‹ Zurück zur Übersicht
pixabay.com | rodobby

© pixabay.com | rodobby

Koalition verwässert und verteuert Kohleausstieg weiter

Am Dienstag befasste sich der Wirtschaftsausschuss des Bundestages mit dem Kohleausstiegsgesetz. Die offenbar beschlossenen und Klimareporter° vorliegenden Änderungen zeigen: Schwarz-Rot verlängert und verteuert den Ausstieg aus der Kohle noch mehr und entmachtet nebenbei das Parlament.

Bis zur Sommerpause soll der Kohleausstieg vom Bundestag beschlossen sein. Dieses Vorhaben will die Koalition offenbar auf Biegen und Brechen durchziehen. Das zeigen die vom Wirtschaftsausschuss des Bundestages heute beschlossenen und Klimareporter° vorliegenden Änderungen am Kohleausstiegsgesetz (KVBG) in aller Deutlichkeit.

Zugleich spiegelt sich darin die geschwächte Lage der Braunkohleindustrie wider, wie eine erste Durchsicht des fast zweihundert Seiten starken Ausschusspapiers zeigt.

Das Papier firmiert intern als „Formulierungshilfe“ aus dem Wirtschaftsministerium und soll am morgigen Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden – die Regierung gibt also den parlamentarischen Änderungen praktisch ihren Segen.

Die skandalträchtigste Änderung ist, dass der sogenannte öffentlich-rechtliche Vertrag, der zur Abschaltung der Braunkohlekraftwerke mit deren Eigentümern abgeschlossen werden soll, dem Bundestag nicht mehr zur Zustimmung vorgelegt werden, sondern dort nur noch zur Kenntnis genommen werden soll.

Der im bisherigen Gesetzentwurf noch seitenlange Paragraf zu dem öffentlich-rechtlichen Vertrag wurde vom Ausschuss auf einen einzigen Satz zurechtgestutzt. Der Skandal selbst steckt in der Erläuterung zum entsprechenden Paragrafen 49.

Die Bundesregierung wird ermächtigt, heißt es dort, „einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit den Betreibern von Braunkohleanlagen und -tagebauen abzuschließen“. Dazu habe die Regierung bereits intensive Verhandlungen mit den Betreibern von Braunkohleanlagen und -tagebauen geführt.

Selbstentmachtung der Abgeordneten

Und dann wörtlich: „Das Bundeskabinett hat den mit den Betreibern verhandelten Vertragsentwurf am 24. Juni 2020 zur Kenntnis genommen und den Bundesminister für Wirtschaft und Energie ermächtigt, sofern der Bundestag das Kohleausstiegsgesetz beschließt und die erforderliche Ermächtigungsgrundlage in Paragraf 49 KVBG in Kraft tritt, diesen Vertrag in Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu unterzeichnen. Im Übrigen wird das Bundeskabinett diesen Vertragsentwurf dem Bundestag zur Kenntnis weiterleiten.“

Dass eine erst morgen stattfindende Zustimmung des Regierungskabinetts im Gesetzentwurf vorweggenommen wird, kennt man ja eher aus autokratischen Staaten – aber geschenkt.

Gegenüber der ursprünglichen und jetzt gestrichenen Formulierung, dass der Vertrag „mit Zustimmung des Bundestages“ geschlossen wird, soll dieser dem Parlament jetzt nur noch zur Kenntnisnahme weitergeleitet werden – sofern der Bundestag dem Gesetz zustimmt.

Das ist perfide Machttechnik: Lehnt ein Abgeordneter den Passus ab, muss er gegen das ganze Gesetz stimmen und steht als Kohleausstiegsverhinderer da. Stimmt der Abgeordnete dem Gesetz zu, weil er vielleicht den Kohleausstieg gut findet, entmachtet er sich selbst.

Und wer den Bundestag kennt, weiß auch, dass so eine „Kenntnisnahme“ in dem Fall auch bedeuten kann, dass nur einige wenige Abgeordnete in der Geheimschutzstelle des Bundestages Einsicht nehmen können – und natürlich nichts kopieren und noch weniger darüber erzählen dürfen. Dass die Abgeordneten im Wirtschaftsausschuss eine solche Selbstdemontage selbst beschlossen haben, ist fast nicht zu glauben.

An der Höhe der Entschädigungen für das Rheinische Braunkohlerevier – 2,6 Milliarden Euro – und für das Lausitzer Revier – 1,75 Milliarden Euro – ändert sich laut dem Gesetzentwurf kein Cent. Es werden jetzt lediglich die Geldempfänger genauer genannt: die RWE Power AG sowie die Lausitz Energie Kraftwerk AG, Tochterunternehmen des Lausitzer Braunkohlebetreibers Leag.

So wird der Zeitraum der reinen Ausschreibungsphase, in der sich Betreiber um die Stilllegung ihrer Steinkohle-Anlagen bewerben können, von 2024 um ein Jahr auf 2027 verlängert. Die Steinkohle-Stilllegung allein per Gesetz soll sogar erst vier Jahre später beginnen – 2031 statt 2027. …

Hier können Sie den Bericht weiterlesen

 

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2020 verfasst – der Artikel
darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

Diese Meldung teilen

‹ Zurück zur Übersicht

Das könnte Sie auch interessieren