Nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen und Energie
Die stoffliche und energetische Nutzung von Biomasse reduziert die Emission klimaschädlicher Gase, diversifiziert die Rohstoffversorgung und stabilisiert sie langfristig. Im Fraunhofer-Innovationscluster Bioenergy in Oberhausen bündeln Industrie, Wissenschaft sowie das Land Nordrhein-Westfalen ihre Kompetenzen, um neue Nutzungskonzepte für Biomasse zu entwickeln. Ziel ist es, Optimierungspotenziale bei Sammlung, Transport, Lagerung und Prozessführung zu erschließen.
Weltweit fallen dezentral immense Mengen an nasser, lignocellulosehaltiger Biomasse an. Das Spektrum reicht von Gras- und Grünschnitt über Ernterückstände wie Rapsstroh, Verarbeitungsreste aus land- und forstwirtschaftlicher Produktion bis zu Bioabfällen aus Privathaushalten.
Genutzt wird feuchte Biomasse bisher wenig intensiv. Grund ist zum einen der hohe Wassergehalt, der einen geringen Heizwert (niedrige Energiedichte) mit sich bringt, sowie Transport und Lagerung aufwändig macht. Zudem erschweren die Inhomogenität, der Aschegehalt und die schlechte Verarbeitbarkeit feuchter Biomasse deren Nutzung enorm. Biogasanlagen sind für die Konversion der schwer abbaubaren lignocellulosehaltigen Biomasse oft nicht effizient. Andere Nutzungskonzepte sind häufig nicht verfügbar. Gerade feuchte, grüne Biomasse hat allerdings großes Potenzial, da sie zum Beispiel bevorzugt in Zwischenfruchtfolgen ideal mit der Lebensmittelproduktion gekoppelt werden kann.
Ziel des Innovationsclusters
Mit dem Ziel, die verfügbare und verwertbare Menge an Biomasse zu steigern, initiierte Fraunhofer UMSICHT den Innovationscluster Bioenergy. Innerhalb der vierjährigen Projektlaufzeit sollen neue Konversionstechnologien entwickelt werden, die die Potenziale halmgutartiger sowie feuchter, lignocellulosehaltiger Biomasse erschließen. Die Nahrungsmittelproduktion und Biomassenutzung in Einklang zu bringen und keine Nutzungskonkurrenz aufzubauen, ist das übergeordnete Ziel des Clusters. In diesem Kontext sollen neue verträgliche Optionen für die Energie- und Rohstoffversorgung geschaffen und Exporttechnologien für einen wachsenden Technologieweltmarkt bereitgestellt werden.
Zwischenprodukte entwickeln
Die Arbeiten fokussieren auf zwei Fraktionen Biomasse, die kontinuierlich und in großer Menge anfallen. Das sind halmgutartige Biomasse, die bei der Ernte auf dem Feld anfällt sowie Reststofffraktionen aus der lokalen und regionalen Verarbeitung, beispielsweise aus der Lebensmittelproduktion. Die Fraktionen sollen mit geeigneten technischen Verfahren zu kohlenstoffreichen Zwischenprodukten für die Rohstoff- und Energieversorgung umgewandelt werden, die soweit wie möglich in bestehender Infrastruktur zu Endprodukten konvertiert werden können. Doch bis dieser vertikal integrierte Produktionsprozess umsetzbar ist, sind einige Prozessschritte zu optimieren.
Vorbehandlung nasser Biomasse
Unbehandelt ist feuchte Biomasse nicht lagerfähig und verrottet schnell. Die Behandlung muss somit erntenah erfolgen. Im Rahmen des Innovationsclusters sollen Konzepte und Technologien zum effizienten Trocknen und Fraktionieren von Biomasse entwickelt werden. In diesem Schritt können feldnah nutzbare sowie lager- und transportwerte Produkte erzeugt werden. Dies kann trockener Presskuchen sein, der als fester Rohstoff energetisch direkt in Verbrennungen oder für thermochemische Nutzungskonzepte eingesetzt werden kann. Der Presssaft wiederum kann als Rohstoffbasis für die Futtermittelherstellung, als Energieträger oder für Chemieprodukte abgetrennt werden.
