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Fotolia.com | HartmutRauhut | Kohlekraftwerke, die älter als 25 Jahre sind, können vom Gesetzgeber im Rahmen eines Kohleausstiegsgesetzes stillgelegt werden, ohne dass der Staat zu Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber verpflichtet ist.

© Fotolia.com | HartmutRauhut | Kohlekraftwerke, die älter als 25 Jahre sind, können vom Gesetzgeber im Rahmen eines Kohleausstiegsgesetzes stillgelegt werden, ohne dass der Staat zu Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber verpflichtet ist.

Gesetzgeber darf alte Kohlekraftwerke entschädigungsfrei stilllegen

Rechtsgutachten: Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Atomausstieg kann analog auf einen möglichen Kohleausstieg angewendet werden.

Kohlekraftwerke, die älter als 25 Jahre sind, können vom Gesetzgeber im Rahmen eines Kohleausstiegsgesetzes stillgelegt werden, ohne dass der Staat zu Entschädigungszahlungen an die Kraftwerksbetreiber verpflichtet ist. Dabei sind den Betreibern angemessene Übergangsfristen zu gewähren. Im Regelfall ist dafür etwa ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes ausreichend. Hat die Schließung von Kohlekraftwerken auch die Schließung von Braunkohletagebauen zur Folge, sind allerdings längere Übergangsfristen oder Entschädigungszahlungen nötig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten der Kanzlei BeckerBüttnerHeld (BBH). Die Juristen haben im Auftrag von Agora Energiewende das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 zum Atomausstieg ausgewertet und auf einen möglichen Kohleausstieg übertragen. 

Das Gutachten hat die Frage untersucht, ob ein Kohleausstieg analog zum Atomausstieg mit Restlaufzeiten und Abschaltdaten für die Kraftwerke verfassungsrechtlich möglich wäre. Hierbei war insbesondere zu klären, ob ein solcher Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentum an Kraftwerken zulässig ist. Eine Abwägung zwischen dem Eigentumsrecht der Betreiber und dem Gemeinwohl ergibt, dass abgeschriebene Kohlekraftwerke ohne Entschädigungsansprüche stillgelegt werden können – genau wie dies beim Atomausstieg erfolgt. Da Kohlekraftwerke in der Regel nach rund 25 Jahren Betriebsdauer abgeschrieben sind, können sie dann entschädigungsfrei stillgelegt werden. Weil der Gesetzgeber die Betreiber dabei jedoch nicht überraschen darf, ist eine angemessene Übergangsfrist nötig. Diese dürfte bei Kondensationskraftwerken in der Regel nicht mehr als ein Jahr betragen, bei KWK-Anlagen wäre sie etwas länger.  

„Das Bundesverfassungsgericht hat der Politik im Urteil zum Atomausstieg einen großen energiepolitischen Gestaltungsspielraum zugebilligt,“ sagt Dr. Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende. „Dieser Gestaltungsspielraum gilt auch für den Kohleausstieg. So wie das Atomausstiegsgesetz auf Basis eines Atomkonsenses formuliert wurde, ist auch der Kohleausstieg auf Basis eines Kohlekonsenses möglich. Ein solcher Kohlekonsens sollte zügig vereinbart werden, denn die von allen im Bundestag vertretenen Parteien mehrfach bestätigten Klimaschutzziele 2020, 2030, 2040 und 2050 sind sonst nicht erreichbar.“

Bei der Ausgestaltung eines Kohleausstieggesetzes sind neben den Kraftwerken auch die Folgen für die Braunkohlentagebaue zu beachten. Zwar würden die Betriebs- und Abbaugenehmigungen eines Tagebaus durch einen Ausstiegsfahrplan für Kohlekraftwerke nicht direkt berührt. Da der Braunkohleabbau jedoch fast vollständig der Verstromung dient, ist der Gesetzgeber verpflichtet, die Folgen für den Braunkohletagebau bei der Ausgestaltung entsprechend zu berücksichtigen. Das gilt insbesondere für Übergangsfristen sowie gegebenenfalls anfallende Zusatzkosten, die aufgrund einer unplanmäßigen vorzeitigen Rekultivierung entstehen, so das Gutachten.

Hintergrund des Gutachtens ist das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2016 zu den Klagen der Atomkraftwerksbetreiber gegen das Atomausstiegsgesetz vom Juni 2011. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung nicht nur den Atomausstieg vollumfänglich bestätigt, sondern auch grundsätzliche Aussagen zum energiepolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers getroffen. Vor diesem Hintergrund hatte Agora Energiewende die Kanzlei BBH beauftragt, die Übertragbarkeit des Urteils auf ein Kohleausstiegsgesetz in Anlehnung an den Atomausstieg umfassend zu prüfen.

Bereits im Januar 2016 hatte Agora Energiewende mit den „Elf Eckpunkten für einen Kohlekonsens“ einen Vorschlag vorgelegt, wie ein Kohlausstieg gelingen kann. Die Eckpunkte beinhalten neben einem verbindlichen Ausstiegsfahrplan für die einzelnen Kraftwerke auch die Schaffung eines Strukturwandelfonds in Höhe von 250 Millionen Euro pro Jahr, um den Braunkohleregionen im Rheinland, der Lausitz und in Mitteldeutschland Perspektiven für die Zeit nach der Kohle zu schaffen.    

Agora Energiewende
Quelle

Agora Energiewende 2017

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