„Das beste Buch…das man in der Krise lesen kann“
Etwas Gutes schaffen“ – Franz Alt und Peter Spiegels Wirtschaftsplädoyer „Gute Geschäfte“ Von: THOMAS HAJDUK – © Die Berliner Literaturkritik, 25.09.09 mehr
Gibt es eine humane Alternative zum gescheiterten Raubtier-Kapitalismus? Ja, sagt Franz Alt, lange Jahre Moderator des TV-Politmagazins „Report“ und streitbarer Autor mehrerer Umwelt-Essyas in HÖRZU. Mit dem Soziologen Peter Spiegel plädiert er für ein „Social Business Konzept“, das die Weichen für ein „globales ökosoziales Wirtschaftwunder“ stellen könnte. Zu Beginn des Buches steht die bissige Abrechnung mit der Gier: „Menschen sind, wenn es um Geld geht, so wenig rational wie beim Sex“, sagt Alt.
Der Zweck von Unternehmen, die dem Social-Business-Gedanken folgen, ist nach der Definition von dessen Initiator Muhammad Yunus die Lösung von gesellschaftlichen Problemen. Social-Business-Unternehmen sind dem Dienst für individuellen, gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt im Sinne einer sozial und ökologisch nachhaltigen Entwicklung gewidmet und zu diesem Zwek gegründet. Social-Business-Unternehmen arbeiten dabei ebenso wie normale Unternehmen gewinnorientiert, aber der Hauptteil des Gewinns verbleibt im Unternehmen und wird zur Ausweitung von dessen jeweiligem sozialen bzw. ökologischen Zweck eingesetzt. Während eine auf Gier ausgerichtete Ökonomie auf monetäre Gewinnmaximierung setzt, setzt eine Social-Business-Ökonomie auf eine Maximierung des sozialen und ökologischen Gewinns bei gleichzeitig hoher ökonomischer Vernunft.
Wenn es uns gelingt, dass sich als kollektiver Lernprozess aus der jetzigen Krise die Wirtschaftsphilosophie von Social Business durchsetzt, würde dies nicht nur eine völlig neue Qualität ökologischen und sozialen Gewinns freisetzen, sondern auch eine gravierend neue wirtschaftliche Dynamik, die der Gier-orientierten-Ökonomie auch in diesem Punkt weit überlegen ist. Was hat die Social-Business-Ökonomie bisher an Ergebnissen vorzuweisen, welches Potential liegt in ihr:
- Finanzpolitische Innovationskraft
Die zu sehr auf Gier orientierte Ökonomie führte weit mehr als zwei Drittel der Menschheit in ein Gefängnis aus Almosen, Sozialhilfe oder unwürdige Arbeits- und Abhängigkeitsverhältnisse. In ihr wurde der weitaus größte Teil der Menschheit beispielsweise als kreditunwürdig erklärt und damit von der Chance ausgeschlossen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Die Social-Business-Ökonomie kreierte währenddessen ein Bankensystem von inzwischen mehreren Tausend Mikrofinanzinstitutionen, die bis heute bereits 130 Millionen „Kreditunwürdigen“ Kredite gaben und die sie pünktlich zurückzahlten. Rund eine halbe Milliarde Menschen konnten dadurch bereits aus dem Teufelskreis der Armut befreit werden. Das „Wirtschaftswunder von unten“ ist in Bangladesh längst eine sehr belastbare Realität geworden. Und das Kleinkreditsystem hat sich als skalierbar auf alle Armutsregionen der Welt erwiesen. Durch die Ausweitung von Kleinkreditsystemen auf alle Menschen, die heute noch keinen Zugang zu fairen Krediten haben, würde die gesamte Weltökonomie immens profitieren. - Ökologische Innovationskraft
Die bisher zu sehr auf Gier orientierte Ökonomie hat chronische Probleme, den überlebensentscheidenden ökologischen Erfordernissen gerecht zu werden. Vor allem in den weiten Armutsregionen der Welt bleibt hierfür fast kein Freiraum. Die Social-Business-Ökonomie kreierte währenddessen durch „Grameen Shakti“ beispielsweise ein System, das Armutshaushalte mit ausreichend Solarenergie versorgt – ohne Subventionen von außen und zu Tarifen, die weit unter dem liegen, was die Armen bisher für Energie bezahlen mussten. Auch das Grameen-Shakti-System für so genannte Solar Home Systems ist skalierbar auf nahezu alle Armutshaushalte weltweit. Durch die Förderung von ökologischen Innovationen und Investitionen zu einer auch ökologisch nachhaltigen Entwicklung der heute noch zwei Drittel Armen der Welt bekäme die ökologische Wende der Weltwirtschaft einen entscheidenden Schub. Aufholende Entwicklung aus der Armut und globale ökologische Effizienzrevolution unterstützen sich so wechselseitig. - Weltwirtschaftliche Innovationskraft
