Studien von KfW und DIW: Noch schlimmer als teurer Strom ist teure Wärme
Die soziale Spaltung bei der Energiewende spiegelt sich auch im aktuellen Energiewendebarometer der KfW wider. Wird hier nicht gegengesteuert, öffnen sich auch Räume für klimapopulistische Argumente, zeigt eine parallele Untersuchung des DIW Berlin.
Wie gut es privaten Haushalten geht, wird auch an ihrem Ausstattungsgrad mit Technik gemessen. Zum Standard gehören Kühlschrank, Waschmaschine und TV.
Der Besitz von Spülmaschine, Wäschetrockner oder Tiefkühltruhe gilt hierzulande schon als Zeichen eines gewissen Wohlstands.
Mit dem Klimawandel verschieben sich auch Auffassungen, worin sich Wohlstand und persönlicher Zugewinn manifestieren. Steigenden Kosten für Strom lässt sich heute am besten begegnen, indem man selbst zum Stromerzeuger wird – nicht so sehr, indem man sich energieeffiziente Technik zulegt. Da trifft es sich gut, dass Photovoltaik zur preiswertesten Stromquelle wurde und ihr Einsatz aus Gründen des Klimaschutzes auch gefördert wird.
Photovoltaik ist bei der Energiewendetechnik mittlerweile unangefochten die Nummer eins. 16 Prozent der deutschen Haushalte, also fast jeder sechste, haben eine Solarstrom-Anlage auf dem Dach, ergab das diesjährige Energiewendebarometer der KfW. Für die jetzt veröffentlichte Umfrage ließ die Förderbank zwischen Dezember 2024 und Ende März 2025 etwa 5.000 Privathaushalte in Deutschland repräsentativ befragen.
Für eine solare Dachanlage muss man in der Regel ein Eigenheim besitzen. Wer „nur“ einen Balkon hat, muss meist noch Vermieter oder Eigentümergemeinschaft fragen. Entsprechend verfügen gegenwärtig erst vier Prozent der Haushalte über ein sogenanntes Balkonkraftwerk, stellt das KfW-Barometer fest.
Bei einem üblichen 800-Watt-Balkonkraftwerk rentiert sich ein Batterie-Heimspeicher meist nicht, auch weil es diesen Haushalten oft an stromdurstigen Geräten fehlt.
Bei einer Dachanlage sieht das anders aus. Inzwischen wird bundesweit jede zweite Photovoltaik-Anlage zusammen mit einem Batteriespeicher genutzt – und dies ist meist in Eigenheimen der Fall.
Das eigene Ein- oder Zweifamilienhaus ist ein wichtiger Faktor auch für die Nutzung von Elektroautos, oft in Verbindung mit Photovoltaik auf dem Hausdach, stellt das KfW-Barometer seinerseits fest. Diese Kombination erlaube das Laden mit günstigem selbst erzeugtem Strom.
Entsprechend gaben 46 Prozent der Haushalte mit E‑Auto die Möglichkeit, mit grünem Strom zu laden, in der Umfrage als Kaufgrund für das Fahrzeug an. Der Stromdurst der Autos macht Photovoltaik offenbar erst so richtig schön.
Wohlhabende Haushalte nutzen Wendetechnologien dreimal häufiger
Noch deutlicher zeichnet sich das soziale Bild ab, wird auf die Gesamtheit der Energiewendetechnologien geschaut. Dazu zählt die KfW nicht nur Photovoltaik, Batteriespeicher und E‑Auto, sondern auch Solarthermie, Wärmepumpe und Holzpelletheizung.
Diese Technologien werden laut Barometer schon von 50 Prozent der wohlhabenden Haushalte genutzt, aber nur von 16 Prozent der einkommensschwachen. Wohlhabende Haushalte setzen derzeit also über dreimal so häufig Energiewendetechnologie ein wie einkommensschwache.
Einkommensschwache Haushalte
Was sind das für Haushalte, die für KfW-Forscher zu einkommensschwachen gehören? Das Barometer unterteilt die Bevölkerung dazu nach der Einkommenshöhe in vier Quartile. In jedes Quartil kommen jeweils 25 Prozent der Einkommensbezieher.
Maßstab ist dabei das sogenannte Nettoäquivalenzeinkommen. Das ist ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen eines Haushalts, das sich aus dem Netto-Haushaltseinkommen sowie der Anzahl und dem Alter der Haushaltsmitglieder berechnet.
Die Pro-Kopf-Jahreseinkommen im ersten, einkommensschwachen Quartil liegen laut dem Statistischen Bundesamt bei jährlich um die 20.000 Euro. Die Spanne reicht in diesem Quartil aber 11.000 Euro bei Arbeitslosen bis zu 24.000 Euro für Erwerbstätige.
Nach europäischem Standard gilt in Deutschland eine Person als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Äquivalenzeinkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. 2024 lag dieser Wert für eine alleinlebende Person in Deutschland netto bei knapp 1.400 Euro sowie für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14 Jahren bei rund 2.900 Euro.
Obwohl die Einkommenszahlen nicht direkt vergleichbar sind, ist klar, dass sich im ersten Quartil viele armutsgefährdete Haushalte befinden.
