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DIW-Studie empfiehlt Erdgasausstieg: „Gas-Exit“ in Sichtweite

Obwohl der Kohleausstieg in Deutschland einen stärkeren Einsatz von Erdgas mit sich bringt, sehen Energieökonominnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in einem Ausbau der Erdgas-Infrastruktur keinen Sinn. Wenn Europa klimaneutral werden soll, bedeute dies letztlich einen „Gas-Exit“.

Vor einer Fehlentwicklung beim Ausbau der Gasinfrastruktur warnen Forscherinnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Zwar sei im Kohleausstiegsgesetz die weitere Förderung von Erdgas vorgesehen – der abnehmende Bedarf nach dem fossilen Energieträger könne jedoch mit der bestehenden Infrastruktur gedeckt werden, betonen Franziska Holz und Claudia Kemfert in einer am Montag erschienenen Kurzstudie in der Reihe DIW aktuell.

Nach Ansicht der beiden Professorinnen sollte die Planung neuer Flüssigerdgas-Terminals deshalb gestoppt und nur geprüft werden, ob diese Anlagen statt für Flüssigerdgas (LNG) auch für Wasserstoff geeignet sind.

Angesichts der Bemühungen um ein klimaneutrales Europa bis 2050 werde immer deutlicher, dass Erdgas bis dahin aus dem Energiesystem verdrängt wird. Auch sei die Erdgaserzeugung weitaus klimaschädlicher als vielfach angenommen, betonen die DIW-Ökonominnen. Zugleich böten sich heute sowohl bei der Stromerzeugung als auch in anderen Anwendungen erneuerbare Alternativen an, deren „Kostensenkung erfolgreich angeschoben wurde“.

Im Stromsektor hätten bei der Frage, was passiert, wenn Wind und Sonne zeitweise nicht verfügbar sind, Energiewirtschaft und Forschung bereits Antworten gefunden, die den Verzicht auf Erdgas ermöglichen. Dazu gehörten neben Batteriespeichern, dem Nachfragemanagement und der stärkeren Vernetzung von immer mehr Regionen mit erneuerbaren Energien auch die sogenannten Power-to-X-Technologien.

Grünes Gas als „Teil des Energiemixes“

Die damit mögliche Herstellung von grünem Wasserstoff und dessen weitere Verarbeitung zu Methan könnten den DIW-Forscherinnen zufolge bisherige Anwendungen von Erdgas ersetzen – in der Wärmeerzeugung für Industrie und Haushalte genauso wie in der Stromerzeugung zum Spitzenlastausgleich oder als Kraftstoff. Auch aus Biogas hergestelltes Methan könne Erdgas ersetzen.

Gas auf Basis erneuerbarer Quellen könne so „Teil des Energiemix“ werden, betonen Holz und Kemfert. Dieses Gas könne zu einem Großteil dezentral und verbrauchernah hergestellt werden. In einem klimaneutralen Energiesystem werde deshalb die heutige „großzügig dimensionierte Importinfrastruktur für Erdgas in Form von Pipelines und Flüssiggashäfen“ nicht mehr gebraucht.

Das DIW-Papier geht auch der Frage nach, welche Rolle Flüssigerdgas aus den USA im europäischen Erdgasmarkt spielen kann. 2018 seien nur zwölf Prozent des US-Flüssigerdgases nach Europa gegangen, der weitaus größere Teil nach Asien.

Wegen der dort zu erzielenden höheren Preise gehen die DIW-Forscherinnen davon aus, dass Asien auch längerfristig der „attraktivere Markt“ für US-Flüssigerdgas bleibt. Höhere Anteile im europäischen Gasmarkt erwarten sie nur für den Fall, dass der Gastransport von den USA nach Europa subventioniert werden würde.

Erdgaslobby rechnet mit konstantem Bedarf

Anders als das DIW geht die Erdgasbranche selbst davon aus, dass der Erdgasbedarf in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten „mindestens konstant bleiben, wenn nicht sogar steigen“ wird. So formuliert es der Lobbyverein „Zukunft Erdgas“ in einer kürzlichen Stellungnahme für den Bundestag.

Infolge des Kohleausstiegs steige die Bedeutung von Gaskraftwerken für die Sicherung der Stromversorgung, heißt es dort weiter. Weil zugleich die Erdgasförderung in der EU selbst sinke, müsse die entstehende „Lücke“ kurz- und mittelfristig durch zusätzliche Importe gedeckt werden. Dazu gehörten neben neuen Pipelines wie Nord Stream 2 auch Importe von verflüssigtem Erdgas.

Quelle

Der Bericht wurde von
der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2020 verfasst – der Artikel
darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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