Dezentrale Biomasseverarbeitung
Feuchte Biomasse fällt dezentral an verschiedenen Stellen an. Bisher wird Biomasse, sofern sie zu Energieträgern umgewandelt oder für die stoffliche Nutzung verwendet wird, konditioniert und überwiegend zu zentralen Verarbeitungsanlagen transportiert. Der Aufwand für Transport und Lagerung ist enorm. Die erforderliche Logistik von der Ernte der Biomasse bis zum Transport zu zentralen Konversionsanlagen kann bis zu 30 Prozent der Gesamtkosten verursachen. Angewendete Verdichtungsmaßnahmen wie Zerkleinerung, Ballierung oder Pelletierung zielen zwar in die richtige Richtung, sind aber in ihren Möglichkeiten, logistische Kosten zu reduzieren, limitiert und zudem selbst äußerst kostenintensiv.
Thermochemische Konversion vor Ort und ortsnah
Der Innovationscluster um Fraunhofer UMSICHT setzt auf die Entwicklung erntenaher Verarbeitungskonzepte, die Biomasse dezentral, feldnah und semi-dezentral in kleinen stationären lokalen Konversionsanlagen in energiedichte und handelbare Zwischenprodukte für die Weiterverarbeitung in Energie- und chemischer Industrie umwandeln. Derartige Zwischenprodukte sind kohleartige Produkte und Biorohöl. Sie können thermochemisch durch Hydrothermale Carbonisierung oder durch Pyrolyse erzeugt werden.
Übergeordnete Ziele
Im Rahmen des Innovationsclusters Bioenergy soll der Landwirtschaft zu mehr Effizienz und mehr Wertschöpfung verholfen werden. Gelingt es, die Einsatzzeiten für Erntemaschinen zu erhöhen, und kann der Transport von in der Biomasse enthaltenem Wasser vermieden werden, erschließt sich ein großes Potenzial zur Prozesskostenoptimierung. Gleichzeitig können durch effiziente Biomassenutzung Beiträge zum Klimaschutz, zur Ressourcenversorgung bei gleichzeitiger Schonung fossiler Ressourcen und zur Beschäftigung im Anlagen- und Maschinenbau geleistet werden.
Im „Pakt für Forschung und Innovation“ hat die Fraunhofer-Gesellschaft die Aufgabe übernommen, Innovationscluster zu konzipieren und umzusetzen. Ein Innovationscluster hat die Aufgabe, die Kräfte in der Region zu bündeln und für die Lösung von anspruchsvollen Aufgaben zu aktivieren. Mit dieser Initiative schafft die Fraunhofer-Gesellschaft Anstöße zur Weiterentwicklung regionaler Exzellenzzentren und unterstützt die Kompetenzen der Regionen. Das Instrument der Innovationscluster soll in erster Linie dabei helfen, vorhandene Stärken weiter auszubauen.
Standortvorteil NRW
Mit seinem Standort in Nordrhein-Westfalen befindet sich der Innovationscluster „Bioenergy“ in einer Region, die durch Landwirtschaft, die Energie- und die (Petro-)Chemische Industrie geprägt ist. Viele namhafte Firmen haben in Nordrhein-Westfalen ihren Hauptsitz oder eine Vertretung. Zudem bietet das verdichtete Netz aus Universitäten oder universitären Einrichtungen beste Zugangsmöglichkeiten für innovative Forschung. Über den Innovationscluster „Bioenergy“ kann sich die Region als Schwerpunktregion für den Bereich Bioenergie präsentieren.
Förderhinweis
Der Fraunhofer-Innovationscluster Bioenergy wird vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (MIWFT) aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.
Quelle
Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg 2012Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik 2012