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pixabay.com | PublicDomainPictures | 55 Millionen Menschen weltweit jedes Jahr von Dürren betroffen.

© pixabay.com | PublicDomainPictures | 55 Millionen Menschen weltweit jedes Jahr von Dürren betroffen.

WWF-Report: Mit der Klimakrise kommt die Dürrekrise

Dürrerisiko für Europas Energieversorgung und Landwirtschaft wächst

Mit der Klimakrise kommt die Dürrekrise. Davor warnt der WWF Deutschland in einem neuen Report, der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Demnach hat die Dürrekrise weltweit Fahrt aufgenommen. In Europa werden diese Wetterextreme durch die Erderhitzung immer wahrscheinlicher und gefährden zunehmend die Energieversorgung oder den Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Kartoffeln, Weizen und Mais.

„Dürren zerstören wichtige Ökosysteme und gefährden die Ernährungssicherheit. Sie befeuern soziale Unruhen und politische Konflikte. Die Staatengemeinschaft muss ihre Klimabeiträge deutlich erhöhen, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen – sonst setzt sich die fatale Dürrespirale weltweit fort“, so WWF-Süßwasserexperte Philipp Wagnitz vom WWF Deutschland.

„Die EU muss ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 möglichst um 65 Prozent gegenüber 1990 verringern und die Ziele des Pariser Abkommens mit wirkungsvollen Maßnahmen unterlegen. Noch dieses Jahr brauchen wir ein wirksames nationales Klimaschutzgesetzespaket, um das 40 Prozent-Reduktionsziel der Bundesregierung für 2020 zumindest mit minimaler Verspätung zu erreichen.“  

In einer Welt, die auch für ihre Energieversorgung stark vom Wasser abhängt – sei es zum Kühlen, als Transportweg oder als Wasserkraft –, führen häufigere und intensivere Phasen extremer Dürren zu akutem Ausfallpotenzial, warnt der WWF. Fast die Hälfte der weltweiten Wärmekraft – hauptsächlich Kohle, Erdgas und Atomkraft – wird demnach in Gebieten mit hohem Dürrerisiko produziert. 43 Prozent der gesamten Süßwasserentnahme in Europa wird für die Kühlung von solchen thermischen Kraftwerken genutzt. Allein in Spanien sind über 50 Prozent der 269 erfassten Kraftwerke einem hohen bis sehr hohen Dürrerisiko ausgesetzt. In Frankreich sind unter den 27 Kraftwerken mit hohem Dürrerisiko die Atomkraftwerke Flamanville, Blayais, Paluel und Penly.

Hohes Dürrerisiko besteht auch in Deutschland für die Kohlekraftwerke Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe und HKW Cottbus, sowie das Wasserkraftwerk Altheim und das Gaswerk Kirchmöser. Sie liegen alle in Brandenburg. „Weltweit ist der Bau neuer Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke angesichts der Dürrekrise aberwitzig. Auch Wasserkraft ist in Zeiten niedriger Wasserstände und wegen der vielfältigen Umweltauswirkungen keine grüne Alternative. Wind- und Solarenergie sind bereits heute wirtschaftlich auf dem gleichen Ertragsniveau und müssen Vorfahrt haben“, fordert Philipp Wagnitz.  

Laut WWF-Report liegt der Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Mais und Reis bereits heute zu 22 Prozent in Gebieten mit hohem bis sehr hohem Dürrerisiko. Dazu sagt Philipp Wagnitz: „Dürren bedrohen die Lebensgrundlage von Millionen von Landwirten weltweit und zunehmend auch in Deutschland. Für wasserintensive Wirtschaftszweige wie Landwirtschaft, Bergbau oder Energie, muss der nachhaltige Umgang mit Süßwasserressourcen in Risikogebieten verpflichtend sein. Innerhalb von EU-Handels-, Investitions- und Wirtschaftsabkommen muss das Thema explizit eingebunden werden – so aktuell auch beim Freihandelsabkommen Mercosur, wo bei den Sozial- und Umweltstandards dringend nachgebessert werden muss.“  

Steigt das Dürrerisiko, wächst die Wahrscheinlichkeit von regionalen Konflikten um knappe Wasserressourcen. In politisch instabilen Ländern wie Syrien, Libanon, oder Palästina verstärken Dürren bereits bestehende Krisen. Besonders betroffen ist der Mittlere Osten, wo 90 Prozent der Landfläche in die höchste Risikokategorie für Dürren fällt. In Europa hat die Türkei, insbesondere in der Grenzregion zu Griechenland und Bulgarien, ein hohes Risiko für wasserbasierte Konflikte und Krisen, warnt der WWF.  

Weltweit befinden sich bereits 19 Prozent der Städte mit mehr als einer Million Einwohnern in Gebieten mit hohem bis sehr hohem Dürrerisiko – betroffen sind dort insgesamt rund 370 Millionen Menschen. Auf der Liste stehen sechs Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohnern: Delhi, Kairo, Karachi, Istanbul, Rio de Janeiro und Hyderabad. In Europa sind neben Istanbul derzeit unter anderem Madrid und Lissabon einem hohen Dürrerisiko ausgesetzt.

„Andere Städte wie Rom, Neapel, Athen und München könnten in wenigen Jahren beim Dürrerisiko nachziehen“, erwartet Philipp Wagnitz vom WWF. Denn auf der Nordhalbkugel der Erde erwarten Forscher in Metropolen künftig Klimabedingungen, wie sie heute mehr als tausend Kilometer weiter südlich bestehen.  

Hintergrund:

Der Report „Risiko Dürre. Der weltweite Durst nach Wasser in Zeiten der Klimakrise“ bewertet das Dürrerisiko für Städte, Anbaugebiete von Mais, Reis und Weizen, für Feuchtgebiete, für Kohle-, Atom- und Wasserkraftstandorte sowie Gebiete mit wasserbezogenen politischen Auseinandersetzungen. Dafür wertet der WWF vorliegende Daten aus und nutzt zusätzlich den WWF Water Risk Filter (WRF). Das jeweils ermittelte Dürrerisiko setzt sich zusammen aus physischen Risikoindikatoren: der aktuellen Eintrittswahrscheinlichkeit von Dürren (30 Prozent), aktuellem Wassermangel (20 Prozent), aktuellem Grundwasserstress (20 Prozent), der projizierten Änderung im Auftreten von Dürren (20 Prozent) und der projizierten Änderung im Wasserabfluss (10 Prozent). Das konkrete Dürrerisiko wird auf einer Skala von eins bis fünf angegeben, wobei eins ein sehr niedriges und fünf ein sehr hohes Risiko darstellt. Im Bereich von 3, 51 bis 4,5 spricht der WRF von einem hohen Risiko, von 4,51 bis 5 liegt ein sehr hohes Risiko vor.

WWF | Dürren zählen zu den verheerendsten Naturkatastrophen der Erde. Bereits heute sind durchschnittlich 55 Millionen Menschen weltweit jedes Jahr von Dürren betroffen. Deren direkte und indirekte Aus-wirkungen stellen uns zunehmend vor große Herausforderungen, da sie alle Bereiche unseres Lebens durchdringen: die lokalen Wasserversorgungssysteme, die natürliche Umwelt*, landwirtschaftliche Produktion, Infrastruktur, Energieversorgung und die lokale Wirtschaft.
Quelle

WWF 2019

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