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pixabay.com | Leonardo1982 | Europäisches Parlament

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Europa ringt um die Zukunft seiner Automobilindustrie

Europas Autoindustrie ist im Stress und Brüssel kämpft gegen die Uhr.

Die Zukunft der europäischen Automobilindustrie entscheidet sich nicht in ferner Zukunft, sondern jetzt. Unter der Leitung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fand am Donnerstag in Brüssel der dritte strategische Dialog über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie statt. Vertreterinnen und Vertreter der Automobilbranche, Sozialpartner sowie weitere zentrale Akteure diskutierten, wie Europa im globalen Wettbewerb seine Spitzenposition behaupten kann.

Die Botschaft war eindeutig: Es braucht rasches Handeln, um den im März von der Kommission vorgestellten Aktionsplan umzusetzen. Angesichts technologischer Umbrüche und geopolitischer Herausforderungen könne es kein „Business as usual“ geben, so von der Leyen. Es wurde noch deutlicher klar, dass Europa Gefahr läuft, seine einstige Vorreiterrolle zu verspielen. Zwischen politischem Willen und ökonomischer Realität klafft ein tiefer Graben.

Politisches Kalkül

Nicht zuletzt steckt in dem Strategischen Dialog auch ein politisches Signal: Die Kommission präsentiert sich als handlungsfähig und zukunftsorientiert – gerade in einer Zeit, in der Europas Industriepolitik auf dem Prüfstand steht. Die Überarbeitung der CO₂-Grenzwerte, Vorschriften für Unternehmensflotten und Vereinfachungen im Fahrzeugrecht sind konkrete Projekte, die nun in Angriff genommen werden sollen. Doch harte  Auseinandersetzungen sind vorhersehbar:  zwischen Industrieinteressen, Umweltzielen und sozialpolitischen Fragen.

Große Worte,  aber harter Wettbewerb

Die nächsten zwei Jahre sind entscheidend, um Technologieführerschaft bei vernetzten und autonomen Fahrzeugen zu erlangen, so die Kommission in ihrer Presseaussendung. Doch während in Brüssel Memoranden unterzeichnet und Allianzen gegründet werden, rollen in China längst Millionen von E-Autos vom Band – preiswert, hochinnovativ und teilweise massiv staatlich subventioniert. Es wurde zu spät reagiert.  Auch die USA pumpen bereits seit dem Inflation Reduction Act Milliarden in ihre Industrie. Europas Antwort wirkt dagegen fragmentiert: ein Bündel an Initiativen, das vor allem den Charakter einer politischen Selbstvergewisserung hat.

Symbolpolitik oder echter Aufbruch?

Die neue Allianz für vernetzte und autonome Fahrzeuge (ECAVA) ist ein Beispiel: Sie soll Industrieinteressen bündeln und gemeinsame Standards entwickeln. Doch die Realität ist ernüchternd. Europäische Hersteller streiten seit Jahren über Software-Strategien, Zulieferer kämpfen ums Überleben,   nationale Regierungen ziehen oft nicht an einem Strang. Die Gefahr, dass ECAVA zu einem weiteren Gesprächskreis ohne Durchschlagskraft verkommt, ist real. 
Der Gartner Digital Automaker Index 2025, der die digitale Reife von 24 Herstellern bewertet, listet Tesla, Nio, Xiaomi, XPENG, Li Auto, Rivian, Geely, Lucid  als gut aufgestellt. Große europäische Hersteller  fehlen auf den vorderen Plätzen.  Im KPMG Branchenreport sehen 39 % der befragten Führungskräfte ihr Unternehmen noch im Anfangsstadium der digitalen Transformation. Nur 18 % sind sehr optimistisch, was die Zukunft des Standorts Deutschland betrifft. 

Arbeitnehmer zwischen Hoffnungen und Existenzangst

Besonders heikel ist die soziale Dimension: Hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Zwar betont die Kommission Umschulung und Weiterbildung, doch das reicht kaum, um die Verwerfungen in klassischen Fertigungsbereichen abzufedern. Gewerkschaften warnen seit Langem, dass die soziale Frage im industriellen Umbau zu kurz kommt. Ohne überzeugende Antworten droht die Akzeptanz für den ökologischen und digitalen Umbau, der ebenfalls notwendig ist,  zu bröckeln.

Politische Gratwanderung

Die Kommission will gleichzeitig Klimaziele erreichen, Industriearbeitsplätze sichern und im globalen Wettbewerb bestehen. Doch jeder Schritt in die eine Richtung birgt Konflikte in der anderen. Verschärfte CO₂-Grenzwerte stoßen auf massiven Widerstand der Hersteller, wie die Debatten im Vorfeld des Autogipfels und während der IAA Mobility aufzeigten. Zu lasche Vorgaben wiederum gefährden die Klimabilanz und die Glaubwürdigkeit der EU. Brüssel versucht, alle Interessen unter einen Hut zu bringen  und läuft damit Gefahr, am Ende niemandem gerecht zu werden.

Der entscheidende Countdown

Die kommenden zwei Jahre sind die Nagelprobe. Gelingt es nicht, in Bereichen wie Batterietechnik, autonomem Fahren und KI einen echten Vorsprung zu erarbeiten,  bzw.  vehement aufzuholen, wird Europa abgehängt. Dann bestimmen andere die Standards, und die EU läuft hinterher. Der dritte strategische Dialog war ein Weckruf, aber ob  Europa  tatsächlich den Sprung von der Ankündigung zur Umsetzung schafft, ist ungewisser denn je.

Quelle

oekonews.at 2025

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