Balkonkraftwerke: Bürgerrecht statt Grauzone
Balkonkraftwerke haben einen rebellischen Charme.
Ist es mit ihnen doch möglich, einen nicht unwesentlichen Teil der Grundlast eines Mieterhaushalts selbst zu produzieren. Aufgrund ihrer kleinen Leistung wird wenigstens 80% des erzeugten Stroms direkt verbraucht, was eine Einsparung von bezogenem Strom mit sich bringt. Dadurch sind diese Geräte ohne EEG-Vergütung wirtschaftlich. Die Stromgestehungskosten liegen in Deutschland, je nach Installations- und Betriebsweise, bei ca. 20% der durchschnittlichen Netz-Stromkosten. Damit wird nicht nur das Klima geschützt, sondern auch der Geldbeutel geschont. Die Geräte können auf vielfältige Weise installiert werden. Meist werden von den Anbietern entsprechende Unterkonstruktionen und Montagezubehör mitgeliefert. Im Gegensatz zu einer gängigen, fest installierten Solarstromanlage, lässt sich dieses Equipment problemlos beim Umzug mitnehmen. Alles in allem eine wunderbare Möglichkeit die dezentrale Energieerzeugung weiter voranzubringen und ein Ausrufezeichen zu setzen. Ganz gemäß dem Motto: „Wir sind die Energiewende“ entreißt man den Energieversorgern einen weiteren Teil vom Stromkuchen. Die Avantgarde einer künftigen grünen Zukunft rebelliert solar.
Bewusste Panikmache
So wie bei vielen anderen Technologien, ist es auch Herstellern von steckbaren Solar-Geräten möglich, nicht genormte Produkte anzubieten. Im Fall der steckbaren Solar-Geräte wurde die Verletzung der Installationsnorm DIN VDE 0100-551 dazu benutzt, die Balkonkraftwerke in der medialen Öffentlichkeit zu diskreditieren. Ein Missbrauchsverfahren der BNetzA belegte zwischenzeitlich, dass nur die Einhaltung von Normen die eine Netzrückwirkung definieren vom Netzbetreiber eingefordert werden kann. Trotzdem nutzten viele Netzbetreiber eine Norm, die nur die Kundenseite definiert, um Verbraucher mit einer angeblichen rechtlichen Grauzone zu verunsichern und den Eindruck zu erwecken, der Betrieb eines Balkonkraftwerkes könne zu rechtlichen Konsequenzen führen. Diese irreführenden Informationen verschreckten viele Verbraucher. Zudem sollten bürokratische Schikanen von der Nutzung steckbarer Solar-Geräte abhalten. Deutlich wurde das etwa, als sich einzelne Netzbetreiber anmaßten, den Nutzern von steckbaren Solar-Geräten den Betrieb zu untersagen, obwohl die Anwendung des Steckverbinders außerhalb ihrer Zuständigkeit liegt. Diese endet nämlich am Stromzähler.
Die Blockadeversuche haben einen handfesten wirtschaftlichen Hintergrund: Die Netzbetreiber werden nach einem Netzentgelt pro kWh Strombezug vergütet. PV-Anlagen reduzieren diese Netzgebühren. Während die Netzbetreiber fest installierte Systeme aufgrund eindeutiger Gesetzgebung dulden müssen, versuchten sie bei steckbaren Systemen mit extralegalen Argumenten das verfassungsmäßige Recht der individuellen Stromerzeugung zu hintertreiben, um den breiten Markteintritt von Balkonkraftwerken zu verhindern.
Dabei stützen sich die Netzbetreiber auf das BDEW Papier: „Rechtliche Hinweise zum Verfahren bei Anschluss von „Plug-in“-Solarstromanlagen an das Niederspannungsnetz“ das alles was nicht eindeutig geregelt ist, als Hinderungsgrund auslegt. Dabei fehlt einigen Netzbetreibern das Bewusstsein, das der BDEW nur ein mächtiger Lobby-Verband der zentral fossilen Energiewirtschaft ist, der zwar in vielen Gremien wie zum z.B. der FDP-Delegation bei den Sondierungsverhandlungen 2017 vertreten war, aber keine direkte legislative Berechtigung hat.
