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© Depositphotos | kamilpetran | Eine Pigou-Steuer könnte den Kohleausstieg beschleunigen.

Sinkende Emissionen und doch kein Klimaschutz

In Deutschland sind die Emissionen 2019 laut vorläufiger UBA-Bilanz etwas gesunken. Warum wir dennoch keinen Schritt Richtung Klimaschutz erreicht haben.

In Deutschland sind 2019 laut der vorläufigen Treibhausgas-Bilanz des Umweltbundesamtes (UBA) die Treibhausgasemissionen um 6.3 % gesunken.  Laut Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat Deutschland 2019 „einen großen Schritt beim Klimaschutz geschafft“.

Tatsächlich glauben viele Menschen, bis hinein zu Teilen der Klimaschutzbewegung, dass mit einem Rückgang der Treibhausgasemissionen auch die weitere Erwärmung der Atmosphäre gestoppt oder gar eine Abkühlung einhergehen würde. Doch dies ist schlicht falsch. Selbst mit einem Rückgang der Emissionen wird die Treibhauskonzentration der Atmosphäre weiter steigen, denn es werden ja weiter erhebliche Mengen in die Atmosphäre emittiert. Damit beschleunigt sich die Geschwindigkeit der irdischen Temperaturaufheizung sogar weiter.

Dabei ist der Klimanotstand auf der Erde ja bereits heute weit verbreitet. Ganze Weltregionen befinden sich ja schon in Ausnahmezuständen – wie das südliche Afrika, wo zuletzt durch den Wirbelsturm Idai über 1.300 Menschen starben und ein Jahr später noch immer 200.000 Häuser beschädigt oder komplett zerstört sind.

Deshalb war das Ziel der Bundesregierung, 40% Emissionsreduktion bis 2020 anzustreben, von Anfang an unverantwortlich niedrig, und erst recht das Ziel bis 2050 80% bis 90% an Emissionen zu reduzieren. Was wir brauchen ist eine Nullemissionswelt bis 2030.

Nun aber zur Frage, ob denn die berechnete Treibhausgasemissionsreduktion von 6,3% in 2019 tatsächlich einer entsprechenden gesamten Emissionsreduktion gleichkommt und ob dies nachhaltig ist, also in den nächsten Jahren ähnliche Reduktionen zu erwarten sind.

Einer der größten Posten der Treibhausgasemissionsreduktionen wurde durch höhere Preise im Emissionshandel verursacht: So sind Kohlekraftwerke abgeschaltet worden und zum Teil durch Erdgaskraftwerke ersetzt worden. Damit ergeben sich tatsächlich niedrigere CO2- Emissionen in Deutschland, aber durch die Umstellung auf Erdgas nicht niedrigere Treibhausgasemissionen bei Berücksichtigung der gesamten Kette der Erdgasbereitstellung. Die hohen Methanemissionen bei der Förderung und beim Transport des Erdgases z.B. in Russland machen die CO2-Minderungen in Deutschland mindestens wieder wett. Unter dem Strich wird also mit dem Wechsel von Kohle zu Erdgas kein Klimaschutz erreicht

Diese im Ausland verursachten Methanemissionen durch Erdgasnutzung im Inland gehen nicht in die nationale Bilanz ein.  Aber der Atmosphäre ist es egal, wo die Emissionen entstehen, am Schornstein des Erdgaskraftwerkes in Deutschland oder an der Erdgasbohrstelle in Russland. Hier täuscht die Bundesregierung also nur einen Klimaschutzerfolg vor, der in Wirklichkeit nicht vorhanden ist.

Ehrlicher ist Umweltministerin Schulze dann mit dem Einfluss der Erneuerbaren Energien. Sie sind neben den Erdgaskraftwerken die Hauptquelle der berechneten Emissionsreduktion für 2019. Zu Recht betont sie, dass die dadurch erfolgten Reduktionen kaum durch den Neubau von Erneuerbaren Energien verursacht wurden, sondern im Wesentlichen nur durch besonders viele Sonnenstunden und viel Wind in 2019.

Ihre Schlussfolgerung, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien wesentlich verstärkt werden muss, ist vollkommen richtig. Doch genau das schafft die Bundesregierung, der sie ja angehört, nicht. Es gibt seit vielen Monaten Stillstand in den dringend politisch erforderlichen EEG-Änderungen, wie die Aufhebung des 52 GW-Deckels in der PV, dem Verhindern der Ausbaubremsen bei der Windkraft mit der 1000 Meter Abstandsregelung oder zu niedrigen Offshore-Windzielen. Genauso wenig wird ein Wiedererstarken der bürgerlichen Investitionen gefördert, z.B. mit einem Zurück zur festen Einspeisevergütung statt den Ausschreibungen.

Es ist sogar zu erwarten, dass die Emissionen in den kommenden Jahren wieder steigen, da die Bundesregierung nichts tut um die drohende Schließung vieler Bestandsanlagen von Biogas, Windkraft und Solarkraft nach dem Ende der Vergütungszahlungen ab 2021 zu verhindern. Selbst wenn, was sich abzeichnet, die Coronakrise eine erhebliche CO2-Emissionsreduktion in 2020 bewirken wird, so kann auch das nicht als Klimaschutzerfolg bezeichnet werden, da ja die Umsetzung struktureller wirtschaftlicher Veränderung hin zu einer Nullemissionswirtschaft nicht wirklich stattfindet. Im schlimmsten Falle behindert die Coronakrise sogar die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien, weil die wirtschaftlichen Einbrüche auch den Klimaschutzsektor betreffen, der nun ebenfalls in Schwierigkeiten kommt.

Der Ausbau und Bestandschutz des Ökostromes ist der Kern des Klimaschutzes, denn der Ökostrom muss in die E-Antriebe im Verkehr und die Wärmepumpen der Heizungen, er muss als grüner Wasserstoff in die Industrie. Die vorgelegte Klimabilanz 2019 zeigt ja erneut auf, dass der Verkehrs- und Wärmesektor ihre Emissionen sogar gesteigert haben. 

Die rechnerischen 6,3 % Emissionsreduktion in 2019 täuschen darüber hinweg, dass die Bundesregierung weiterhin vollkommen untätig ist, was den Klimaschutz betrifft. Für 2020 zu warten, dass nochmal mehr Wind weht und Sonne scheint, ist nicht genug und das stärkere Emittieren von Methan in Russland durch den Umstieg von Kohle auf Erdgas in Deutschland hilft dem Klima gar nichts. Echte positive Effekte für den Klimaschutz kann die Bundesregierung auch in der Bilanz 2019 nicht vorweisen.

Quelle

Hans-Josef Fell 2020Präsident der Energy Watch Group (EWG) und Autor des EEG

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