Studie: CO2-Preise weltweit auf Vormarsch
Eine Entscheidung Deutschlands für Emissionshandel bei Verkehr und Gebäuden wäre Sonderweg – alle anderen EU-Staaten mit CO2-Bepreisung zusätzlich zum europäischen Zertifikatehandel setzen auf Steuerlösung.
Immer mehr Staaten in Europa und weltweit führen CO2-Preise ein. Deutschland würde sich allerdings auf einen Sonderweg begeben, wenn es einen zusätzlichen Emissionshandel in den Sektoren Verkehr und Gebäude einführen würde. Andere EU-Staaten setzen hier einhellig auf Steuerlösungen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer neuen Vergleichsstudie der Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch, die heute vor der Vorstellung des Sondergutachtens zur CO2-Bepreisung durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung veröffentlicht worden ist.
„Deutschland folgt einem in Europa und weltweit zu beobachtenden Trend, wenn die Bundesregierung jetzt CO2-Preise zusätzlich zum Emissionshandel einführt“, sagt Linus Herzig, Referent für CO2-Preise bei Germanwatch und einer der Autoren der Studie. „CO2-Preise sind bereits wichtiger Teil des klimapolitischen Werkzeugkastens vieler Länder in Europa und in der G20. Von einem nationalen Alleingang kann also keine Rede sein.“
Es sei zudem auffallend, wie wenige Länder sich bei der CO2-Bepreisung in den Bereichen Verkehr und Gebäude für ein Vorgehen über den Handel mit Zertifikaten entschieden haben. Herzig: „Alle zwölf EU-Staaten, die neben dem Europäischen Emissionshandel zusätzliche CO2-Preisinstrumente umgesetzt haben, haben sich für eine Steuerlösung entschieden.“ In immer mehr Staaten spielt zudem die sozialverträgliche Ausgestaltung der eigenen CO2-Preissysteme eine große Rolle.
Oldag Caspar, Teamleiter für Deutsche- und Europäische Klimapolitik bei Germanwatch und Co-Autor der Studie, ergänzt: „Die Bundesregierung sollte noch dieses Jahr zumindest einen CO2-Preis im Verkehr und bei Gebäuden beschließen und sich dabei – wie die europäischen Partner – für eine Steuerreform entscheiden. Wir empfehlen der Bundesregierung auch dringend die Gespräche mit EU-Nachbarn zu beschleunigen, um einen CO2-Mindestpreis im Stromsektor im Rahmen einer Vorreiterallianz von Staaten auf den Weg zu bringen.“ Positive Signale für ein solches Vorgehen kommen mittlerweile aus gut zehn Mitgliedsstaaten – insbesondere aus Frankreich und den Niederlanden.
Die Studie „CO2-Preise: eine Idee, deren Zeit gekommen ist“ ist die aktuellste umfassende Übersicht über die derzeit sich entwickelnde Bepreisung von Treibhausgasen weltweit. Sie untersucht die Staaten der G20 und der EU plus Norwegen und Schweiz hinsichtlich der Frage, welche CO2-Preise bereits eingeführt sind und in welchen Ländern analog zu Deutschland die Ausweitung der CO2-Bepreisung debattiert wird. Damit wirft sie auch einen aktuellen Blick auf die zu erwartende künftige Entwicklung der CO2-Bepreisung weltweit.
Die Studie in Zahlen:
- 45 Staaten untersucht: 30 europäische (EU plus Norwegen und Schweiz) sowie 15 weitere G20-Staaten (4 EU-Staaten und die EU als Ganzes nicht doppelt gezählt)
- 39 von den 45 untersuchten Staaten haben nationale oder regionale CO2-Bepreisungssysteme eingerichtet. Dabei ist der Europäische Emissionshandel eingerechnet.
- Von den insgesamt 19 G20-Staaten haben 13 eine nationale oder regionale CO2-Bepreisung umgesetzt (inklusive Europäischer Emissionshandel).
- Von den 28 EU-Mitgliedern haben 12 Staaten zusätzlich zum Europäischen Emissionshandel nationale CO2-Preise. 9 von ihnen in den Sektoren Verkehr und/oder Gebäude. Alle 12 Staaten haben eine Steuerlösung gewählt.
- Neben Deutschland führen insgesamt 23 der 45 Staaten gerade Debatten über die Weiterentwicklung oder den Start in die CO2-Bepreisung. Das ist mehr als die Hälfte der untersuchten Länder. Manche der Debatten sind sehr weit fortgeschritten, manche noch im Anfangsstadium.
- Die Weltbank zählt insgesamt 57 CO2-Preisinstrumente in weltweit 46 Staaten, die derzeit umgesetzt sind oder auf ihre Umsetzung warten. Das schließt die Nicht-G20- und die Nicht-EU-Staaten ein.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
- Immer mehr Staaten weltweit führen CO2-Preise ein. Deutschland wäre kein Vorreiter, sondern würde einem internationalen Trend folgen, sollte die Bundesregierung jetzt zusätzlich zur aktuellen Ausgestaltung des EU-Emissionshandels CO2 bepreisen.
- Die internationale Dynamik bei der Einführung und Stärkung von CO2-Preisen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit weitergehen. Eine Vielzahl von Staaten diskutiert aktuell über die Einführung neuer bzw. die Weiterentwicklung bestehender nationaler und regionaler CO2-Preisinstrumente.
- Die Staaten nehmen die sozialverträgliche Ausgestaltung verstärkt in den Fokus.
- Deutschland würde sich mit der Einführung eines zusätzlichen Emissionshandels in den Sektoren Verkehr und Gebäude – anstatt einer Steuerlösung – auf einen Sonderweg begeben.