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Solarglasproduktion ohne Gas mit 100% grünem Strom

Strom statt Gas für die Solarglasproduktion ist das Gebot der Stunde

Die durch den russischen Einmarsch in der Ukraine ausgelöste Gaskrise und die Reaktionen des Westens mit exorbitanten Preissteigerungen haben gezeigt, wie anfällig unsere industriellen Prozesse durch die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere Erdgas, sind. Dies gilt insbesondere für die Glasindustrie.

Durch die Verfügbarkeit von billigem Erdgas basieren fast alle Prozesse in der Wertschöpfungskette für Solarglas darauf, mit dem Ergebnis einer extremen Abhängigkeit. Hinzu kommt, dass alle fossilen Verbrennungsprozesse durch den CO2-Ausstoß klimaschädlich sind.

Schmelztechnologie mit Gas – billig (bis 2021) mit hohen CO2 Emissionen

Die Entwicklung von Schmelzöfen für fossile Brennstoffe begann mit dem von Charles William Siemens aus Westminster in England 1872 erfundenen kontinuierlichen regenerativen Glasschmelzofen. Durch den Regenerativprozess (Vorerhitzung der kalten Verbrennungsluft) stieg der Gesamtwirkungsgrad von 10-25% (je nach Größe) auf bis zu 50%, und mit Brennstoff/Sauerstoff (anstatt Luft) befeuerten Öfen auf einen Gesamtwirkungsgrad von bis zu 60%.

Die Verwendung von Erdgas, dessen Preis früher im Durchschnitt nur 30 % der Stromkosten betrug, machte den Prozess weniger kostspielig, obwohl der Gesamtwirkungsgrad von elektrisch beheizten Öfen bis zu 90 % erreichte. Die Emission von CO2 und anderen Stoffen durch die Befeuerung mit fossilen Brennstoffen war bis vor einigen Jahren kein Thema. Bei den heutigen Gaspreisen liegen die Energiekosten nun jedoch höher als die von Elektrizität.

Elektrische Schmelztechnologie – effizient und ohne CO2 Emissionen

Nur wenigen Fachleuten ist bekannt, dass das kontinuierliche vollelektrische Schmelzen fast so alt ist wie das gasbefeuerte regenerative Schmelzen. Der erste Elektroofen wurde 1905 nach dem Entwurf des Franzosen Sauvageon gebaut und diente der Herstellung von Fensterglas. Selbst kleine Elektroöfen haben einen thermischen Wirkungsgrad von 70-85 %, und der spezifische Energieverbrauch lag schon vor über 100 Jahren bei weniger als 0.9 kWh/kg. Trotz vieler Verbesserungen ist das elektrische Schmelzen allerdings aufgrund höherer Kosten im Vergleich zu den weithin verfügbaren billigen fossilen Brennstoffen für alle Massengläser immer unbeliebter geworden.

Erst die Klimakrise und der Druck auf den CO2-Fußabdruck haben das Interesse an vollständig oder teilweise (hybriden) elektrischem Schmelzen neu entfacht. Alternative Energiequellen für Strom haben dazu beigetragen, die Kosten zu senken, und den CO2 Ausstoß aus dem Verbrennungsprozess bei voll elektrischen Öfen bis auf 0 zu senken. Es bleiben lediglich die im Gemenge enthaltenen CO2 Anteile. Die Auslegung und der Betrieb aller elektrischen Schmelzöfen können in einer Vielzahl von Varianten erfolgen, je nach den zugrundeliegenden Anforderungen.

Aufgrund der elektrischen Ionenleitfähigkeit ist das vollelektrische Schmelzen für Kalk-Natron-Flachglas (Solarglas) durchaus geeignet.

Eine zentrale Rolle für Solarglas spielt das Erreichen einer gleichmäßigen und besonders stabilen Gemengeschicht. Zum anderen soll diese den Durchtritt von aus der Schmelze aufsteigenden Blasen (z.B. CO2, SO2) ermöglichen. Das Problem besteht darin, das zur Erreichung einer stabilen Gemengeschicht die Ziehgeschwindigkeit nur in einem sehr kleinen Bereich variiert werden kann.

Ist die Glasziehgeschwindigkeit zu gering, wird die Gemengeschicht dünner und Wärmeverluste führen dazu, dass eine ausreichende Läuterung zur Gewährleistung hoher Glasqualitäten nicht erreicht wird.

