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IgenDesign/Alberto Vasquez

© IgenDesign/Alberto Vasquez

Eine Dusche ohne Wasserverbrauch

Alberto Vasquez hat ein Kanistersystem entwickelt, das bis zu 40 Liter pro Person am Tag sparen kann. Alles, was man dafür tun muss: duschen.

Welcher Kontinent kommt einem zuerst in den Sinn, wenn man das Wort „Wassermangel“ hört? In den meisten Fällen wird es Afrika sein. Vor allem das Gebiet südlich der Sahara ist für viele der Prototyp, geht es um wasserarme Regionen. Wassersparen ist dort keine Frage eines westlichen Umweltbewusstseins, sondern eine des nackten Überlebens.

Was viele nicht wissen: Auch anderswo ist der Zugang zu fließendem Wasser schwierig – oder wird es in naher Zukunft. Südamerika ist so ein Ort. Die Menschen dort sind häufig auf Wasserreservoirs oder Seen angewiesen, anders als hier in Deutschland, wo viel der Wasserversorgung über Flüsse passiert.

Diese Reservoirs – und damit die Wasserversorgung – sind aber zunehmend bedroht. Die Trockenperioden werden immer länger und härter. Hinzu kommt: Die Länder wachsen extrem und vor allem schnell, die Infrastruktur kann da oft nicht mithalten. Selbst wenn sie randvoll gefüllt sind, werden viele Wasserspeicher also schlicht zu klein.

Diesem Wassermangel will Alberto Vasquez entgegenwirken. Der Kolumbianer hat klein im eigenen Dorf angefangen: „Wir haben zuerst die Menschen ermutigt, einen Teil des Duschwassers in einem Eimer aufzufangen – was viele bereits von sich aus getan haben.“ Das habe schon erste Erfolge gezeigt, diente Vasquez aber vor allem als Inspiration für Gris.

Gris ist im Prinzip nichts anders als vier Kanister, die ineinander gesteckt werden und so eine Unterlage beim Duschen bilden. Die Behälter bestehen aus gut recycelbarem PET und fangen bis zu 95 Prozent des verbrauchten Wassers auf, sodass es weiterverwendet werden kann. Jeder Kanister fasst 10 Liter, macht insgesamt also bis zu 40 Liter Wasser pro Person und Tag, die eingespart werden können.

Wie nötig das ist, zeigt sich beispielsweise in Brasilien, wo erste Prototypen von Gris im Einsatz sind: Ein Bewohner São Paolos verbraucht durchschnittlich 170 Liter Wasser am Tag. Laut UN wären 110 aber völlig ausreichend. Die 40 Liter von Vasquez’ Gris-System könnte bereits für zwei Drittel der 60-Liter-Differenz aufkommen.

Was tun mit dem Grauwasser?

„Gris ist aus einem klassischen Design-Thinking-Ansatz heraus entstanden“, erklärt der Industriedesigner. „Ich habe das Problem gesehen und habe angefangen, eine sinnvolle Lösung dafür zu finden. Gerade im Social Design geht es schließlich auch immer darum, strukturelle Hürden zu überwinden.“

Den Markt schätzt Vasquez allein in Südamerika auf etwa 200 Millionen Menschen, da Gris ihnen einen geldwerten Vorteil bietet. Je nachdem, zu welchem Preis die Kanister letztlich produziert werden können, rechnet sich ein Set für 40 bis 100 Dollar für eine vierköpfige Familie bereits nach einem halben Jahr. Pro Monat könnten sie bis zu 5000 Liter Wasser sparen.

Vasquez plant, Anfang 2017 eine erste Reihe von 1000 Sets zu produzieren, um das System in einem noch größeren Maßstab zu testen und zu verbessern. Irgendwann soll es natürlich auch in anderen Teilen der Welt zur Verfügung stehen – auch entwickelten Ländern wie Deutschland.

Hier seien das Bewusstsein und die Motivation, Wasser zu sparen, viel größer. Aber: Viele wissen nicht, was man mit dem verbrauchten Duschwasser, sogenanntem Grauwasser, anfangen kann. „Wir benutzen bei vielen Dingen Trinkwasser aus einer Gewohnheit heraus, obwohl es oft gar nicht nötig ist.“ Toilettenspülung, Autowäsche, Waschmaschine, Blumengießen – die Liste ist lang und Vasquez kennt noch einige Möglichkeiten mehr.

Vasquez weiß, dass sein Gris-System nicht die eine Lösung für globalen Wassermangel ist. Es ist aber simpel anzuwenden und einfach zu verstehen. „Wenn wir Wassermangel wirklich effektiv bekämpfen wollen, müssen wir den Menschen Geschichten erzählen, Persönliches, mit Gefühlen und einem Gefühl von Realität.“

Es gäbe nur wenige, für die eine Aussage wie „2125 werden unsere Wasserreserven aufgebraucht sein“ ein wirkliches Bewusstsein für das Problem schafft. „Menschen übernehmen Lösungen für den Alltag aus Geschichten viel leichter als abstrakte Zahlen“, sagt Vasquez. „Und wenn wir das Problem wirklich lösen wollen, müssen wir die Menschen erreichen.“

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enorm 05/2016 | Zukunft fängt bei Dir an
Quelle

enorm magazin | Vincent Halang 2016 | Foto: IgenDesign/Alberto Vasquez

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