Indonesiens Hauptstadt Jakarta plant den Klima-Umzug
40 Prozent der Fläche von Jakarta befinden sich bereits unter dem Meeresspiegel. Die Stadt sinkt kontinuierlich ab. Statt die Ursachen zu bekämpfen, plant Indonesiens Regierung den Umzug der 10-Millionen-Metropole auf die benachbarte Insel Borneo.
Die 10-Millionen-Metropole an der Nordwestküste der Insel Java kennt zwar Überschwemmungen während der regulären Regenzeit. Infolge des Klimawandels werden diese allerdings heftiger und Klimaforscher prognostizieren, dass auch deren Häufigkeit zunehmen wird. Zudem ist die Stadt am Meer von Erdbeben und Tsunamis betroffen. Marode Ufermauern schützen bereits seit Jahren die küstennahen Gebäude vor Überflutungen. Lange werden sie nicht mehr halten, denn die Küstenmetropole Jakarta sinkt immer weiter ab. Rund 40 Prozent ihrer Fläche befinden sich inzwischen unter dem Meeresspiegel.
Nordjakarta sackt jedes Jahr um bis zu 25 Zentimeter ab – und das hat einen Grund: Hauptursache ist die exzessive Grundwassergewinnung. Nach einer Studie des Bandung Institute of Technology könnte 2050 tatsächlich ein Drittel der Stadt im Wasser stehen, berichtet die Jakarta Post. Doch nachhaltige Lösungen sind nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil.
Neoliberale Träume
Indonesiens Regierung spielt schon länger mit dem Gedanken, die ganze Stadt auf die benachbarte Insel Borneo zu verlegen. Als Fläche für die neue Hauptstadt hat Indonesiens Regierung ein Waldgebiet im Osten der Insel Borneo im Visier, in der Nähe der Stadt Balikpapan. Der Umzug von Parlament und Regierung solle voraussichtlich 2024 starten.
Der Plan klingt wahnwitzig. Indonesiens Präsident Joko Widodo kündigte das jedoch in den sozialen Medien auf Twitter an. Anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema Umzug bestätigte er das Vorhaben und sprach von einer Vision für ein fortschrittliches Indonesien. Der Fortschritt besteht aber eher in neoliberalen Träumen statt einer nachhaltigen und sozial gerechten Strategie für den Großteil der Stadtbewohner. Denn als Finanzmetropole solle Jakarta bestehen bleiben: Die Regierung hofft auf enorme Einnahmen aus dem Verkauf von Immobilien.
Politisch gewollter Untergang
Das Problem der sinkenden Stadt ist indes politisch hausgemacht. Luftverschmutzung, täglicher Verkehrskollaps und vor allem Wassermangel machen der Stadt und ihren Einwohnern zu schaffen. Denn höchstens 60 Prozent der Haushalte in der Stadt sind ans Leitungswassernetz angeschlossen, schätzungsweise muss sich fast die Hälfte der Hauptstädter mit Wasser aus illegal gebohrten Brunnen versorgen. Zudem pumpen die vielen Großbaustellen Wasser ohne Erlaubnis aus dem Boden.
Der Grundwasserspiegel sinkt, der Untergrund aus Sand und Lehm wird durch die ständige Wasserentnahme leergesaugt und sinkt immer weiter zusammen. Der tropische Regen kann die Reservoirs wiederum nicht auffüllen, zumal über 95 Prozent des Stadtgebietes versiegelt sind – das zunehmende Problem der großen Städte im Klimawandel weltweit. Das Regenwasser versickert nicht, sondern fließt einfach ins Meer ab oder sorgt für Überschwemmungen in den Straßen und mischt sich mit dem Abwasser. Denn auch große Mengen des Abwassers gehen ungefiltert in die Flüsse und ins Meer. Um Jakartas Flüsse zu säubern, müsste auch die Abwasser- und Müllentsorgung erneuert werden.
Experten warnen, dass Jakarta nur noch etwa zehn Jahre Zeit haben könnte, um den Untergang aufzuhalten. Möglich wäre das: Nicht etwa durch den Bau eines 40 Kilometer Luxus-Deiches, wie ihn 2014 die Regierung angeschoben hatte. Nicht nur als Schutz vor dem Meer, sondern vor allem als lukratives Investitionsprojekt, um darauf ein neues Stadtviertel mit Luxusapartments und Marinas zu entwickeln. Investoren sollten damit gelockt werden.
Der Deich ist keine Lösung, sondern schafft neue Probleme, warnen Experten. Sinn mache es nur, das Absinken der Stadt zu stoppen. Das gelinge aber nur dann, wenn man damit aufhören würde, Grundwasser im großen Stil abzupumpen. Dazu müsste die Stadt in die Infrastruktur statt in Luxusprojekte investieren, um genügend sauberes Leitungswasser für alle Bewohner zur Verfügung zu stellen.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (na) 2019 verfasst – der Artikel darf nicht
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Heft 26 / Herbst 2019 | „Nachhaltige Lebensstile“ | Jetzt lesen | Download