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Die Energiewende in der Krise? Teil 2

Im ersten Teil dieses Essays hatten wir  festgestellt, dass eine Energiewende  2.0 erforderlich sei. Und dass diese ihre  Aktivposten in den vielen Solarbürgern,  aber auch in den Städten, Gemeinden  und Energiegenossenschaften der 100  % EE-Bewegung hat. Damit, so die optimistische Schlussfolgerung, existiere  eine gesicherte Basis für die weitere Entwicklung der Energiewende. Aber diese  Akteure sehen sich mit großen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen neue  Wege suchen und finden. Energiewende  2.0 meint nicht nur, sich auf technische  Innovationen zu verlassen, sondern neue  organisatorische und politische Konzepte zu entwickeln. Essay in drei Teilen von Klaus Oberzig – Teil 2: Perspektiven lokaler und regionaler Energienetze

Volker Quaschning hat  versucht, die bisher erreichten Erfolge der  Energiewende einzuordnen, indem er da – von sprach, dass 88 % der Energiewende  noch vor uns liegen. Das mag eine plakative Formel sein, die sich verwenden lässt.  Wichtiger ist seine Feststellung, dass bis – lang kein Konzept existiert, um bis 2050  den gesamten Energiebedarf mit erneuerbaren Energien zu decken. Das legt den  Finger auf die Wunde. Anstatt die bisherigen Erfolge zu bejubeln, wie das manche  Solarenthusiasten und Branchenvertreter  angesichts 25 Prozent Ökostrom tun  –  aktuell etwas leiser  –  sollte man sich diesen Mangel eingestehen.

Chefbremser Altmaier nicht wirkungslos

Die Chefbremser der Energiewende, wie Franz Alt die Minister Altmaier und Rösler nennt, haben es mit gezielten Schlägen in dieser Legislaturperiode nicht nur geschafft, den Ausbau der Photovoltaik zu bremsen. Auch die energetische Sanierung und Modernisierung des Gebäudebestands wurde, trotz gegenteiliger Beteuerungen, dem Einsatz erneuerbarer Wärme weitgehend entzogen. Keine steuerliche Absetzbarkeit von Sanierungsmaßnahmen, eine verschobene Energieeinsparverordnung und eine wetterwendische Förderpolitik sind die Basis für den Siegeszug der Erdgastherme. Zugleich ist es den Gegnern der Energiewende gelungen, eine gute Ausgangsposition zu graben, um weitergehende Ziele realisieren zu können. Diese bestehen darin, die Dezentralisierung der Energieerzeugung abzublocken und eine Renaissance der zentralen Erzeugung durchzusetzen. Nicht nur beim Strom, da kam man eben nicht so gut voran.

Wie das auf der gesetzlichen und administrativen Ebene gelungen ist, konnten wir alle in den letzten Jahren verfolgen. Vier Jahre Schwarz-Gelb enden mit einer trüben Bilanz. Darüber, wie Altmaiers Strompreisbremse wirkt und wie die Strommonopole aus den sinkenden Börsenpreisen Honig saugen, ist viel geschrieben worden. Über die Instrumente, mit denen dieses Rollback nun auch wirtschaftlich durchgezogen werden soll, gibt es weniger Klarheit. Es ist vor allem eine neue Generation von Braun- und Steinkohlekraftwerken, von denen die ersten schon ans Netz gegangen sind, mit denen ein Preiswettbewerb vom Zaun gebrochen wird und die Ökostromanbieter an die Wand drücken soll. Politisch werden diese Kraftwerksneubauten zwar heftig kritisiert, Kraftwerksnamen wie Datteln (Eon) oder Grevenbroich-Neurath (RWE) sind dem interessierten Publikum durchaus bekannt. Was es damit technisch auf sich hat, weniger.

Kohlekraftwerke flexibel wie noch nie

Braunkohlenkraftwerke mit optimierter Anlagentechnik (BoA), so schreibt RWE stolz, würden nicht nur mit Wirkungsgraden von über 40 Prozent (ohne KWK) arbeiten, sie hätten auch eine besonders schnelle Reaktionszeit. „In 15 Minuten kann jeder Block …seine Leistung um mehr als 500 MW reduzieren beziehungsweise erhöhen. Damit kann die schwankende Einspeisung der erneuerbaren Energien ausgeglichen werden“, ist auf der Website des Konzerns nachzulesen. Die neuen Superkraftwerke seien flexibel wie Gaskraftwerke. Es wundert also nicht, dass das Wiedererstarken der Kohlekraftwerke auch auf Kosten der Gaskraftwerke geht. Das ist geplant. Die neuesten Energiebilanzen sind ein deutliches Zeichen und alles passt zu den Ausbauplänen der Übertragungsnetzbetreiber. Hinter den verbalen Bekundungen zur Energiewende klingt inzwischen ziemlich unverhohlen eine andere Botschaft durch: erneuerbare Energien brauchen wir nicht, die zentralen Geschäftsmodelle sind besser und rentabler!