Ein Jahr zuvor seien die Anteile der Wohlhabenden nur um das 2,5-Fache höher gewesen, merkt die KfW dazu an. Sie konstatiert bei der Nutzung der Energiewendetechnologien ein klares Einkommensgefälle. Viele einkommensschwache Haushalte stünden unter hohem Kostendruck und hätten wenig Spielraum, um in die Energiewende zu investieren, erklärt Dirk Schumacher, Chefvolkswirt der KfW.
Schumacher verlangt, auch diese Bevölkerungsgruppe in den Blick zu nehmen, um die bisher recht breite Zustimmung zur Energiewende sowie das private Engagement hochzuhalten.
Eine auffällig niedrige Zustimmung zur Energiewende zeigen dabei laut dem KfW-Barometer gerade diejenigen Haushalte, die bei der Wärmeversorgung einen sehr hohen Kostendruck empfinden. Bei diesen sei auch die eigene Handlungsbereitschaft am niedrigsten.
Anders gesagt: Schlimmer als teurer Strom ist teure Wärme, weil nötige Investitionen viel mehr ins Geld gehen oder Mieter-Haushalten sowieso die Hände gebunden sind.
Angesichts dessen findet es die KfW umso erfreulicher, dass laut dem Barometer die Zustimmung zur Energiewende in Deutschland sich nach einem deutlichen Rückgang wieder leicht erhöhte. 83 Prozent der deutschen Haushalte hätten angegeben, die Energiewende sei wichtig oder sehr wichtig. 2024 waren es 82 Prozent gewesen, aber 2023 noch 88 Prozent.
Die Entwicklung interpretiert die Förderbank als eine Stabilisierung der Zustimmungswerte. Sorgen macht sie sich vor allem darüber, dass immer weniger Menschen bereit seien, die Energiewende auch durch eigene Aktivität voranzutreiben.
Nur noch 59 Prozent der Haushalte haben in der Umfrage eine hohe Handlungsbereitschaft geäußert, der niedrigste Wert seit dem Start der Erhebung im Jahr 2018. Auch hier hebt die Förderbank die soziale Differenzierung hervor: Die Handlungsbereitschaft ging bei den Haushalten mit den niedrigsten Einkommen in den vergangenen Jahren sehr deutlich zurück.
Einkommensarmut und abwertende Narrative zur Energiewende
Angesichts dessen, dass einkommensschwache Haushalte vielfach armutsgefährdet sind (siehe Kasten oben), verwundert es nicht, dass gerade dort abwertende Narrative über die Energiewende leichter auf fruchtbaren Boden fallen und klimapopulistische Haltungen sich durch den realen Kostendruck leicht verstärken lassen.
Das legt eine kürzlich veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nahe. Auf Basis eines Umfrageexperiments mit rund 1.600 Personen untersuchten die DIW-Fachleute drei konkrete Narrative: Erstens würden klimapolitische Maßnahmen vor allem ärmere Haushalte belasten. Zweitens würden sich Unternehmen ihrer Verantwortung entziehen und drittens werde die deutsche Volkswirtschaft geschwächt.
Insbesondere das Einkommensnarrativ wirkt laut DIW negativ auf die Zufriedenheit mit der Demokratie. „Narrative können die politische Einstellung stark beeinflussen – vor allem, wenn sie Verteilungsfragen zuspitzen“, erläutert Lorenz Meister vom Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) im DIW.
Besonders stark auf das Einkommensnarrativ reagierten Frauen sowie ostdeutsche, einkommensschwache und rechte Wähler:innengruppen, ergab die Studie. Das Unternehmensnarrativ wirke hingegen vor allem unter Männern, in ostdeutschen Regionen und in linken Wählermilieus. Das Wirtschaftsnarrativ finde besonders in der rechten Wählerschaft Resonanz.
Die Studie unterstreicht, dass es nicht nur auf die Narrative selbst, sondern auch auf die Ausgestaltung der Klimapolitik ankommt. Werden Maßnahmen als gerecht wahrgenommen – etwa durch sozial ausgewogene Ausgleichsmechanismen wie ein Klimageld – würden polarisierende Narrative an Wirkung verlieren. Entscheidend sei zudem eine transparente Kommunikation, die Verteilungskonflikte nicht ausspart, sondern offen anspricht.
„Klimapolitik muss sozialpolitisch eingebettet sein und Sorgen ernst nehmen. Nur so lässt sich klimapopulistischer Vereinnahmung wirksam begegnen“, betont Mitautorin Matilda Gettins. Die ökologische Ökonomin arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation Fiscal Future.
Nimmt man die Ergebnisse von KfW und DIW zusammen, ließe sich beispielsweise sagen: Der Slogan „Macht die Dächer voll!“ ist weniger eine technokratischer, sondern ein sozialer. Eigener Solarstrom – beispielsweise auch als Mieterstrom oder in gemeinschaftlicher Versorgung – sollte so selbstverständlich sein wie ein Kühlschrank.
Quelle
Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2025 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden!







