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Eichborn Verlag

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Die Hungrigen und die Satten

Pflichtlektüre nicht nur für Innenminister und US-Präsidenten

Am Ende steht „die Bereitschaft der Bevölkerung, mehr Opfer aufzunehmen und vor den Behörden zu verstecken“. Doch zuvor müssen erst über 300.000 Menschen eines qualvollen Todes an einem mauerähnlichen Grenzzaun sterben. Den hatte ein nassforscher deutscher Innenminister halsüberkopf aus dem Boden stampfen lassen. Eine Utopie, die am vergangenen Montag die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer als reale Möglichkeit beschrieb.

Zugegeben: „Die Hungrigen und die Satten“ ist nur eine Gesellschaftssatire, eine Fiktion. Aber nach dem Lesen fragt man sich fast automatisch: Was wäre wenn – wie in Timur Vermes` Roman – eine mutige Fernsehreporterin die Belegschaft eines Flüchtlingslagers in der Sahara oder im Nahen Osten tatsächlich für die Wanderung nach Westeuropa begeistern könnte?

Aus welchen Gründen sie auch immer aus ihrer Heimat geflohen sind: Diese Menschen haben ohnehin nur ihr Leben zu verlieren. Und ob sie es auf einem Marsch durch viele Länder auf´s Spiel setzen oder auf einem Schleuserboot über`s Mittelmeer: Was ist der Unterschied? Doch: einen gibt es. Diese Hungrigen nehmen ihr Leben selbst in die Hand. Sie hoffen auf ein besseres. Sie folgen Nadeche Hackenbusch und deren Geliebtem Lionel: Den hat sie im Lager kennengelernt, und ihm zuliebe startet sie den Marsch auf Europa, zu den Satten. Es wird die längste Reportage der Fernsehgeschichte. Scherzkekse nennen das die „Hackenflucht“.

Aber „D´r Zoch kütt“ quer durch die Türkei, Rumänien, Österreich. Nirgends wird er aufgehalten. Bis die Karavane am Ende an Deutschlands Grenze kommt. Nein, mehr wird hier nicht verraten.

Nur so viel: Ein älterer Innenminister ist wegen seiner Sympathie für die mutige Moderatorin umgebracht worden. Und sein junger Nachfolger meint: Ein elektrisch geladener Zaun aus scharfem Stahl könnte die fliehende Menschenmasse stoppen. So wie US-Präsident Donald Trump eine Mauer an der Grenze zu Mexiko fordert. So wie Ungarns Machthaber Viktor Orbán glaubt, ein Zaun könne Flüchtende aufhalten. So wie Deutschlands Innenminister Horst Seehofer auf eine gesetzliche Obergrenze für Immigranten setzt. So wie Bayerns oberster Polizist Joachim Herrmann eine eigene Grenztruppe installiert, um Immigranten abzuschrecken.

All das würde nichts helfen, wenn hungrige Menschen aus oft von reichen Ländern armgemachten Staaten sich auf den Weg machen, um satt zu werden im „Goldenen Westen“. Was dann passieren könnte, hat Timur Vermes eindrucksvoll beschrieben. Deshalb ist sein zweiter Roman noch viel wertvoller als „Er ist wieder da!“ Auch wenn „Die Hungrigen und die Satten“ wohl kein solches Millionenpublikum finden wird also die sogar verfilmte Hitler-Satire. Leider. Denn das neue Buch macht betroffen.

Gerade deshalb sollte es Pflichtlektüre sein für Innenminister, Regierungschefs, CDU-Parteivorsitzende, Polizisten, Ordnungsamts-Mitarbeiter. Und für normale (?) Leute, die plärren: „Wirtschaftsflüchtlinge raus!“ Genau für die sollte ein Fonds der Landes- und Bundeszentralen für Politische Bildung eingerichtet werden. Aber auch allen mitfühlenden Menschen sei dieses Buch wärmstens empfohlen. 

Quelle

Der
Bericht wurde von der Deutsche
Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (Heinz Wraneschitz) 2019
 verfasst – der
Artikel darf nicht ohne Genehmigung weiterverbreitet werden! | SONNENENERGIE 04/2018 |
Das Inhaltsverzeichnis zum Download!

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