Wie das laufen soll, sieht man exemplarisch am Thema Nachtspeicheröfen. Sie müssen, nach einem der letzten Coups der schwarz-gelben Regierung kurz vor Ende der Legislaturperiode, nun doch nicht aufs Altenteil. Stattdessen werden sie mit billigen Sondertarifen auch und gerade gegen den Eigenverbrauch von Solarstrom in Stellung gebracht. Das Beispiel der Stromheizungen verdeutlicht das Dilemma speziell der Photovoltaik. RWE & Co. stoßen nicht zufällig auch in den Wärmebereich vor.

Viele Solarfreunde glauben, nach dem Herunterfahren des EEG werde ein Aufblühen des Eigenverbrauchs und der Elektrospeicher den Aufstieg des Ökostroms nahtlos fortsetzen. Was hier erblüht sind höchstens die Illusionen, wie sie schon vor einem Jahrzehnt bei der Solarthermie im Umlauf waren. Damals wie heute muss man leider feststellen, dass nur Kurzzeitspeicher verfügbar sind, mit denen alleine nicht gegen die Phalanx der Kohle –, Öl – und Erdgasproduzenten an gestunken werden kann. Eine logische Folge jahrelang ausbleibender Speicherforschung.

Konzerne wollen mit Versorgungssicherheit punkten

Die Strategie der Konzerne läuft darauf hinaus, Versorgungssicherheit zum Marketingthema bzw. zur Hauptwaffe gegen die Flut der erneuerbaren Energien zu machen. Und Versorgungssicherheit hat natürlich ihren Preis – darauf werden die großen Akteure nicht verzichten. Die Erneuerbaren sollen wieder in die Rolle der Nieschenanbieter zurückgedrängt werden. Solange Kohle, Öl und Gas da sind – Klimafolgen hin oder her – braucht man die Sonne nicht. Die Windkraft glaubt man irgendwie okkupieren zu können, Ausgang noch offen. Es stellt sich immer deutlicher heraus, dass die Erfolge des EEG, vor allen Dingen mit der Photovoltaik, ein Janus-Gesicht aufweist. Die Stromkonzerne sind mitnichten am Ende ihres Lateins, sie haben es sogar geschafft, aus dem Überangebot des EEG-Stroms Exporterfolge zu kreieren. Über billige Industrietarife und Befreiung von der EEG-Umlage werden die wirtschaftlich Starken begünstigt und die eigene Wettbewerbsposition wieder gestärkt. Bezahlen tut das alles der Bürger und Konsument. Und kein Ende ist in Sicht.

Kein Boom bei E-Speichern zu erwarten

Warum wird es keinen Boom im Zusammenhang mit Eigenverbrauch und Elektrospeichertechnologien geben? Die Antwort ist recht einfach. Der Bedarf für den Eigenverbrauch bei Dachanlagen ist nicht vorhanden. Elektrische Speicherung auf dieser kleinteiligen Ebene dürfte auch in Zukunft schwerlich wirtschaftlich zu machen sein. Und die technischen Möglichkeiten, Strom vom Dach langfristig und saisonal zu speichern, ist nicht wirklich in Sicht. Man muss kein Prophet sein um vorauszusagen, dass bei weiter gekürzter oder gar beseitigter Einspeisevergütung der Zuwachs bei der Photovoltaik noch weiter einbrechen wird.

Genauso wie die Entwicklung der Solarparks abgeblockt wurde, steht zu befürchten, dass zukünftig zusätzlicher Solarstrom im Netz abgeblockt oder zumindest behindert werden wird. Dafür stehen Altmaier und Rösler auch zukünftig. Das Konzept der Gegenseite, das sie umsetzen, lässt sich recht simpel beschreiben: Solarstrom sollte die Spielwiese weniger Bürger vornehmlich im EFH-Bereich sein. Alles darüber hinaus sollte eingeschränkt werden. Die Grenze bei 52 GW ist bitter ernst gemeint, nicht als Einstieg und Angebot in ein kooperatives Miteinander, sondern als endgültige und unverrückbare Einfriedung. Darüber hinaus darf es für mindestens eine Generation hauptsächlich nur noch Kohlestrom geben. Danach könnte eine Energiewende á la RWE kommen, nämlich unter zentraler Führung. Der Bürger als Prosumer passt nicht in dieses Bild.

Betrachten wir nochmals die Möglichkeiten des Eigenverbrauchs. Der Mobilitätssektor mit E-Autos ist auf unabsehbare Zeit Zukunftsmusik. Bleibt der Wärmebereich. Manche Solarstromfreunde träumen davon, dahin vorzudringen. Selbst in aktuellen Magazinbeiträgen nach der Intersolar 2013 wird das Hohelied vom Solarstrom als Ergänzung der Wärmepumpe gesungen. Dass dem wegen der fehlenden Langzeitspeicher enge Grenzen gesetzt sind und deshalb der weitaus größte Anteil des Kompressoren- und Pumpenstroms doch von den Kohlekraftwerken geliefert werden müsste, wird verdrängt. Das mag manchem Leser als eine allzu negative Botschaft erscheinen. Doch man darf die Situation nicht beschönigen. Eine Chance für den Ökostrom ist in solchen kleinteiligen Modellen nur am Rande zu finden.

