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Entwicklungshilfe allein wird die Migration kaum verringern

Kann Entwicklungshilfe die Migration eindämmen? Entgegen der vorherrschenden Meinung von Entwicklungsexperten zeigen neue Forschungsergebnisse, wie Entwicklungshilfe Migration tatsächlich reduzieren kann, wenn sie die öffentlichen Dienstleistungen verbessert. Sie ist jedoch nur einer von vielen Faktoren, die Migrationsentscheidungen beeinflussen.

Seit der Flüchtlingskrise und der anhaltenden Ankunft von Migranten an den Küsten Südeuropas ist der Druck auf die Europäische Kommission und die am stärksten betroffenen EU-Mitgliedstaaten groß, Wege zu finden, um Migration effektiv zu steuern – und einzudämmen. Die Annahme, dass die Unterstützung einkommensschwacher Länder Menschen davon abhält, ein besseres Leben im Ausland zu suchen, ist weit verbreitet. Und so wird Entwicklungshilfe auch in der Politik zunehmend als wesentlicher Bestandteil einer langfristigen Strategie zur „Fluchtursachenbekämpfung“ angesehen. Dabei gingen führende Entwicklungsexperten bisher davon aus, dass Entwicklungshilfe höchstwahrscheinlich zu mehr Migration führt. Denn sie ermöglicht es den armen Menschen erst, mithilfe der steigenden Einkommen die Kosten der Reise zu finanzieren.

Im Rahmen des Projekts Mercator Dialogue on Asylum and Migration (MEDAM) haben die Forscher Mauro Lanati und Rainer Thiele nun die Auswirkungen der Entwicklungshilfe auf die Migration erneut untersucht. Sie zeigen, dass Entwicklungshilfe Migrationsentscheidungen unterschiedlich beeinflusst – je nachdem, ob sie das Einkommen der Menschen oder die öffentlichen Dienstleistungen verbessert.

Entwicklungshilfe kann Migration reduzieren

Wenn Entwicklungshilfe hauptsächlich zu einer Steigerung des örtlichen Einkommens führt, ist mit einer Zunahme von Migrationsbewegungen zu rechnen, da mehr Menschen die Migrationskosten finanzieren können. Erst bei einem relativ hohen Entwicklungsniveau bieten steigende Einkommen wieder einen Anreiz, im Herkunftsland zu bleiben, da die möglichen Einkommensgewinne im Ausland geringer werden.

Die Einigung der internationalen Gemeinschaft auf die Millenniums-Entwicklungsziele ging jedoch mit einer Strategieänderung einher: Die Entwicklungshilfe ist mittlerweile vornehmlich auf nichtmonetäre Ziele ausgerichtet, insbesondere im Bereich des Gesundheits- und Bildungswesens. Forschung, die sich auf die Einkommensdimension von Entwicklung konzentriert, berücksichtigt diese strategische Neuausrichtung nicht.

Lanati und Thiele untersuchten die Daten von 25 Geberländern und 129 Empfängerländern. Sie stellten fest, dass eine Erhöhung von Entwicklungshilfemitteln, die die nichtmonetäre Dimensionen der Lebensqualität verbessern, mit sinkenden Auswanderungsraten verbunden ist. Der Zusammenhang zwischen dieser Art von Entwicklungshilfe und geringeren Migrationsraten besteht für eine Vielzahl von Indikatoren in diesem Bereich, von besseren Schulen zu sauberer Luft und zuverlässigeren staatlichen Institutionen.

Ihre Forschung liefert somit einen soliden Beweis dafür, dass Entwicklungshilfe mit einer starken Ausrichtung auf die Verbesserung öffentlicher Dienstleistungen Migration verringert, und die politischen Entscheidungsträger die Ausweitung der Entwicklungszusammenarbeit zurecht als ein mögliches Instrument zur Reduzierung von Migration sehen.

Einer von vielen Faktoren, die Migration beeinflussen

Allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass die Steigerung der Mittel, die zu einer bemerkbaren Senkung der Auswanderungsraten führen würde, unrealistisch hoch sein müsste. Selbst die Verdoppelung einer solchen gezielt eingesetzten Entwicklungshilfe würde die Auswanderungsraten nur um relativ bescheidene 10 -15 Prozent senken.

„Die Wirkungszusammenhänge zwischen der Entwicklungszusammenarbeit und Migration sind weniger eindeutig als sich viele politische Entscheidungsträger erhoffen. Die Entwicklungshilfe ist eben nur einer von vielen Faktoren, die Migration beeinflussen“, erklärt Thiele. „Menschen wandern nicht nur aus, um ihre wirtschaftlichen Perspektiven zu verbessern, sondern oftmals aus Not. Sie fliehen vor Gewalt, Dürre oder dem Fehlen jeglicher wirtschaftlicher Möglichkeiten. Im besten Fall können humanitäre Unterstützung und Entwicklungshilfe auch die Ursachen der Migration beeinflussen, aber das vorrangige Ziel muss die Armutsbekämpfung und Förderung von Entwicklung in den Empfängerländern bleiben. Unabhängig von ihrer Wirkung auf die Migration. Wenn beispielsweise einkommensschaffende Projekte wie die Bereitstellung von verbessertem Saatgut für Kleinbauern aus entwicklungsökonomischer Sicht sinnvoll sind, wäre es problematisch, diese nicht zu realisieren, nur weil ein kleiner Teil der Begünstigten deshalb später auswandern könnte.“

Weitere Informationen:

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Quelle

MEDAM / Mercator Dialogue on Asylum and Migration 2019

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