Daher hat die Arbeitsgruppe PVplug der DGS umfangreiche Sicherheitsanalysen mit Unterstützung von Experten und Institutionen durchgeführt. Diese Untersuchungen widerlegten alle Behauptungen, der Betrieb von steckbaren Solar-Geräten sei mit höheren Risiken behaftet, als der Betrieb anderer üblicher Haushaltsgeräte. Das Gegenteil ist richtig: Die Lebensdauer der Elektroinstallation verlängert sich.
Erstmals auch normgerecht: DIN VDE 0100-551-1
Das Normierungsverfahren beim Verband der Elektrotechnik (VDE) und der Deutschen Kommission Elektrotechnik (DKE), welche die in Deutschland geltenden Sicherheitsbestimmungen für elektrotechnische Geräte erarbeiten, ist seit Anfang November inhaltlich abgeschlossen. Zu dem Normentwurf gingen beim VDE|DKE-Experten über 300 Kommentare ein. Der Veröffentlichung einer Nationalen Vornorm DIN VDE V 0100-551-1 (VDE V 0100-551-1), die auch in die europäische und internationale Normung eingebracht werden soll, steht nichts mehr im Weg. Neben der Installationsnorm DIN VDE 0100-551 hat die DGS einen Antrag auf Normung des Produktes gestellt. Bis zum Inkrafttreten dieser speziellen Produktnorm können steckbare Solargeräte nach der Dachnorm EN 60335 und dem DGS Sicherheitsstandard für steckbare Stromerzeugungsgeräte DGS 0001:2017-08 geprüft werden. Bis zum Inkrafttreten der Produktnorm dient der DGS Sicherheitsstandard für steckbare Stromerzeugungsgeräte Herstellern und Anbietern solcher Geräte als Kriterienkatalog zur technischen Ausstattung und Kennzeichnung ihrer Produkte. Momentan ist eine Kennzeichnung für Geräte nach DGS-Sicherheitsstandard in Arbeit, um Produkte, für den Laien erkennbar zu machen.
Die Installationsnorm DIN VDE 0100-551-1 regelt den Anschluss von Stromerzeugungseinrichtungen für den Parallelbetrieb mit anderen Stromquellen, einschließlich des öffentlichen Stromverteilungsnetzes. Sie erlaubt in ihrer Konsequenz die Einspeisung von Strom aus steckbaren Solar-Geräten in sogenannte gemischte Stromkreise mit einer laientauglichen Steckverbindung.
Widerstände von vielen Seiten
Die DGS vertritt schon seit dem Jahr 2000 die Interessen der Verbraucher bei Normungsprozessen der netzgekoppelten Photovoltaik. Seit gut einem Jahr arbeitete sie auch daran, die technischen Voraussetzungen für einen normgerechten Betrieb von steckbaren Solar-Geräten, also photovoltaischen Balkonkraftwerken, zu klären und darüber die Öffentlichkeit in Kenntnis zu setzen. Die Erstellung von Normen ist eigentlich ein banaler Vorgang, der immer dann anläuft, wenn neue Technologien und die darauf aufbauenden Produkte Marktrelevanz erreichen. Sie werden erstellt, um für Hersteller wie Verbraucher die technischen Bedingungen transparent und sicher zu machen. Obwohl die Normung als Expertenforum angelegt ist, kommen bei einigen Themen auch politische und wirtschaftliche Interessen zum Tragen. So war es bei der Normung der steckbaren Photovoltaik-Geräte aus Sicht der DGS nötig, durch aktive Bürgerbeteiligung ein Gegengewicht zum Einfluss der alten Energiewirtschaft zu schaffen. Dabei war es erstaunlich, dass sich mittlerweile über 1.000 Bürger an einem technischen Normungverfahren beteiligt haben.