Immer mehr mittelständische bis große Unternehmen erkennen derzeit, dass die Zukunft der Weltwirtschaft und ihre eigene Zukunft in der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen für die heute noch wenig oder nicht entwickelten Märkte in den bisherigen Armutsregionen der Welt liegt. Immer mehr Social Joint Ventures wie jenes zwischen Grameen und Danone entstehen aus diesem Grund. Gerade exportorientierte Ökonomien wie die deutsche wachsen in der Zukunft vor allem entsprechend ihrer Leistung für die globale Überwindung der Armut. Ökologische und soziale Joint Ventures würden den heutigen Armutsregionen und den heutigen Wohlstandsregionen gleichzeitig entscheidende neue Impulse geben. Der indische Wirtschaftswissenschaftler Prahalad sieht in der ökonomischen Lösung von gesellschaftlichen Problemen den mit Abstand wichtigsten neuen Innovationsschub für die gesamte Weltwirtschaft in den nächsten Jahren. - Innerbetriebliche Innovationskraft
Selbst innerhalb der Rahmenbedingungen einer zu sehr auf Gier hin orientierten Ökonomie erweisen sich immer mehr gerade jene Unternehmen als die erfolgreichsten, die ihre Mitarbeiter besser behandeln als ihre Konkurrenten. Auch hier erweist sich Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit als Antrieb für individuelle und gemeinschaftliche Leistungen der Gier weit überlegen. Solche Unternehmen sind gesellschaftlich nützlicher, ökonomisch profitabler und individuell sinnerfüllender und damit bereichernder. Muhammad Yunus ist sich sicher, dass Unternehmen, die im umfassenden Sinne der Social Business Philosophie folgen, auch ökonomisch die Gewinner sein werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich die Soziale Marktwirtschaft als ein höchst wirkungsvoller und belastbarer Turbo eines großen Wirtschaftswunders. Verantwortlich für die Sicherstellung des Sozialen war hier vor allem der Staat. Die Social-Business-Ökonomie bedeutet demgegenüber ein neues Paradigma. In ihr sind nach wie vor klare, von der Gesellschaft und unserer staatlichen Gemeinschaft bestimmte Rahmenbedingungen unabdingbar. Aber das Soziale ist hier nicht mehr so sehr eine staatliche Ausgleichsleistung, sondern unmittelbarer Leistungsantrieb für die Menschen in ihrer ökonomischen Tätigkeit. Überall dort, wo sich bisher die neue Social-Business-Ökonomie entfaltete, werden immer neue Zusammenhänge zwischen individueller Sinnhaftigkeit, sozialer Qualität und Nachhaltigkeit auf der einen Seite und ökonomischem Erfolg auf der anderen Seite entdeckt.
Die Social-Business-Ökonomie ist nicht nur in jeder – auch wirtschaftlicher – Hinsicht die wesentlich bessere Ökonomie als eine Gier-Ökonomie. Sie ist zugleich auch die wesentlich sozialere Marktwirtschaft im Vergleich zur bisherigen Sozialen Marktwirtschaft. Sie ist eine Soziale Marktwirtschaft einer höheren Ordnung. In ihr wird nicht nur der Staat, sondern werden wir sozialer, weil wir dies als persönlich und ökonomisch weitaus intelligenter, nachhaltiger und sinn-reicher erkennen.
Daher setzt sich die Idee von Social Business derzeit in allen gesellschaftlichen Bereichen durch: Unternehmen erkennen, dass Social Business unvergleichlich attraktiver ist als Corporate Social Responsibility – und gehen Social Joint Ventures mit Grameen und ähnlichen Einrichtungen ein oder gründen selbst Social Business Unternehmen. Stiftungen erkennen, dass sie sich so weit wie möglich in Social Businesses umwandeln müssen, weil die soziale Effektivität und ökonomische Effizienz ihrer Ziele dadurch ungleich besser verwirklich wird. Nichtregierungsorganisationen erkennen, dass sie aus denselben Gründen umdenken und sich neu erfinden müssen. Staatliche Einrichtungen erkennen immer mehr die immensen Chancen, mit dem Social-Business-Ansatz wieder sehr viel mehr gestalterische Spielräume in die Gesellschaft zu bringen. Und nicht zuletzt erkennen immer mehr Bürger, dass eine Gesellschaft, die den Social-Business-Gedanken lebt, jeden Bürger aus vielen überholten Zwängen befreit und immer mehr zu einem „Unternehmer seines eigenen Lebens“, einem Lebensunternehmer, macht.
In den 1990er Jahren erkannten wir, dass Ökonomie und Ökologie keine Widersprüche sein müssen. Ökologisch motivierte Unternehmer und Konsumenten warteten nicht länger auf den Staat, sondern lösten selbst eine ökologische Gründerwelle aus und schufen selbst neue Märkte für ökologisch bessere Produkte. Ökologisches Denken erobert seither immer mehr die Ökonomie und das politische Handeln. Heute stehen wir vor der historischen Chance zu erkennen, dass auch Ökonomie und Soziales keine Widersprüche darstellen. Dieses Buch liefert die schlagenden Argumente für die nächste weltweite Bewegung nach der Ökobewegung: für die Social-Business-Bewegung. Auch die soziale Revolution unseres Lebens brauchen wir nicht länger auf den Staat zu warten, sondern können selbst beginnen – jeder an seinem Ort.