Was lässt sich also an Aktivposten anführen, mit denen die Bewegung der Erneuerbaren aus der Defensive kommen könnte und sich mit der Zeit zu einer Strategie verdichten ließe? Im ersten Teil dieser Essay-Serie wurde darauf hingewiesen, dass das unkoordinierte Nebeneinander von Strom- und Wärmesektor, ein Handikap für die weitere Entwicklung darstellt. Gemeint ist, dass die gegenläufigen Konzepte, den erneuerbaren Strom als Geldanlage und die Solarwärme als Einspartechnologie zu verkaufen, sich unvereinbar gegenüber stehen. Dass dem so ist, wird durch die Entwicklung der letzten Monate belegt: nach der Solarwärme kränkelt nun auch der Solarstrom. Die Auflösung, so die Gegenthese, kann nur darin bestehen, dass die Erneuerbaren aus Sonne, Wind, Wasser und Erd- oder Umweltwärme kooperative Wege finden – exergetisch wie jahreszeitlich. Das ist zwar keine neue Erkenntnis. Es ist aber an der Zeit, dies als Grundlage bei der Suche nach neuen Konzepten ernst zu nehmen.

Vorbild dänisches Smart District Heating

In der aktuellen Situation muss diese Suche auf die lokale und regionale Energieerzeugung zugespitzt werden, als Kontrapunkt zu den Monopolen. Das Ganze läuft also naturgemäß auf die Bewegung der 100%-EE-Kommunen, der Energiegenossenschaften und Stadtwerke zu. Auch wenn sie sich in jüngster Vergangenheit positiv entwickelt haben, sind sie noch recht stromlastig. Anstatt vorzugsweise auf 100 % Ökostrom zu zielen, sollten solare Nahwärmenetze nach dem Vorbild des dänischen Smart District Heating aufgebaut werden. Sie können als Plattform für alle Formen von regenerativen Energien genutzt werden. Das bedeutet, Strom- und Wärmeerzeugung vor Ort zu integrieren. Für Deutschland ist das Neuland, Dänemark ist demgegenüber ein Jahrzehnt voraus.

Die Dezentralisierung von Wärme- und Stromversorgung findet ihren stabilisierenden Faktor aber nicht nur in der Integration von Solarthermie, BHKWs mit unterschiedlichster Feuerung, Wärmepumpe und EE-Strom. Herzstück sind die großen saisonalen Wärmespeicher. Auch wenn BHKWs grundsätzlich wärmegeführt werden, sind sie zugleich ein Element der regionale Stromerzeugung, an das sich Wind- und Sonnenstrom andocken lässt. Wie pragmatisch das gehandhabt werden kann, zeigt die dänische Praxis, überschüssigen Windstrom mit dem großen Tauchsieder thermisch abzuspeichern. Auf deutsche Verhältnisse übertragen stellt sich die Aufgabe, Photovoltaikanlagen in diese Netze zu integrieren und sie zu lokalen oder regionalen Energienetzen zu entwickeln. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.

Ziel lokale Energienetze

Als professionell geführte Unternehmungen könnten sie ein Geschäftsmodell mit Zukunftsperspektive für neue oder reaktivierte Stadtwerke, Energiekommunen und Genossenschaften werden. Eine Perspektive für die Solaranlage auf dem Dach oder den Solarpark inbegriffen. Sie versprechen Flexibilität und Stabilität, auch im Wettbewerb mit den zentral ausgerichteten Geschäftsmodellen der Monopolanbieter. Aus Konsumentensicht garantieren Sie Versorgungssicherheit, Komfort und niedrige Preise. Sie haben das Potenzial, die eigentlichen Konkurrenten der Kohle- Öl- und Strommonopole werden.

Da in Deutschland die dezentrale bzw. individuelle Wärmeerzeugung fest etabliert ist – dahinter steht eine große und weltweit agierende Branche der Heizungs- und Anlagenbauer – wird das Austreiben der fossilen Verbrennungstechniken nicht allein über gesetzliche Wärmestandards beim Neubau zu erreichen sein. Es wird auch nicht ausreichend sein, wenn KfW und Bafa alleine die Fahne für niedrige Energiegebäudestandards hoch halten. Dezentralisierung und Regionalisierung liegt als politische Aufgabe auf dem Tisch. Das ist die Konsequenz aus vier Jahren Schwarz-Gelb. Es wird deutlich, dass die weitere Zukunft der Energiewende mehr die Frage einer politischen Auseinandersetzung, denn eine Frage der Innovation und des technischen Fortschritts ist. Ein Abducken oder Ausweichen wird nicht zielführend sein. Alleine aus den Debatten um die nächsten Schritte und Aufgaben der Energiewende 2.0 kann das entstehen, was Quaschning wohl meinte, ein Konzept oder gar eine Strategie.

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Quelle

Klaus Oberzig ist Wissenschaftsjournalist aus BerlinErstveröffentlichung SONNENENERGIE | 4-2013 | JULI-OKTOBER

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