Anders als in Österreich, wo die e-Control, den Anschluss von steckbaren PV-Anlagen bis 600 W mit Schuko-Stecker geregelt und ein Meldeverfahren entwickelt hat das auf eine halbe A4 Seite passt, heißt es von der Deutschen Bundesnetzagentur: „Solaranlagen müssen bei der Bundesnetzagentur angemeldet werden. Dazu steht ein Onlineportal zur Verfügung. […] Für Anpassungen der Regelungen bezüglich einer Vereinfachung der Vorgaben für Balkonanlagen ist nicht die Bundesnetzagentur zuständig. Für Anpassungen der Gesetze ist der Gesetzgeber zuständig.“ Schaut man sich die Meldeverfahren der BnetzA an wird man feststellen: Photovoltaikanlagen haben das aufwändigste Meldeverfahren, bei dem selbst die Seriennummern der PV-Module abgefragt werden. Anlagen die fossile Energieträger nutzen, müssen nicht gemeldet werden. Eine gesetzliche Grundlage für die unterschiedlichen Verfahren konnten wir nicht recherchieren.
Dabei könnte es doch so einfach sein, wie es der EU Netzkodex 2016/631 fordert und es uns unsere Nachbarn vormachen: Die Niederlande haben eine Bagatellgrenze von 500W/2,25A für die Einspeisung von PV-Strom in Endstromkreise erprobt. 200.000 Niederländer haben sich selbst kleine Anlagen installiert, ohne dass es zu Zwischenfällen gekommen ist. Auch in Österreich (600 VA), in der Schweiz (600W/2,6A) und in Portugal (200W) gibt es solche vereinfachten Regelungen für die Einspeisung aus kleinen dezentralen Anlagen.
Die Energiewende kommt in die Städte
Das Mobbing mit der angeblich mangelhaften Legitimität lief und läuft auch weiterhin noch, nicht als frontaler Angriff, sondern eher hinter vorgehaltener Hand. Aber laut und penetrant genug, sodass die Presse die geäußerten Behauptungen teilweise aufnahm und verbreitete. Selbst Tageszeitungen wie die Frankfurter Rundschau schrieben, Balkonkraftwerke seien halblegal, ein Begriff der in der Juristerei gar nicht existiert. Andere meinten, die Geräte bewegten sich in einer rechtlichen Grauzone. Das behaupteten sogar bekannte Anwälte. Eine nachvollziehbare Antwort, warum ein technisch einwandfrei angeschlossenes Solarmodul von rund 300 Watt Leistung, das als Balkonkraftwerk in einen bestehenden Stromkreis einer Wohnung einspeist, eine juristische Hürde oder Sicherheitsproblem darstellen würde, gibt es nicht. Von daher wird sich auch in Deutschland die Entwicklung letztendlich auch nicht mehr aufhalten lassen.
Wir lassen uns die Energiewende nicht wieder wegnehmen
Die DGS ruft die Bürger dazu auf, ihre Stromversorgung im Rahmen ihrer Möglichkeiten selbst in die Hand zu nehmen. Dies ist ihr demokratisches Recht, das die Verfassung garantiert. Die Versuche von BDEW und Netzbetreibern, die Ausübung dieser Rechte zu behindern, sind inakzeptabel. Die DGS fordert auf dieser Grundlage die Absicherung und Umsetzung verbraucherfreundlicher Regeln für steckbare Solar-Geräte:
- Eine Bagatellgrenze für den Anschluss von steckbaren Solar-Geräten durch den Nutzer
- Keine oder vereinfachte Meldepflichten für Geräte bis 800 Watt gemäß EU Netzkodex 2016/631
- Eine rationale Risikowahrnehmung wie in der Schweiz, den Niederlanden und Österreich, um auch hierzulande die Möglichkeit zu bieten, sichere Solar-Geräte ohne zusätzlichen Aufwand in Betrieb nehmen zu können
- Ein klares Bekenntnis der Netzbetreiber und der Politik zur dezentralen Stromerzeugung und zur Beseitigung bestehender normativer Hürden für Bürger, die regenerative Stromerzeugungseinrichtungen betreiben (Prosumer)
Eine ausführliche Begründung unserer Forderungen finden Sie in unserem Positionspapier.