In der Regel weisen vollelektrische Schmelzöfen ein stabiles Arbeitsfenster im Bereich von 80 bis 110 % der Nennkapazität auf.

Elektroschmelzöfen führen zu potenziell niedrigeren Investitionskosten, da ein kleineres Ofenvolumen verwendet wird, keine Regeneratoren erforderlich sind und keine teuren Hochtemperaturgewölbe benötigt werden. Außerdem werden die verbrennungsbedingten gasförmigen Emissionen, z.B. CO2, NOx und Stäube, stark reduziert, so dass die Investitionskosten für Filteranlagen und die Betriebskosten sinken.

Aus betrieblicher Sicht ist es positiv, dass weniger Wartungsarbeiten (z.B. zur Reinigung von Regeneratoren) erforderlich sind, weniger Verflüchtigungen (geringere Rohstoffkosten) auftreten und geringere Reparaturkosten zu verzeichnen sind.

Außerdem ist der Wirkungsgrad nicht so stark von der Größe und Kapazität des Ofens abhängig wie bei fossil befeuerten Öfen.

Allerdings gibt es auch Nachteile

Derzeit sind Kapazitäten von 250 t Glas pro 24 Stunden möglich. Für größere Anlagen werden modulare Ansätze diskutiert, die eine praktikable Lösung zu sein scheinen.

Darüber hinaus wirken sich die oben erwähnte geringe Zugflexibilität, die kürzere Lebensdauer der Schmelzwannen und die geringere Erfahrung der Betreiber negativ auf den Einsatz dieser Technologie aus.

Kapazitätsbetrachtung

Eine Solarglasanlage mit 250t/d produziert netto ca. 5 mill. qm Solarglas (3,2 mm dick) im Jahr. Damit lassen sich PV-Module mit einer Leistung von ca. 1,25 GWp produzieren. Die von der EU veröffentlichten Ausbauziele gehen von einem Ausbau der PV Produktionskapazitäten in Europa von 30 MWp bis 2030 aus. Rein rechnerisch werden somit über 20 Solarglasanlagen mit je 250 t/d zur Deckung des Bedarfs gebraucht.

Da die beschriebenen Anlagen auch modular angelegt werden können, lassen sich z.B. zwei Schmelzwannen mit einer großen Gemengeaufbereitung und den nachgelagerten Veredlungsanlagen betreiben. Dies hat auch den Vorteil, dass unterschiedliche Glasstärken (z.B. 2 und 3,2 mm) produziert werden können und auch während der alle 8-10 Jahre notwendigen „Kaltreparatur“ auf jeweils einer Wanne weiter produziert werden kann.

PV-Stromerzeugung am Standort

Glasproduktionsanlagen haben einen immensen Platzbedarf.

Das Gelände, einschließlich großer Verkehrsflächen für die Logistik, umfasst meist eine Fläche von 4 – 5 Hektar. Auf dieser Fläche kann durch eine intelligente Auslegung mit Solarmodulen eine PV Anlage mit bis zu 6 – 7 MWp installiert werden. Bezieht man weitere Verkehrs- und Lagerflächen in der Umgebung mit ein, können bis zu 10 MWp installiert werden. An den meisten Standorten kann von einer solchen Dach- und Freiflächenanlage der gesamte Stromverbrauch für die Produktion vor Ort produziert werden, sofern Speichermöglichkeiten vorhanden sind. An windreichen Standorten können zusätzliche Windräder installiert werden, wodurch sich eine bessere Verbrauchsbilanz ergibt.

Damit die Vision vom Solarglas ohne Emissionen Wirklichkeit werden kann, erarbeitet die GridParity AG zusammen mit Glastechnologen und Investoren ein Konzept zum Bau der weltweit ersten voll elektrischen Solarglasfertigungslinie. Diese kann dann als Pilotanlage in Europe dupliziert werden.

Abbildung: Eine rechteckige vollelektrische Schmelzwanne mit oberen, seitlichen und unteren Molybdän-Elektroden. Mit freundlicher Genehmigung von IWG Wagenbauer und Glass Service   Dr. Erich Merkle, GridParity AG
Quelle

GRID PARITY 2022 | Dr. Erich Merkle

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