie sehen die Anstrengungen der Länder aber als nicht ausreichend an. Derzeit überziehen die Staaten absehbar das 1,5-Grad-kompatible globale Restbudget, schreiben sie.

Gemessen an den globalen Emissionen seien die CO2-Restbudgets mittlerweile relativ klein, stellt das Papier zudem fest. Weltweit dürfen nur noch 250 Milliarden Tonnen CO2 emittiert werden, um das 1,5-Grad-Limit mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit einzuhalten, heißt es weiter. Die 250 Milliarden geben den aktuellen Stand der Klimawissenschaft wieder.

Die globale Erwärmung folgt fast linear den seit 1850 von Menschen verursachten CO2-Emissionen. (Bild: Deutsche IPCC-Koordinierungsstelle, aus dem sechsten IPCC-Sachstandsbericht).

Globales Restbugdet erschöpft sich schneller als angenommen

Das UBA-Papier geht sogar einen Schritt weiter. Angesichts der 2023 erreichten globalen Durchschnittstemperatur und der für 2024 erwarteten Temperaturen sei es durchaus möglich, dass das globale Restbudget für 1,5 Grad bereits „deutlich kleiner“ als die 250 Milliarden Tonnen ist, wird gewarnt.

Bei weltweiten CO2-Emissionen von weiterhin fast 40 Milliarden Tonnen jährlich bedarf es keiner großen Rechenkunst, um festzustellen, dass damit das 1,5-Grad-Budget der Menschheit bald erschöpft sein wird, möglicherweise schon vor 2030.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2024 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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