Die Energiewende in der Krise? Teil 1
Von ihren Gegnern wird die Energiewende als kostspieliges Unterfangen diffamiert. Die Zahlen – etwa die Billion Euro, von Minister Altmaier in die Welt gesetzt – sind frei erfunden, ein Bashing ganz unverfrorener Art. Die Strompreisbremse, von Umwelt- und Wirtschaftsminister kreiert, basiert nicht nur auf einem Zerrbild der Erneuerbaren, sie erzeugten ein Trommelfeuer von Krisengerede und Untergangsszenarien. Und mittendrin, der Minister Altmaier als rettender Engel, der unablässig versichert, er wolle die Energiewende unbedingt durchsetzen. Welche Energiewende er damit meint, wird bei seinen unzähligen öffentlichen Auftritten kaum gefragt. Essay in drei Teilen von Klaus Oberzig – Teil 1: Über die gegenwärtige Phase, in der sich die Energiewende befindet.
Wenn Regierung und große Teile der Massenmedien von der Energiewende sprechen, geht es ausschließlich um den Stromsektor. Sie versuchen an aktuellen Problemen mit dem von ihnen verstümmelten EEG, siehe Umlage oder Stromsteuer, anzudocken und nutzen dies für eine Diffamierung der Erneuerbaren in voller Breite. Das gilt übrigens auch für die in der letzten Zeit so hochgelobte Denkfabrik Agora (1), deren zwölf Thesen zur Energiewende sich nur im Kleingedruckten als „Diskussionsbeitrag zu den wichtigsten Herausforderungen im Strommarkt“ zu erkennen gibt. Dagegen scheint es notwendig ins kollektive Bewusstsein zu rufen, es geht nicht nur um die großen deutschen Strommonopole. Auch die internationalen Öl- und Gaskonzerne sind involviert, doch von Exxon oder Gazprom wird in diesem Zusammenhang kaum gesprochen.
Bereit für den Wettbewerb?
Worin besteht nun die vielbeschworene „Krise der Energiewende“? Existiert sie tatsächlich oder erleben wir nur eine der Schlachten im großen Krieg, um mit dem Militärtheoretiker Clausewitz zu sprechen? Die Klärung dieser Frage lässt sich aus zwei gegensätzlichen Perspektiven angehen. Aus Sicht der großen Platzhirsche im Energiesystem, inklusive der Öl- und Gasversorger, oder aus Sicht der Befürworter eines entmonopolisierten, bürgernahen und klimaangepassten Energiesystems, also letztlich der Mehrheit der Bürger in diesem Land. Ganz offensichtlich hat nach rund einem Jahrzehnt EEG die regenerative Stromerzeugung ein Ausmaß angenommen, das für die einst unangefochtenen Monopole existenzbedrohend geworden ist. So meldeten die Agenturen auch Ende März wieder neue Rekorde der Stromerzeugung aus Wind, Sonne und Biomasse. Und diejenigen, die sich vom Krisengerede nicht haben anstecken lassen, verbinden dies mit der nüchternen Feststellung, „dass die Erneuerbaren längst ihre Nische verlassen haben, dass es Zeit wird, sich über Speicher und Netzmanagement Gedanken zu machen und dass die trägen Braunkohle- und Atomkraftwerke wirklich ein Problem bekommen“. Kein Wunder, dass die Vertreter der alten Energiewirtschaft ihre Streitkräfte mobilisieren und großen Druck für ein Rollback machen, verstärkt von den Medien, die in weiten Bereichen nur noch die Rolle der devoten Hofberichterstatter spielen.
Sind die neoliberalen Modelle ausgereizt?
Aus Sicht der Bürger stellt sich die Sache anders dar. Die Jahrzehnte bestehende Einbahnstraße der zentralen Stromerzeugung vom Großkraftwerk zum Verbraucher, mit dem Bürger als Nur-Konsumenten, ist aufgebrochen. Durch das EEG wurden über eine Million Menschen, Gruppen und Institutionen ihrerseits zum Stromproduzenten. Längst macht das Wort vom „Prosumer“ die Runde. Doch das Modell EEG ist gleichzeitig in die Jahre gekommen. Der Verkauf von PV-, Wind- oder Biogasanlagen ging im Wesentlichen als Kapitalanlage vonstatten. Das war sehr erfolgreich und hat den Newcomer-Industrien der regenerativen Stromerzeugung den Start in die Energiewende ermöglicht. Eine Win-win-Situation für die Beteiligten. Unter dem Strich lässt sich sagen, das EEG ist eine Schöpfung des Neoliberalismus, die erfolgreich auf dieser Welle gesurft hat. Über die Förderung von PV-, Wind- und Biomasseanlagen hat man, gewollt oder ungewollt, zusätzliche und konkurrierende Erzeugungskapazitäten geschaffen, die natürlich irgendwann zum Konflikt mit den alteingesessenen Platzhirschen der konventionellen Stromerzeugung führen mussten. Das hat eine technische Seite in Sachen Netzstabilität, aber auch eine wirtschaftliche hinsichtlich der Rentabilität großer, Grundlast fahrender, Kraftwerke – also den Standardanlagen der Konzerne. Da hilft weder ein Kleinreden und Verharmlosen noch der Verweis auf neue Netze oder Speicher. In einer Situation steigender Überproduktion – Deutschland ist in Sachen Stromerzeugung ein Exportland, ähnlich wie in der Automobilproduktion – tritt der Grundkonflikt zu Tage: die beiden Systeme passen nicht zusammen. Dass die Stromkonzerne von dieser Überproduktion via Strombörse profitieren und dass sie diesen Verdrängungswettbewerb in die Nachbarländer verlagern, diese Konsequenz des EEG in seiner jetzigen Form sollte man nicht verschweigen.
Quelle
Klaus Oberzig ist Wissenschaftsjournalist aus BerlinErstveröffentlichung SONNENENERGIE | 3-2013 | MAI-JUNI