Das Potenzial für integrierte Photovoltaik ist riesig
Für die Energiewende ist ein erheblicher Zubau an Solarenergie nötig. Um Flächenkonflikte zu vermeiden, wird vermehrt integrierte Photovoltaik in den Blick genommen, wie etwa in Gebäudefassaden, der Landwirtschaft oder Straßen.
Neben der Windkraft ist die Solarenergie wichtigste Säule für die Energiewende. Und die soll bis 2030 auf einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbare Energien vorangetrieben werden, bis 2050 auf mindestens 80 Prozent. Der Bundesverband Erneuerbare Energien warnte bereits im letzten Jahr vor einer riesigen Ökostromlücke, da die Elektrifizierung von Verkehr und Wärme beim künftigen Strombedarf von der Bundesregierung systematisch unterschätzt werde. Je nach weiteren Randbedingungen geht das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme von weiteren 500 Gigawatt (GW) installierter Photovoltaikleistung aus, die nötig sind für eine erfolgreiche Energiewende.
Bis März dieses Jahres waren in Deutschland aber erst 50 GW Photovoltaik installiert, ein Großteil davon auf Dächern und Freiflächenanlagen. Doch bei einem massiven Ausbau könnte vor allem der Bau neuer Freiflächenanlagen zu Konflikten führen. Das Fraunhofer ISE hat daher das Potenzial von sogenannter integrierter PV-Technologie in den Blick genommen. Bereits für andere Zwecke genutzte Flächen bieten demnach riesige Möglichkeiten für den Zubau von tausenden Gigawattleistung.
Ganz vorne dabei die Agrophotovoltaik. Laut Berechnungen des Fraunhofer ISE liegt das technische Potenzial der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland bei 1.700 GW. Vor allem im Obst- und Weinanbau könnte die Agrophotovoltaik vermehrt Anwendung finden. Wie Beispiele aus den Niederlanden zeigen, schützen Solarmodule statt Folientunnel empfindliche Himbeersträucher vor Regen und Hagel. Damit die Pflanzen genügend Licht erreichen, werden spezielle semitransparente kristalline Solarmodule verwendet.
Ein ebenfalls großes Potenzial bietet die Integration von Solarmodulen in Gebäudefassaden. Dadurch könnten allein in Deutschland 1.400 GW PV-Leistung installiert werden. Das Potenzial bezieht sich dabei auf die Integration von Photovoltaik in Bauelemente, die zusätzlich zur Stromgewinnung klassische Funktionen wie Wärmedämmung, Wind- und Wetterschutz übernehmen oder die Architektonik widerspiegeln. Dies biete laut Fraunhofer ISE auch die Chance, für Gebäudeeigentümer strenger werdende energetische Gebäuderichtlinien zu erfüllen.
© Fraunhofer Ise | Das technische Potenzial für integrierte Photovoltaik in Deutschland ist riesig.
Weitere Potenziale bieten urbane Flächen, wo zum Beispiel auf großen Plätzen Photovoltaik als Schattenspender fungieren kann. Auch die Möglichkeiten schwimmender Photovoltaikanlagen haben die Forscher des Fraunhofer ISE analysiert. Hier bieten vor allem geflutete ehemalige Braunkohletagebaue ein enormes Potenzial. In und an Verkehrswegen sind ebenfalls vielfältige Möglichkeiten gegeben. Ob integrierte Photovoltaik in den Wegen selbst, an Seitenwänden oder auf Überdachungen, technologisch ist bereits vieles machbar.
Auch die Fahrzeuge auf den Straßen sollten verstärkt ins Blickfeld für installierte Solarmodule genommen werden. Elektrisch betriebene Pkws und Lkws bieten laut Analyse ein Potenzial von 41 GW und könnten die Reichweite der Fahrzeuge enorm steigern. Hier und bei integrierter PV in Gebäudefassaden sieht das Fraunhofer ISE auch die Chance den Fokus noch stärker auf ortsgebundene Stromversorgung zu setzen – das allgemeine Stromnetz wäre entlastet.
Auch wenn derartige Photovoltaiklösungen mit einem erhöhten Planungs- und Installationsaufwand verbunden sind, sehen die Forscher weitere Chancen. So kann der lokalen Produktion mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, da integrierte Photovoltaik ein hohes Maß an individuellen Lösungen erfordert. Auch die Reduktion des Materialverbrauchs ist ein positiver Aspekt, vor allem bei Gebäuden, wo die Solarmodule zugleich als weitere Bauelemente fungieren.
Das ein deutlicher Ausbau der Photovoltaik bereits in den kommenden Jahren nötig ist, zeigt auch eine aktualisierte Studie von Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), EuPD Research und The Smarter E. Demnach führe die Corona-Krise zwar zu einem Rückgang der Nettostromnachfrage von vier Prozent auf knapp 500 Terawattstunden in diesem Jahr, doch mit der Erholung der Wirtschaft wird die Nachfrage ab 2021 wieder steigen.
Durch wegfallende Atom- und Kohlekapazitäten drohe nach wie vor eine Stromlücke von 46 Terrawattstunden Strom – und das bereits ab 2023. Die Macher der Studie fordern daher eine Verdopplung des Photovoltaik-Zubaus ab 2021 auf acht Gigawatt und eine Verdreifachung auf 12 GW ab 2022.
Quelle
Der Bericht wurde von
der Redaktion “energiezukunft“ (mf) 2020 verfasst – der Artikel darf nicht
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Heft 28 / 2019 | „Urbane Energiewende“ | Jetzt
lesen | Download | (Bild: Max Trommsdorff / WikiCommons, CC BY-SA 4.0)