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Video: Warum werden nicht mehr Flüchtlinge gerettet?

REPORT Mainz: 1.000 Tote im Mittelmeer in einer Woche – das scheint ganz weit weg von uns. Wir sprechen mit Akteuren, die es ganz nah erlebt haben.

„Eigentlich wäre mir nach Schreien gewesen“

Das Bild ging um die Welt: Ein totes Baby in den Armen eines Helfers. Es war ums Leben gekommen als ein Flüchtlingsboot vergangene Woche vor der Küste Libyens kenterte. In REPORT MAINZ äußert sich jetzt Martin Kolek, Erster Offizier von SeaWatch, der Mann, der die Kinderleiche aus dem Wasser barg.

„Man sah so bei dem einfallenden Licht unter Wasser deutlich was Kleines schwimmen, das sah aus wie eine Puppe. So die Arme weggehalten, ganz friedlich sah das eigentlich aus. Aber war schon ein bisschen tiefer, also nichts schwamm mehr an der Oberfläche. Federleicht und hab den einfach instinktiv so genommen wie ein kleines Kind halt. In den Arm genommen und hab den auch nachher angeguckt. Es fühlte sich fast an, als wie wenn er noch leben könnte. Ganz kleine Finger, tolle Augen.“

Martin Kolek erzählt auch, was er in dem Moment empfand, als er das Kind auf dem Arm hielt: „Es tauchte eine gewisse tiefe Traurigkeit spontan auf, eigentlich wäre es mir so nach Schreien gewesen, weil es so irre ist. Dieses Mittelmeer, Urlaubsregion, keiner sieht es und da sinkt so ein Säugling. Und da habe ich angefangen, ein Lied, ein Stück eines Liedes, eine Melodie zu singen, die ich so ganz gut kenne. Eigentlich auch weil ich nicht schreien konnte, weil ich dachte: Ich kann doch nicht in Gegenwart dieses Kindes losschreien, das geht doch nicht.“

Nach Angaben von Sea-Watch waren an Bord des gekenterten Bootes 350 Menschen, davon konnten 120 gerettet werden. 46 Leichen wurden von dem Sea-Watch-Team geborgen.

Martin Kolek berichtet im Interview mit REPORT MAINZ auch von der Bergung der anderen Leichen: „Das war ein ganz merkwürdiges Gefühl, was ich hatte. Ich hatte mich dann entschieden: Ich gucke jeden einmal an. Das sind nicht einfach Leichen, das sind Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben zu überleben. Und wir sind zu spät gekommen. Wir, das sind wir mit dem Boot, aber in Wirklichkeit ist es eine ganze Kulturregion, die absolut zu spät kommt. Und verschläft. Und wenn diese Menschen absinken, dann tauchen die nie wieder auf. Und da unten liegen schon tausende.“

Die Hilfsorganisation SeaWatch hatte am Montag die Veröffentlichung des Fotos mit der Babyleiche verteidigt. Der medizinische Leiter von SeaWatch stellte sich im Interview mit REPORT MAINZ erneut hinter die Veröffentlichung des Bildes: „Wir haben uns das nicht leicht gemacht, weil wir gesagt haben: Das ist eigentlich nicht das Mittel, was wir einsetzen wollen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Aber es passiert jeden Tag. Hier sterben Menschen, weil wir nicht wollen, dass sie zu uns kommen. Das ist nicht akzeptierbar. Da will man schreien, da will man auf den Tisch hauen, da möchte man wirklich, dass sich das ändert, dass das nie wieder passiert.“

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REPORT MAINZ
Quelle

REPORT MAINZ 2016

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